Samstag, Oktober 15, 2005

Des SPIEGELs Gruselgeschichte über Mao

Am 1. Oktober 2005 erschien der SPIEGEL mit einer unsäglichen Titelgeschichte über Mao, den "großen Zerstörer".
Offenbar versucht der SPIEGEL gerade heftig, inhaltlich das konservative Magazin FOCUS politisch rechts zu überholen und in seinem Stil die Blätter der Regenbogenpresse möglichst tief zu unterbieten. - Schon im Bundestags-Wahlkampf in diesem Sommer fiel der SPIEGEL dadurch unangenehm auf, dass er mit falschen Zahlen des damaligen CDU-Schattenministers Kirchhhof Wahlwerbung für die CDU machte...

Der Spiegel beruft sich auf das neue Buch der Chinesin Juang Chang und will ihr helfen, "Maos Bild zumindest im Westen auf breiter Basis neu zu definieren".
Zwar gibt der Autor des Artikels an einer Stelle selber zu, dass Juang Changs Buch mit "Furor" (Raserei, Zorn. "Furie" ist die Rachegöttin und im übertragenen Sinne eine rachsüchtige Frau) verfasst sei, weil Changs Familie unter Mao gelitten habe. Doch gibt es für den Spiegel "keinen Grund, an dem Gesamtbild zu zweifeln". Warum auch? Dass "die Autoren den Quellen sogar Gewalt an[tun], indem sie Zitate sinnentstellend aus dem Zusammenhang reißen" macht nichts: Hauptsache rechts und immer drauf auf alles, was "links" ist. Das muss zur Qualitätssicherung von SPIEGEL-Titelgeschichten neuerdings reichen.

Dass in der Agrareform unter Mao von Ende der Vierzigerjahre bis 1952 in China rund 47 Millionen Hektar Land sowie Gebäude, Geräte und Vieh der Grundherren an 300 Millionen landlose oder landarme Bauern verteilt wurden, weiß der Autor nicht oder er will es nicht wissen. Auch der historische Kontext interessiert ihn offensichtlich nicht. Statt dessen schließt er sich Juan Changs Raserei an. -
Wer sich besser informieren will, kann z.B. nachlesen bei Oskar Weggel, Geschichte Chinas im 20. Jahrhundert, Kröner, Stuttgart 1989, oder im China-Handbuch, hrsg. von Wolfgang Franke, Bertelsmann Universitätsverlag, oder im Buch von William Hinton, Fanshen, Dokumentation über die Revolution in einem chinesischen Dorf, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main...

Nachfolgend ein paar Kostproben, die man eigentlich nicht wirklich kommentieren muss, weil sie sich z.T. schon durch ihr Niveau selber disqualifizieren bzw. zeigen, wes Geistes Kind sie in Wirklichkeit sind: Kind des Furors und der Propaganda.

  • Mao ein "machtbesessener Egomane",
  • der "Junge fliegt von mehreren Schulen",
  • als Jugendlicher ist Mao "lesewütig", "berauscht sich" an der revolutioären Stimmung in China "und begeistert sich für den revolutionären Terror",
  • er beteiligt sich im Krieg an "erbitterten Ränkespielen",
  • fand "seine Erfüllung in der Zerstörung ... : Auf beinahe jeder Station seines Weges an die Macht hinterließ Mao Hekatomben (! sic) von Toten",
  • er lässt "in großem Umfang Mohn anbauen ... . Bis zu 40 Prozent der Einkünfte stammen aus dem Drogenhandel".
  • "Seinen Aufstieg finanzierte er mit Drogenhandel; Rivalen wurden schon in den dreißiger Jahren auf brutalstmögliche Weise beiseite geräumt. Später, als Diktator, opferte er beträchtliche Teile jener Massen, deren Glück zu wollen er vorgab, und zerstörte vielerorts die jahrtausendealte chinesische Kultur."
  • "Ein Netz aus vielen hundert Strafgefangenenlagern überzog das Land, in denen die Inhaftierten in Orwellscher Manier umerzogen werden sollten. Auf über 70 Millionen schätzen (!) Chang und Halliday die Zahl derjenigen, die der Tyrann erschießen, erschlagen oder verhungern ließ. Mao übertrifft damit Hitler und Stalin - die anderen großen Schlächter des 20. Jahrhunderts - bei weitem."
  • "Mao war eine Katastrophe für China und die Welt."
  • "Manche kommen [bei der Landreform] mit einer Tracht Prügel davon, andere werden in Salzwasser ertränkt, mit heißem Öl übergossen oder gesteinigt."
  • "Mao glaubt, Sex mit mehreren jungen Frauen gleichzeitig verlängere sein Leben."
  • "Mao wechselte ungern seine Garderobe und trug monatelang dieselben abgewetzten Leinenschuhe. Den größten Teil des Tages verbrachte er im Bett oder im Schwimmbad."
  • "Er lässt sich mehrere Dutzend aufwendige Residenzen bauen. Vor allem aber muss seine Entourage seine schier unerschöpfliche Lust auf Frauen befriedigen."
  • "Eine sogenannte Kulturtruppe aus jungen Mädchen vom Lande ist ihm dann zu Diensten. Bei Foxtrott, Walzer oder Tango führt er seine Partnerinnen über das Parkett. Ihre Aufgabe ist es, sich dem »Großen Vorsitzenden« in jeder Hinsicht gewogen zu zeigen - eine unangenehme Pflicht."
  • "Mao hält wenig von Körperpflege und gar nichts vom Zähneputzen."
  • "Als Anhänger taoistischer Sexualpraktiken glaubt er zudem, Sex mit mehreren jungen Frauen gleichzeitig verlängere sein Leben."
  • "Wer Getreide hortet oder zu spät zur Arbeit erscheint, wird lebendig begraben. Bis zu zehn Millionen Chinesen lässt er einsperren..."
  • "Wie einst Stalin presst er aus den Dörfern das Kapital..."
  • "Erschütternde Augenzeugenberichte liegen vor. Da wird von einem Ehepaar erzählt, das - wahnsinnig vor Hunger - seinen achtjährigen Sohn erwürgt und isst."
  • "Er spricht keine Fremdsprachen, und es fällt ihm schwer, sich in die Lage anderer Länder zu versetzen..."
  • "Maos Ehefrau Jiang Qing, ... die von vielen als ungemein bösartig beschriebene Frau ..."

Doch, solche Texte helfen ganz bestimmt, beim Spiegel-Leser (und bei der Spiegel-Leserin) "Maos Bild zumindest im Westen auf breiter Basis neu zu definieren". - Ob sie auch der Wahrheitsfindung dienen, steht auf einem anderen Blatt. Vielleicht auch in einem anderen Blatt. ;-)