Mittwoch, Dezember 21, 2016

Pfründe. Warum die CSU und Horst Seehofer die AfD nicht mögen, obwohl sie alle dasselbe sagen

Screenshot ZDF
CSU-Chef Horst Seehofer musste beim ZDF auf eine ziemlich unangenehme Frage antworten. Moderator Claus Kleber wollte wissen, wo denn eigentlich die Unterschiede zwischen CSU-Positionen und dem Programm der rechtspopulistischen AfD seien. Wenn er das gerade beschlossene CSU-Papier und das AfD-Programm neben einander lege, sehe er „faktisch keine Unterschiede mehr“, so Kleber.
Seehofer legte daraufhin nah, die AfD habe bei seiner Partei abgeschrieben.
Quelle
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Eigentlich spielt es keine Rolle, wer nun von wem abgeschrieben hat:
Die von beiden Parteien unbestrittene Tatsache ist offenbar: Texte und Programm gleichen sich. Sie sind Gesinnungs-GenosssInnen. - Und manchmal versucht Seehofer die AfD rhetorisch zu übertrumpfen.

Warum der Streit? Warum übertrumpfen müssen? Es geht um die Pfründe.
 Stellt euch vor, sagte neulich ein CSU-Abgeordneter sinngemäß - (ich stand gerade unter der Dusche und bekam daher den Namen im Interview des Deutschlandfunks nicht mit) - der ausländerfeindliche, rassistische, ultrarechte Teil unserer Wählerschaft würde statt der CSU die AfD wählen: Das würde der CSU so-und-so-viel gut bezahlte Abgeordneten-Jobs im Bayerischen Landtag und im Bundestag kosten.

Auch deshalb
soll und sollte es in Deutschland rechts von der CSU keine Partei in Deutschland geben.
Franz-Josef Strauß (1983?): „Rechts von der CSU darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben.“

Es geht um Geld und Pfründe - und nicht um die Moral.
"Erst kommt der BMW und dann die Moral" - wie Bert Brecht anno 1928 so ähnlich schon in der Dreigroschen-Oper  singen ließ.

Quelle: taz 21.12.2016
Von links nach rechts: AfD, Kreuzritter und rechts vielleicht die CSU?

Wenn ein Lastwagen durch ein Unglück in einen Weihnachtsmarkt führe ... Gedanken-Erforschung

Nein, so war es wohl nicht.
Nur eine Gedanken-Erforschung: 

Nehmen wir an: 
Jemand, nehmen wir an dein Alt-Deutscher, kapert aus Habgier einen beladenen LKW-Truck in einer polnischen Spedition in der deutschen Hauptsadt. Der polnische Fahrer wird mit einer Schusswaffe bedroht und auf dem Beifahrersitz in Schach gehalten. -

Auf dem Weg durch das Stadtzentrum sieht der polnische Fahrer eine Chance, auf sich aufmerksam zu machen. Es kommt zu einem Gerangel im Führerhaus, der Räuber wird zum Mörder, erschießt den Polen, der LKW gerät aus der Spur und rast in einen Weihnachtsmarkt, der Räuber steuert auf die Haupt-Straße zurück, aber es ist zu spät: Zwölf Tote und viele Verletzte. Er ergreift die Flucht.

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  • Welcher Gedanke würde MIR zu allererst einfallen?
  • Welcher politische Kommentar würde MIR zu allererst einfallen?
  • Welchen Kommentar würde ich von welcher politischen Partei, von welcher Politikerin oder welchem Politiker erwarten?
  • Wie könnte dieser Vorfall politisch instrumentalisiert werden und von wem? - Wer hätte sozuzagen nur darauf gewartet, mit solch einem Unglück sein Süppchen zu kochen? Profit daraus zu schlagen?
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Was zu dem Anschlag an der Gedaächtniskirche in Berlin gesagt wurde:
  • "Das ist ein schlimmer Abend für Berlin und unser Land"
  • "Wann schlägt der deutsche Rechtsstaat zurück? Wann hört diese verfluchte Heuchelei endlich auf? Es sind Merkels Tote!"
  •  „Wir müssen konstatieren: Wir sind in einem Kriegszustand, obwohl das einige Leute, die immer nur das Gute sehen, nicht sehen möchten“
  • „Wir werden, wo wir es für erforderlich halten, auch mit schwerem Gerät antreten. Das heißt Langwaffen, Kurzwaffen, Maschinenpistolen“
  • „Es ist mal wieder ein Anschlag auf unser aller Freiheit, unser Leben - und es hätte tatsächlich auch jeden treffen können“
  • „Dieses Mal wird das Brandenburger Tor in unseren eigenen Farben angestrahlt werden“
  •  „Wir werden uns mit all zur Verfügung stehenden Mitteln dafür einsetzen, dass die böse Saat, Panik, Hass und Zwietracht zwischen den gesellschaftlichen Gruppen und Religionen zu stiften, niemals aufgeht“ (Zentralrat der Muslime)
  • „Das Milieu, in dem solche Taten gedeihen können, ist in den vergangenen anderthalb Jahren fahrlässig und systematisch importiert worden“
  • "Merkel muss weg"
  • "Wir sind es den Opfern, den Betroffenen und der gesamten Bevölkerung schuldig, dass wir unsere gesamte Zuwanderungs- und Sicherheitspolitik überdenken und neu justieren" 
  • "Diejenigen, die unsere liberale und offene Gesellschaft spalten und den Rechtsstaat beschädigen wollen, werden versuchen, den Anschlag zu instrumentalisieren. Sie versuchen es jetzt schon. Islamisten und Rechtsextreme kochen dabei übrigens dieselbe Suppe. Sie versuchen, aus Angst Profit zu schlagen"
  • Man könnte auch Angst vor der Christianisierung des Morgenlandes haben

Sonntag, Dezember 11, 2016

postfaktisch. Zahlen und Fakten sind echt langweilig. Von Freiburg, Flüchtlingen, Framing und dem Stern zu Bethlehem

Jaja, Zahlen sind echt ermüdend und langweilig.

Wenn ich - zum Beispiel - sonntagmorgens gemütlich im Sessel sitzend,
mit einer Tasse Kaffee, die Zeitung aufschlage und zum xten Male lese, dass gerade 60- oder 63-Millionen Menschen auf der Welt auf der Flucht sind, dann blättere ich um und schaue nach  interessanterer Morgenlektüre.

Wenn ich dann, in der Weihnachtszeit zum Beispiel, 
- auch zum xten Male - die Geschichte höre, wie Maria und Joseph mit ihrem Jesuskind anlässlich einer Volkszählung im römischen Imperium in Palästina in einem Stall übernachten - und kurz darauf von Bethlehem in Palästina nach Ägypten fliehen mussten, weil der örtliche Machthaber Herodes, alle neugeborenen Kinder umbringen wollte - dann, also dann komme ich schon etwas mehr ins Nachdenken. -
Obwohl das ja nur 1 (ein) Ehepaar war und nur 1 (ein) Baby. - Ja gut, es war ein besonderes Baby, so wie Baby Buddha oder Baby Cäsar oder Baby Alexander der Große oder Baby Clinton oder Baby Obama vielleicht. Oder Baby Trump? Oder Baby Mohammed?. - Deshalb erzählt man noch heute davon.

Manche sagen auch: Das Jesus-Baby war besonderer als alle anderen Babies zusammen. - (Aber diese Einschätzung würde ich jetzt nicht unbedingt teilen wollen. Und sowieso: Man weiß das ja auch immer erst hinterher, dass es ein besonderes Baby war. Also falls es nicht als Baby schon einem Mord oder einer Fassbombe zum Opfer fiel.)

Und ob die Fakten gut recherchiert waren? Man hat diese Geschichte nun seit Jahrhunderten nach-recherchiert. Und einige Unstimmigkeiten gibt es schon dabei. Aber das ist hier jetzt nicht das Thema. Es geht ums Postfaktische. Und ums Framing.

Verein und Broschüre


Wenn jetzt aber 1 (einer)  von diesen unbekannten ganz normalen 60-Millionen,
also ich meine, jetzt gerade, wo ich von meinem roten Lieblingssessel mit der Tasse Kaffe aufgestanden bin und es draußen arschkalt ist und ungemütlich - und es außerdem noch ein bisschen regnet statt schön zu schneien -
wenn also jetzt so ein nordafrikanisch aussehender 17-Jähriger von was-weiß-ich-woher bei mir klingeln würde und sagen, er sei ein in Syrien ausgebombter unbegleiteter Flüchtling und  wisse nicht ... -
Na. Dann ist die Sache mit den 60-Millionen plötzlich gar nicht mehr ermüdend langweilig. - Rein theoretisch hätte ja auch jeder von den 1 Millionen, die 2015 nach Deutschland kamen, sich einfach 1 Haustürklingel aussuchen und dann dort klingeln können. Vielleicht alle auf einmal, alle zur gleichen Zeit, an der einen Haustürklingel, die er - oder sie - sich ausgesucht hat. -
Das wäre dann ziemlich faktisch. Also, dann ist mir vielleicht doch lieber, die bleiben alle in Griechenland, oder besser noch in Syrien und lassen mich in Ruhe meine Zeitung lesen? Auch wenn meine Zeitung manchmal langweilige Sachen schreibt, die mich nichts angehen; dann kan ich ja umblättern.

Man nennt es wohl neudeutsch "Framing", 
wenn man die Zahlen und Fakten - auch die kleinen - in eine Geschichte einbettet, in eine Erzählung, so wie die mit Maria und Josef und dem Jesuskind, dem Stern zu Bethlehem, den Heiligen Drei Königen und so.  - Auch wenn diese Geschichte vielleicht postfaktisch ist. Legende. Mythos. Sie wirkt mehr als Zahlen und wenn sie - die Zahlen - noch so groß wären. Je größer sie sind, um so weniger kann ich sie mir sowieso vorstellen.

Und wie nennt man das,
wenn einer an der Tür klingelt? Naja, kommt ja zum Glück nicht vor.Vielleicht sollte ich morgen einen Aufkleber kaufen und an die Tür kleben: "Betteln und Hausieren" verboten. Aber ob es die auch in mehrsprachig gibt? Also zumindest in Englisch sollte es auch noch sein. Ich denke: arabisch und persisch wäre vielleicht auch nicht schlecht? Oder was spricht man da so? 

Ach ja,
als dieses im Nahen Osten gerettete Jesuskind, das ich oben erwähnte, älter wurde und so an die 30 Jahre als war ungefähr, da hat er selber auch Reframing gemacht. Also er hat eine Geschichte erzählt  - statt Zahlen und Fakten vorzutragen - die am Ende aller Tage spielt. In dieser Geschichte kommt, also am Ende aller Tage, am Jüngsten Tag, "der Menschensohn in seiner Herrlichkeit und alle Engel mit ihm, dann wird er sich auf den Thron seiner Herrlichkeit setzen. Und alle Völker werden vor ihm zusammengerufen werden und er wird sie voneinander trennen, wie der Hirt die Schafe von den Böcken scheidet."
Michael Wohlgemuth, um 1500 n.Chr.

Also ich will das jetzt nicht alles nacherzählen, Sie können es ja selber nachlesen. - Auf jeden Fall müssen eine ganze Menge Menschen, die "Böcke", am Schluss in die Hölle: "Weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das für den Teufel und seine Engel bestimmt ist!" (sagt "der Menschensohn" zu ihnen). Die wundern sich zwar darüber, dass sie verflucht sind und viele andere nicht. Aber die, die nicht in die Hölle müssen, wissen erst auch nicht genau, warum das jetzt so ist. Der "Menschensohn" in der Geschichte erklärt es ihnen dann, aber erst ziemlich am Schluss:
"Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan. Und Amen, ich sage euch: Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan. Und viele werden weggehen und die ewige Strafe erhalten, die Gerechten aber das ewige Leben."

Nun Gut, ist ja nur eine Geschichte.
Keine Fakten, keine Zahlen. Postfaktisch halt, "Post-Truth" vielleicht auch noch.
Wer "der Menschensohn" nun sein soll, weiß man postfaktisch auch nicht so genau. Manche meinen, das erwachsene Jesuskind habe sich selber damit gemeint. Andere sagen: Nein, nein, er meinte Gott wird sich al Richter auf den Thron setzen. Wieder andere sagen: Das ist doch ungefähr dasselbe, Jesus war doch Gottes Sohn. - Nun ja: JedeR kann ja glauben was er/sie will. Denn:Noch leben wir ja in einer liberalen und pluralen Demokratie. Freedom und Democracy haben wir ja schließlich hier in Deutschland. (Deshalb müssen wir ja auch aktuell nicht fliehen und können zuhause im Sessel sitzen und lesen.)

Was ich aber trotzdem ganz tröstlich finde an diesem Framing:
Der Menschensohn sagt: "Was ihr für EINEN" ... getan habt. Der Satz des Jesuskindes ist zwar politisch nicht korrekt, denn es/er hätte sagen sollen: "Was ihr für einen oder eine getan habt ...". - Aber bemerkenswert er ist: EIN Einziger? Das würde man ja eventuell im Notfall noch irgenwie irgendwas hinkriegen. 1 statt 60.000.000. - Im Notfall!

Broschüre als pdf
Oder auch:
Quelle