Montag, Mai 18, 2020

Nicht nur Spinner, Paranoiker, Hysteriker und Dummköpfe. Corona-Demos

Ohne das Wort "Arsch" und sonstige Fäkalien-Sprache geht es bei einigen Leuten offenbar nicht mehr. Auf beiden gegnerischen Seiten. Bei den sogenannten "linken" Medien nicht und auch nicht bei den sog. "rechten":

Kann man? --- Quelle
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A) 
"Am Arsch lecken"
Ken Jebsen, (ist der nun links oder rechts? Oder rinks oder lechts? Auf jeden Fall ein Verkünder von Verschwörungs-Mythen...). - Ken Jebsen also möchte, dass man nun jeden Abend um 20 Uhr, wenn die ARD-Tagesschau beginnt, auf den Balkon tritt und laut in die Welt hinaus ruft: "Ihr könnt mich am Arsch lecken!" (Wer genau soll ihm eigentlich den Arsch lecken, also: Wer ist "Ihr"?) 


„Ich lass mir das nicht länger gefallen!“ – Meditation als Agitation
Ab sofort treffen wir uns täglich um 20:00 Uhr, pünktlich zur Tagesschau, auf dem Balkon oder am offenen Fenster und rufen gemeinsam:
„Ihr könnt mich alle am Arsch lecken!“
„Ich lass‘ mir das nicht länger gefallen!“
„Mein Körper gehört mir!“
Macht Krach! Schaltet auch gern die Pipi-Langstrumpf-Musik an und leistet friedlich und meditierend Widerstand!
[Quelle: Kenfm 17. Mai 2020]


Quelle. (Ca. 45 Minuten)
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B)
"Lasst euch nicht verarschen"
Die "linke" KONTEXT:Wochenzeitung  meint zu Ken&Co: (Ausgabe 476):

Lasst euch nicht verarschen
Von unserer Redaktion. Datum: 13.05.2020 
Stuttgart ist wieder mal die Hauptstadt des Protests. Nirgendwo in Deutschland kamen bisher mehr Menschen zusammen, um während der Pandemie zu demonstrieren. Für die Freiheit und Demokratie, die sie meinen. 10.000 sollen es gewesen sein, darunter viele, die wegen Ken Jebsen herbeigeeilt sein dürften. Der Kopf hinter dem Portal "KenFM", hunderttausendfach frequentiert, ist ein neuer Messias einer neuen Bewegung, die zu schreien beginnt, wenn nur der Name Merkel fällt. Zum Beispiel, wenn Jebsen sagt, das "Merkel-Regime" lege große Teile der Grundrechte "willkürlich und dauerhaft auf Eis".
Der Mann wettert gegen die deutsche Beteiligung an Drohnenkriegen, gegen Bankenrettungen, bei denen unser hart verdientes Geld an "skrupellose Zocker durchgereicht" wurde, gegen den Kotau der Regierung vor der Nato bei den Rüstungsausgaben. Alles wichtige Themen. Doch beim Kampf gegen das Große arbeitet Jebsen auch mal mit fehlerhaften Zahlen oder fragwürdigen Darstellungen, die er wohl als kleine Unschärfe betrachten würde. [..] Da darf man auch bei der Gefolgschaft nicht wählerisch sein. Und sich nicht daran stören, wenn im Publikum auch Faschisten stehen und mehrere Redner aus dem AfD-Umfeld stammen.[...] Der frühere RBB-Moderator redet hinter der Bühne unter einer Decke. Er werde bedroht, lässt er später verlauten. Von was und wem, fragt man sich? Antifa oder Militärischer Abschirmdienst? Gut inszeniert ist es allemal. Als Marketing in eigener Sache, weil es die Angst so trefflich schürt, die Jebsen seinen ZuhörerInnen seit vielen Jahren einimpft.[...]

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Eine "Querfront sozusagen. 
Eine Querfront in der Sprache und gegenseitigen Respektlosigkeit. Es wird gepöbelt, gerüpelt, beleidigt, nicht zugehört, gegiftet...

Als Querfront im weiteren Sinn bezeichnet man die Zusammenarbeit oder Vermischung linker und rechter Positionen, um die Zustimmung zu anti-emanzipatorischen Positionen zu vergrößern und Lager-übergreifende Aktionsbündnisse „quer“ zu bestehenden links- und rechtsgerichteten politischen Standpunkten herzustellen. Dies versuchten Teile des deutschen Neonazismus wie auch linksgerichtete Gruppen und Parteien mit nationalistischen Tendenzen" [... Wikipedia a.a.O.]
Okay, es sind Minderheiten an den beiden Enden der Kurve der Gaußschen Normal-Verteilung. Die berühmten 80% (?) machen da nicht mit. Aber sie sind laut. Und die kommerzialisierte Presse freut sich, wenn es irgendwo laut ist, das bringt Auflage, Schlagzeilen, ... .

Eine "Normal"-Verteilung kann sich verschieben.
Wenn die Verhältnisse nicht "normal" sind. - Wohin?
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Am Samstag, 16. Mai 2020, demonstrierten in Stuttgart-Bad Cannstatt auf "dem Cannstatter Wasen" erneut Tausende (nicht nur) gegen Corona-Beschränkungen:

C)
"Vereint in der Wut auf die Obrigkeit"
  • und in der Ablehnung der Corona-Einschränkungen.
  • Viele Deutschlandflaggen, aber auch Friedensflaggen sind in der Menge zu sehen.
  • Vereinzelt sind Rufe wie „Volksverdummung“ und
  • „Lügenpresse“ aus der Menge zu hören.
  • „Corona ist Fake“ steht auf einem Plakat,
  • „Gib Gates keine Chance“ auf zahlreichen weiteren.
  • Viele tragen Plakate mit Grundgesetz-Artikeln vor sich her,
  • einer protestiert mit seinem Shirt gegen den „Rundfunkzwangsbeitrag“. [...]
  • Nur vereinzelt tragen Teilnehmer Mund-Nasen-Schutz, der ist aber auf dem Gelände auch nicht vorgeschrieben.
  • Maskenpflicht sei moderne Sklaverei, ist auf einem Pappschild zu lesen.
[Quelle


Am gleichen Tag berichtet die Deutsche Presseagentur (dpa) - aus der Tübinger "Insel der Seligen": Der Tübinger Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen warnt 
davor, die Protestierenden in der Corona-Krise pauschal auszugrenzen, sie als „Spinner“, „Paranoiker“ und „Hysteriker“ abzutun. Dies trage nur zur Verhärtung der Fronten bei. - Selbstverständlich gebe es Antisemiten und Rechtsradikale, von denen man sich klar abgrenzen müsse. Hier dürfe es keine falsche Toleranz geben. Aber die Vielschichtigkeit der Proteste enthalte eigentlich einen „Aufruf zum differenzierten Diskurs“. Man müsse die Extremisten scharf kritisieren, dürfe die Zweifelnden, Suchenden und Andersdenkenden jedoch nicht diffamieren. -
Pörksen verwendet in diesem Zusammenhang den Begriff der „respektvollen Konfrontation“. Damit meine er: „Sich nicht opportunistisch wegducken, klare Kante zeigen, sagen, was zu sagen ist. Aber eben auch nicht in die Abwertungsspirale einsteigen.“

Ja, okay, die respektvolle Konfrontation wird in Tübingen gepflegt, auch in der Tübinger Presse, und es wäre schön, es wäre überall so und würde noch lange so bleiben. -
Doch auf dem Cannstatter Wasen, selbst im Landtag von Thüringen und Stuttgart, sieht das manchmal schon anders aus. "Erst kommt das Fressen - dann die Moral". Das Blatt kann sich auch wenden, Menschen können zu Hyänen werden, auch gepflegte BildungbürgerInnen und ProfessorInnen; aus Sozialisten können Faschisten werden (vgl. Mussolini), der von ganz links ("Revolutionärer Sozialist") nach ganz rechts marschierte (im wahrsten Sinne des Wortes). ---
  • Kann passieren, muss aber nicht.
Geschichte wiederholt sich nicht automatisch und nicht in derselben Weise. Sagt man.  Doch wer aus der Geschichte nicht lernt, kann gezwungen sein, sie doch auf irgend eine Weise zu wiederholen. Sagt "man".
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Die ("linke") Online-KONTEXT:Wochenzeitung-Redaktion macht es sich hier zu einfach. Statt sich inhaltlich mit den Menschen auf dem Wasen und deren Ansichten zu beschäftigen ( es sind ja nicht nur Spinner, Hysteriker, Psychopathen, Neonazis und Dumpfbacken auf dem Platz - (gibt es dazu eigentlich schon empirische Untersuchungen über die Verteilung?)

Kontext:
"Wenn im Publikum auch Faschisten stehen und mehrere Redner aus dem AfD-Umfeld stammen [...]
"
  • Ja, was ist denn dann? Das ist doch kein Argument!?
Kontext:
Wenn Jebsen sagt, das "Merkel-Regime" lege große Teile der Grundrechte "willkürlich und dauerhaft auf Eis". Der Mann wettert gegen die deutsche Beteiligung an Drohnenkriegen, gegen Bankenrettungen, bei denen unser hart verdientes Geld an "skrupellose Zocker durchgereicht" wurde, gegen den Kotau der Regierung vor der Nato bei den Rüstungsausgaben. Alles wichtige Themen. Doch [...]


Das Wörtchen "Doch" hebt die Sätze auf, die die Redaktion vorher geschrieben hat. Und genau das ist das Problem:
Was Jebsen aufgreift, legt die Finger in Wunden. Diese Themen und Wunden sind wichtig - und nicht, dass auch(!) Faschisten, Spinner usw. auf dem Platz stehen. Die Tausende, die sich dort versammelt haben, sind nur das Symptom dafür, dass in der Tat manche Dinge faul sind - nicht nur im sprichwörtlichen Staate Dänemark - sondern auch in unserem eigenen; und wenn sie anderswo auch fauler sind oder wären, so ist das eine Ausrede und keine Ent-Schuldigung):
Die genannte deutsche Beteiligung am Drohnenkrieg (die zunehmende Wieder-Militarisierung) / die Bankenkrise und die Bankenrettung/ die NATO-Mitgliedschaft/ die Einschränkung der Freiheitsrechte, (widerrechtlich ohne Beteiligung der Parlamente), Impfplichten und Geschäfte mit der Gesundheit ... - das alles sind sehr diskutierbare und bewegende Themen. (Dazu kommen die Themen, die gerade unter den Tisch fallen, wie prekäre Beschäftigungen, Erderwärmung, Europa etc.)

Wenn eine Regierung, ein Parlament, auf diese Fragen gute Antworten findet, dann werden Hass und Häme und Respektlosigkeit keine Nahrung mehr finden.
Also, liebe liberalen und linken Medien und Politiker*innen und Intellektuelle. Statt im Empör-Modus zu bleiben, statt sich in der Sprache in die gleichen Niederungen zu begeben: Findet auf die existenziellen Fragen der Gesellschaft, der Demokratie, des Globus ... bitte Antworten. Dafür werdet ihr bezahlt mit Steuergeldern, mit Abo-Geldern, mit Rundfunkgebühren, mit Abgeordneten-Diäten ...

Wo ist die Vision von einer funktionierenden und demokratischen und sozialen und gerechten Gesellschaft, die die Massen ergreift statt sie aufeinander zu hetzen? - "...allein auch die Theorie wird zur materiellen Gewalt, sobald sie die Massen ergreift." - Es fragt sich nur, welche Theorie die Massen ergreift, ergreifen wird.
  • Ein Volk ohne positive Vision geht zugrunde.
Siehe auch:
p.s.:
Vielleicht steht hier ja was... (7,50€):