Donnerstag, Februar 28, 2013

Papst Benedikt, Slavoj Žižek und "Zero Dark Thirty"


  • Heute ist der letzte Arbeitstag des 85-jährigen Papst Benedikt XVI.
  • In den Kinos läuft derzeit der Hollywood-Film "Zero Dark Thirty",
    (30 Minuten nach Mitternacht), ein Film aus dem Jahr 2012, der die Suche der Vereinigten Staaten nach Osama bin Laden und seine anschließende Tötung zeigt.
  • Gestern, In der Nacht zum 27.2.2013, starb im Alter von 95 Jahren der Autor der Streitschrift "Empört euch!", Stéphane Hessel, Er war einer der 12 Personen, die am Text für die allgemeine Erklärung der Menschenrechte mitgearbeitet hat, die die Vereinten Nationen 1948 verabschiedeten. Später wurde Hessel UN-Botschafter in Genf. Mit der im Oktober 2010 veröffentlichten Streitschrift "Empört Euch!" hatte Hessel im hohen Alter noch einen Sensationserfolg gefeiert.

Gibt es Zusammenhänge? Ja.

___________________________________

Interview mit Slavoj Žižek in kulturzeit

In einem Interview vertritt der Philosoph und Psychoanalytiker Žižek zu dem o.g. Hollywood Film und zur TV-Serie "Homeland" die Ansicht,  dass Filme über den Terrorismus ein immer größer werdendes moralisches Vakuum wider spiegeln, das für uns zur Normalität geworden sei und das der US-Regierung in ihrem lautlosen Kampf gegen den Terror in die Hände spiele. "Hollywood's gift to American power" - so nennt er den Film "Zero Dark Thirty".
Der Film erzählt die Geschichte der Jagd auf Osama bin Laden, und: Erst Folter hat zum Versteck des Terrorfürsten geführt - das sei die Botschaft des Films.
Žižek: 
"Der Film legitimiert Folter als Teil der öffentlichen Debatte. -

Und auch wenn ich einige Leute damit schockiere, die mich für einen postmodernen Verrückten halten, der Paradoxien liebt, bin ich in dieser Frage klassischer Moralist. ...

Damit meine ich das, was Hegel als sittliche Substanz bezeichnet hat. ... Eine positive Form des Dogmatismus. -

Eines der wenigen guten Dinge in unserer Gesellschaft ist, dass wir
[zum Beispiel] einfach nicht über Vergewaltigung diskutieren. Wir haben die Überzeugung: Vergewaltigung, nein danke. Und wenn jemand mit chauvinistischem Bullshit wie: 'Sie will es doch auch' kommt, dann steht er sofort als Idiot da. Ich will, dass das auch für Folter gilt."


Die Logik
[des Films] ist folgendermaßen:
Wir zeigen dir die traumatische Wahrheit und wenn dir klar ist, was Folter bedeutet, kannst du auch für Folter sein, ohne dass dir gleich vorgeworfen wird, abgestumpft zu sein. -
So funktioniert Ideologie: Augenscheinlich erzählst du eine progressive Geschichte, doch die implizite Textur zeugt vom kompletten Gegenteil." -
Nicht nur im Film, auch in der Sprache habe sich etwas verändert. Foltermethoden werden als enhanced interrogation techniques bezeichnet - "erweiterte Verhörmethoden". So maskieren neue Begriffe durch Neu-Sprech/ New-Speak brutale Gewalt. Auch das erhöhe die öffentliche Akzeptanz von Folter.   

Žižek sieht sich als klassischer Moralist, als Vertreter eines positiven Dogmatismus, der bestimmte Dinge (wie Folter oder Vergewaltigung) tabuisiert haben möchte, da gibt es nichts zu diskutieren und zu relativieren. - 
  • In diesem Punkt kann er dem ehemaligen Papst Benedikt die Hand reichen: Moral, Dogmatismus, universell gültige Werte, an denen nicht gerüttelt werden darf. Kein Relativismus der guten Werte!
  • In der Analyse der Ursachen der Un-Moral gibt es allerdings einen großen Unterschied zwischen den beiden Denkern Benedikt/Ratzinger einerseits und Slavoj Žižek andererseits:
Für Žižek driften (die guten) Demokratische Werte und der Kapitalismus immer weiter auseinander, eine Zeiten-Wende, die er in seinem Buch "Das Jahr der gefährlichen Träume" aufzeigt. 

 "Der heutige Kapitalismus kann sich nicht mehr alte bürgerliche Freiheiten wie menschliche Würde und universelle Menschenrechte leisten".
Zeitenwende und sittlicher Verfall, daran sind sich Ratzinger und Žižek einig. Bei Žižekist ist der heutige Kapitalismus die Ursache des Verfalls, - die demokratischen Werte stehen für das Gute. 
Bei Benedikt dagegen ist der Relativismus der Demokratie Ursache für den Verfall der Werte.

 ___________________________________


Als Papst Benedikt noch Joseph Kardinal Ratzinger war und Präfekt der römischen Glaubenskongregation, hat er ein Buch geschrieben mit dem Titel:

 

In diesem Buch und andernorts beklagte der nun emeritierte Papst  den Relativismus,  „der nichts als endgültig anerkennt und als letztes Maß nur das eigene Ich und seine Gelüste gelten lässt.“ Benedikt sprach schon vor dem zweiten Vatikanischen Konzil, 1986, von Zeitenwende: Im Auftrag des damaligen Papstes verfasste er mit zwölf anderen Kardinälen eine "Einleitung zur Dogmatischen Konstitution über die Göttliche Offenbarung" und spricht darin von der „Dunkelheit dieses Jahrhunderts“, in dem sich die göttliche Sonne verdunkelt zu haben scheint und von Gottvergessenheit, die das dunkle Geheimnis dieses unseres Jahrhunderts bildet...

Benedikt spricht von der "Diktatur des Relativismus", die nichts als endgültig anerkennt und als letztes Maß nur das eigene Ich und seine Gelüste gelten lässt. Demokratie, Pluralismus und liberaler Rechtsstaat sind für ihn Ursache des Werteverfalls, Zeichen von Gott-Vergessenheit. Benedikt reduziert Demokratie auf ein Handeln nach wechselnden Mehrheit-Prinzipien und wechselnden Mehrheits-Verhältnissen statt nach ewig gültigen göttlichen Gesetzen zu handeln. Und das ewig gültige Gesetz besagt für ihn z.B.: Keine "Pille danach" für Frauen nach Vergewaltigungen, keine Empfängnis-Verhütung, keine "Homo-Ehe", außerhalb der römisch-katholischen Kirche kann es kein Seelenheil geben.

Papst Benedikt in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag

"In einem Großteil der rechtlich zu regelnden Materien kann die Mehrheit ein genügendes Kriterium sein. Aber dass in den Grundfragen des Rechts, in denen es um die Würde des Menschen und der Menschheit geht, das Mehrheitsprinzip nicht ausreicht, ist offenkundig: Jeder Verantwortliche muss sich bei der Rechtsbildung die Kriterien seiner Orientierung suchen. Im 3. Jahrhundert hat der große Theologe Origenes den Widerstand der Christen gegen bestimmte geltende Rechtsordnungen so begründet: „Wenn jemand sich bei den Skythen befände, die gottlose Gesetze haben, und gezwungen wäre, bei ihnen zu leben …, dann würde er wohl sehr vernünftig handeln, wenn er im Namen des Gesetzes der Wahrheit, das bei den Skythen ja Gesetzwidrigkeit ist, zusammen mit Gleichgesinnten auch entgegen der bei jenen bestehenden Ordnung Vereinigungen bilden würde …“

Relativismus der Werte erschien und erscheint dem emeritierten Papst als die philosophische Grundlage der Demokratie. Benedikt reduziert die Moderne auf die Diktatur des Relativismus, „die nichts als endgültig anerkennt und als letztes Maß nur das eigene Ich und seine Gelüste gelten lässt.“ 

Manche deuten diese Haltung des Papstes so: Wenn man davon ausgeht, dass Joseph Ratzinger selber homosexuell ist, wie es z.B. der katholische Theologe und Bestsellerautor David Berger, (der selber viele Jahre Professor im Vatikan und Zensor der Glaubenskongregation war), in seinem Buch "Der Heilige Schein" und im ZDF-Interview tat, dann ist es nur konsequent, wenn Joseph Ratzinger als Priester und Papst fremde ebenso wie eigene Homosexualität verurteilt und verdammt statt - mit seinen eigenen Worten - nur das eigene Ich und seine Gelüste geltenzu lassen, denn Homosexualität ist nach seiner Auslegung der Heiligen Schrift wider die göttliche Natur...

Was Benedikt immer völlig übersehen und übergangen hat (so sieht es auch Helmut Hoping, Professor für Dogmatik an der Universität Freiburg im Breisgau, sich dabei auf den Philosophen Hans Jonas stützend ) ist, 
dass die philosophische Grundlage der Demokratie und des liberalen Rechtsstaats 

  • das Ethos der Menschenwürde 
  • und die Anerkennung der Menschenrechte ist, 
- Prinzipien, die die Moderne hervorgebracht hat, die universalisierbar seien, nicht zur Disposition stehen, unbedingt zu respektieren und nicht zu diskutieren sind, die nicht relativierbar seien.

  • Die Würde und die Grundrechte des Menschen sind es, an denen das Relativieren relativiert werden kann.
___________________________________ 
 

Screenshot Stéphane Hessel


Hessel spricht vom Paradigmenwechsel, nicht von Zeitenwechsel:

 "Ich denke, gerade in Europa müssen die Werte, die wir damals im Widerstand oder damals in der Allgemeinen Erklärung für Menschenrechte, die wir gekannt haben, müssen erneut begründet werden. Sie sind ja da, wir kennen sie. Aber sie sind manchmal abgebogen von unseren Regierungen. Aus dem Grund, dass gerade unsere Regierungen von den Finanzmächten  überstülpt sind. Da können wir daran arbeiten, diese Grundwerte wieder unseren Regierungen aufzugeben."

Originaltitel Indignez-vous! Wurde im Oktober 2010 veröffentlicht; bis Februar 2011 wurden mehr als eine Million Exemplare verkauft. Es wurde in 25 Sprachen übersetzt.
_______________________________



Montag, Februar 25, 2013

"Klassenkampf" sagt man nicht. Warren Buffet.


Im englischsprachigen Raum ist der Ausdruck class struggle (Klassenkampf) als marxistisch verpönt; stattdessen wird das sachlicher bzw. harmloser klingende class conflict bevorzugt, jedoch neuerdings in den USA auch class warfare. So wurde dieser Begriff schon 2006 von Warren Buffett zur Beschreibung der Realität verwendet:

„Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen". ("There's class warfare, all right, but it's my class, the rich class, that's making war, and we're winning." -
im Interview mit Ben Stein, New York Times, November 26,  2006).

Warren E
dward Buffett , Jahrgang 1930, gilt mit einem geschätzten Privatvermögen von 60 Milliarden Dollar als der dritt-reichste Mensch der Welt, hinter Carlos Slim Helú und Bill Gates.
 
 ___________________________________

Gibt es eigentlich noch Klassenkampf? -
Und falls ja: Wo und wie wirkt er sich aus?

Siehe dazu:
Und:
 ___________________________


Freitag, Februar 22, 2013

Seelsorge der christlichen Gemeinden an Soldatinnen und Soldaten

Bund der Religiösen Sozialistinnen und Sozialisten Deutschlands .V.
 gegründet 1919/1926, 


Mitglied der International League of Religious Socialists, der Initiative Kirche von unten, des Attac-Netzwerks, des Ökumenisches Netzes Deutschland, von Oikocedit und Kairos Europa

Der Bundessprecher
Der Schriftleiter
Dr. Reinhard Gaede                                                                                      
                                                                                                                          

Presseerklärung vom 16. Februar 2013


Seelsorge der christlichen Gemeinden
an Soldatinnen und Soldaten

Der BRSD begrüßt die Forderung des Versöhnungsbundes nach Abschaffung der Militärseelsorge. Die Seelsorge an Soldat(inn)en soll stattdessen eine Aufgabe der christlichen Gemeinden werden. Die christlichen Gemeinden möchten wir ermutigen, sogar jetzt schon Verantwortung für Soldatinnen und Soldaten zu übernehmen und sie zu beraten.
So soll die Unabhängigkeit der Seelsorge bewahrt werden. Die Abhängigkeit der Seelsorger vom Staat und militärischen Strukturen soll vermieden werden. Die Glaubwürdigkeit des christlichen Friedensdienstes und der der biblischen Mahnung zum Frieden soll gestärkt werden.


Begründung

Das Evangelische Kirchenamt für die Bundeswehr und das Katholische Militärbischofsamt (KMBA) sind Behörden, die dem Verteidigungsministerium unterstehen. Die Militärseelsorge wird durch den Staat finanziert.
Die Pfarrer(innen) sind ihrem Bekenntnis zwar verpflichtet, sind gleichzeitig aber von ihrer Kirche für diesen Dienst frei gestellt und als Bundesbeamtinnen und -Beamte auf Zeit vom Staat besoldet.
Ihr Gehalt liegt über dem der Gemeindepfarrer(innen). Sie legen einen Beamt(inn)en Eid ab, werden vom militärischen Abschirmdienst überprüft, sollen militärische Informationen geheim halten. Sie tragen im Ausland und auf Kriegsschiffen im Inland militärische Kleidung, nur auf Schulterklappen statt Rangabzeichen das Symbol der Militärseelsorge. Der Militärpfarrer wird von den Soldaten entsprechend seiner Bezahlung meist wie ein Oberstleutnant wahrgenommen und auch so behandelt. Sie haben also einen Doppelstatus als Staatsbeamte und kirchliche Amtsträger.

Die Abhängigkeit vom Staat und die Einbindung in militärische Strukturen behindern den christlichen Friedensdienst und die Verkündigung der Botschaft Jesu, der Überwindung der Gewalt durch die Kraft der Güte als Antwort auf Gottes Güte vorgelebt und Gewaltfreiheit als überraschende Möglichkeit gepredigt hat.
__________________________________

 
ALTERNATIVEN CHRISTLICHER SEELSORGE AN SOLDATiNNEN
 
(1) Der Seelsorgevertrag zwischen Kirchen und Staat und entsprechende Vereinbarungen der Kirchen mit militärischen Dienststellen müssen gekündigt werden. Er widerspricht dem Grundsatz der Neutralität des Staates gegenüber der Religion ebenso wie dem Grundrecht der freien Ausübung der Religion. Durch die Verbindung mit dem Staat ist die Kirche in der selbständigen Verwaltung ihrer Angelegenheiten beeinträchtigt. Im Gegensatz zur Verfassung wirkt der Staat an der Verleihung kirchlicher Ämter mit. Da die Kirche ihre Botschaft glaubwürdig darstellen soll, ist sie auch verpflichtet, ihre rechtliche Autonomie zu wahren.
(2) Die Kirche soll den Soldat(inn)en Möglichkeiten zur Seelsorge und zum Gespräch anbieten. Dafür müssen Räume bereitgestellt werden, die der Kirche gehören. Beratung muss im Auftrag der Kirche und bezahlt von der Kirche möglich sein. Die bisherige Seelsorge an Kriegsdienstverweigerern kann Soldat(inn)en beraten, die in Konflikt mit dem Militär geraten sind, in ihrem Gewissen beunruhigt sind oder Verweigerung ihres Dienstes erwägen. Beratung kann in Kontakt-Cafés und -Teestuben angeboten werden, ebenso per Telefon und e-mails.
Wir weisen hin auf die Ökumenische Initiative zur Abschaffung der Militärseelsorge.
Arbeitsgruppen müssen bundesweit beraten, wie eine unabhängige christliche Seelsorge für Soldat(inn)en aufgebaut werden kann.

Es geht immer um den Pazifismus des nächsten Schrittes. »Die Ächtung des Krieges ist im Grunde durch den Briand-Kellogg-Pakt von 1928 bereits völkerrechtlich festgehalten. Heute geht es um die Abschaffung des Krieges und das heißt um die Abschaffung des Militärs und des militärisch-industriellen Komplexes. Wenn ›Weltinnenpolitik‹ ( C. F. Von Weizsäcker) die angemessene Antwort auf die globale Situation ist, dann wird klar, dass die immer noch benutzte Clausewitz'sche Formel von dem Krieg als der Fortsetzung der (Außen)Politik mit anderen Mitteln antiquiert und kontraproduktiv ist. Darum müssen sich die Kirchen zu Anwälten einer gewaltfreien und zivilgesellschaftlichen Konzeption der Schutzverantwortung machen.« (Memorandum den Krieg abschaffen, Andreas Gemeinde, Bremen). Internationale Friedenspolitik muss darauf hinwirken, dass Soldaten der Nationalstaaten ersetzt werden durch Blauhelm-Truppen im Dienste der UNO in polizeilicher Funktion zur Sicherung des Friedens zwischen verfeindeten Gruppen, wobei diese mit dem Dienst der Friedensstifter einverstanden sein müssen, damit sie nicht wie in Afghanistan in einen Krieg hineingezogen werden. Hilfsorganisationen können auf Dauer nicht in militärischer Begleitung glaubwürdig wirken.
»Die Milliarden, die in Deutschland für das Militär ausgegeben werden, und die Millionen, die für die Militärseelsorge ausgegeben werden, sollen für Maßnahmen der frühzeitigen Konflikterkennung (Friedensforschungsinstitute) und der zivilen Konfliktbearbeitung (internationale Streitschlichtung) ausgegeben werden.« (Versöhnungsbund)

Seelsorge für Soldat(inn)en im Ausland ist unverzichtbar, muss aber unabhängig und ergebnisoffen sein, d.h. schon der Anschein der Vermengung militärischer und seelsorgerlicher Interessen muss vermieden werden. Diese ist mit staatlicher, in militärische Strukturen eingebundener Seelsorge unvereinbar.
 __________________________________

Siehe auch:
  
und
 
 

Dienstag, Februar 12, 2013

Selbstanzündungen von zumeist tibetischen Mönchen und Nonnen


"Offiziellen chinesischen Angaben zufolge haben Sicherheitskräfte in den Provinzen Qinghai, Gansu, Sichuan und Tibet (8. Februar 2013) am frühen Freitagmorgen insgesamt 70 Tibeter festgenommen. Sicherheitskräfte seien am frühen Morgen in die Behausungen gestürmt und hätten die überraschten Mönche teils gewaltsam abgeführt.

Den Festgenommenen wird vorgeworfen, dass sie protestierende Aktivisten unterstützt und ermutigt hätten, sich selbst anzuzünden....

Seit nunmehr zwei Jahren reißt die Welle von Selbstanzündungen von zumeist tibetischen Mönchen und Nonnen nicht ab. Nahezu 100 Personen haben sich seit 2009 in Brand gesetzt. Damit protestieren sie gegen Chinas Führung,w die Tibet seit 1951 besetzt hält. Unter anderem fordern sie mehr politische, religiöse und kulturelle Freiheit sowie die Rückkehr ihres geistigen Oberhaupts, des Dalai Lama, der seit 1959 im indischen Exil lebt."





Gottheit des tibetischen Buddhismus

 ________________________________

Im 2. Jahrhundert n.Chr., 

als in China die Han-Dynastie, die das chinesische Kaiserreich von 206 v.Chr. bis 220 n.Chr. regiert hatte, langsam die Kontrolle über ihr Volk verlor, lebten im Westen von China  - in der Gegend des heutigen Qinghai, Tibet, Ganzu und Sichuan - eine Vielzahl verschiedener Stämme von Hirtennomaden, die man unter dem Sammelnamen "Qiang" führte und die vielleicht die Vorfahren der Tibeter waren. 

Schon die Han-Kaiser betrachteten diese Nomadenvölker als "Unterworfene, die ihr Haar offen trugen und ihre Kleider links knöpften. Ihre Sitten unterscheiden sich, sprachlich können sie sich nicht verständigen, und oft werden sie von niedrigen Beamten und Betrügern ausgebeutet. Wenn ihr Hass so weit ist, dass sie es nicht mehr ertragen können, kommt es zu Rebellionen. Alle Aufstände und Unruhen der Barbaren geschehen aus diesem Grund."


________________________________


500 Jahre später, im 7. Jahrhundert,


Das Reich der Tang: dunkelgrau. Zeitweise unter Kontrolle der Tang: hellgrau.

regierte im Chinesischen Kaiserreich die Tang-Dynastie (608 - 907 n.Chr.), und Anfang des 7. Jahrhunderts entstand auch das Königreich Tibet.
 

Die tibetischen Erobererkönige der Yarlung-Dynastie 

(6. Jh. bis 9. Jh. n. Chr.) wurden wegen ihrer gnadenlosen Grausamkeit in ganz Innerasien gefürchtet. Mit dem Königreich Tibet war den Tang-Kaisern im Westen ihres Reiches ein mächtiger Gegner entstanden: Unter ihrem ersten "religiösen König" Songtsen Gampo (605-649), der verschiedene Stämme vereinigt hatte, wurde Tibet erstmals zur Großmacht

König Songtsen Gampos Reich erstreckte sich vom Himalaya bis zum Kunlun-Gebirge am Nordrand der tibetischen Hochebene und von Kaschmir bis nach Sichuan an die Grenze des Tang-Reiches. 

Songtse Gampo war die Nr. 33 
in der traditionellen Liste der 42 tibetischen Könige, in der die ersten 26 als Mythos und nicht historisch bezeugt gelten. Im Jahr 635 zwang der tibetische König Songtsen Gampo den schwachen chinesischen Kaiser Taizong, ihm - um des lieben Friedens Willen - eine chinesische Prinzessin zur Frau zu geben: Der Beginn jahrhundertelanger Rivalitäten.

Nach dem Tod Songtsens begannen die Tibeter zwischen 660 und 670 die chinesischen Tang Gebiete im Westen anzugreifen, Tibet galt zu der Zeit als aggressives Königreich. Angesichts ständiger Raubzüge auch durch Turk-Stämme ("Türken") und durch das Volk der Khitan aus der Mandschurei postierte der neue chinesische Kaiser Xuanzong 9 Militärgouverneure mit jeweils mehreren zehntausend Berufssoldaten an der West- und Nordgrenze der Tang-Dynastie. - Die chinesische Tang-Dynastie hatten ihr Reich nun so weit ausgedehnt, dass es von der Zentrale in der Hauptstadt Chang`an nicht mehr zu regieren war und die Verteidigung sehr teuer wurde. - Als dann in den 750er Jahren ein weiterer neuer Feind auftauchte, die Araber, begann das chinesische Tang-Reich an allen Ecken zu bröseln. 

821 wurde ein Friedensvertrag zwischen den Tang und Tibet geschlossen, China war zu der Zeit nicht ein Reich, das die Welt bedeutete, sondern nur ein Staat unter mächtigen Nachbarn. 

 ________________________________

  
Im 9. Jahrhundert
 

brach das ganze Staatensystems Ostasien - aus noch nicht genau geklärten Gründen - zusammen 841 wurde auch der tibetische König Langdarma (der letzte und die Nr. 42 in der traditionellen Liste der tibetischen Könige) von einem buddhistischen Mönch mit einem Pfeil-Schuss ermordet . Das Königreich Tibet zerfiel, - und in China ging die Tang-Dynastie unter.
 

Der tibetische Stamm der Tanguten bildete 982 mit anderen Stämmen zusammen ein neues Reich, XiXia, das kulturell von der neuen chinesischen Song-Dynastie beeinflusst war, aber politisch unabhängig.
 

Erst im Jahre 1240 wurde Tibet durch den mongolischen Herrscher Güyük Khan erobert und in das mongolische Reich eingegliedert. Der jüngere Bruder des Khan wurde ein paar Jahre später zum vorübergehenden Gouverneur der eroberten Tibet-Region ernannt.

Mitte des 13. bis Mitte des 14. Jahrhunderts wurden zunächst Angehörige der Sakya-Schule des tibetischen Buddhismus (Sakya - „Graue Erde“ - eine der „vier großen Schulen“ des tibetischen Buddhismus) von den mongolischen Khans als Vizekönige eingesetzt - dafür hatte der Tibeter die mongolische Oberhoheit im Gegenzug formal anerkannt. Die tibetischen Lamas wurden jetzt religiöse Lehrmeister der mongolischen Khans, die Mongolen zum Buddhismus

bekehrt, der mongolische Khan wurde zum Schutzherrn des Lamaismus, des tibetischen Buddhismus.


________________________________  


Dschingis Khan

Die mongolische Yuan-Dynastie

s
tellte von 1279-1368 auch die Kaiser von China, sodass sowohl Tibet als auch China von mongolischen Kaisern beherrscht wurden. Gegründet wurde die mongolische Yuan-Dynastie von Kublai Khan, dem Enkel Dschingis Khans.
Die mongolische Yuan-Dynastie wurde wurde durch die chinesische Ming-Dynastie abgelöst, die von 1368- bis 1644 über das chinesische Kaiserreich herrschte - bis sie 1644 durch die aus der Mandschurei stammende Qing-Dynastie abgelöst wurde, die bis zum Ende des chinesischen Kaiserreiches 1911 China regierte.


    ________________________________

Die mandschurische Qing-Dynastie (1644 - 1911)


Qing- oder Mandschu-Dynastie. Mittelgrau: 1644. Dunkelgrau: 1683. Hellgrau: 1759

Die Mandschu eroberten China - für Peking brauchten sie 40 Tage, für ganz China 40 Jahre - und machten aus dem Staat der Mitte einen Vielvölker-Staat. Sie setzten sich dabei gegen die Mongolen durch, gegen das russische Reich der Romanows und Andere. 

"Der große Staat der Qing ist China". 
Mongolen, Mandschuren, die muslimischen Völker Ost-Turkestans und Tibet waren zu "Chinesen" geworden, ihre Sprachen zur "chinesischen". Die Mandschuren wurden in Peking "chinesischer als die Chinesen selber", selbst ihre Sprache ging im Laufe ihrer Regierungszeit nach und nach verloren.

Wie die Mongolen zuvor unterstützten die Mandschuren den tibetischen Buddhismus, den Lamaismus. - Wer sich als Schutzpatron der Lamas etablierte, die in Tibet ein Feudal-System führten, durfte auf ihre Gefolgschaft zählen. 

Die mandschurischen Qing-Kaiser hofierten die tibetischen Lamas und bauten ihnen in ihrer chinesischen Residenzstadt Jehol (heute Chengde) acht lamaistische Tempel, darunter originalgetreue Nachbauten des Potala-Palastes aus Lhasa/Tibet (das ist der Winterpalast des Dalai Lama) und des Klosters Shigatse.

Torschild in Jehol (Chengde), der Sommerresidenz der Qing-Kaiser, in 4 Sprachen: mandschurisch, chinesisch, tibetisch, mongolisch. Der Gebirgsort ist heute UNESCO-Kulturerbe.

Als die Dsungaren (ein mongolischer Stamm) 1717 Tibet angreifen, unternimmt der Qing-Kaiser Kangxi 1720 einen erfolgreichen Straf-Feldzug gegen die Dsungaren, und seine Truppen begleiten den jungen (7.) Dalai Lama symbolisch in dessen Potala-Palast, stellten der tibetischen Regierung einen chinesischen Berater (Amban) an die Seite, der große Befugnisse hatte, (u.a. war er bei der Findung der Wiedergeburten des Dalai Lama beteiligt), und stationierten eine chinesische Garnison in Lhasa. Formal blieb Tibet unabhängig, tibetische Fürsten besorgten die zivile Verwaltung, der chinesische Kaiser verstand sich als Patron und Schutzherr der Dalai Lamas. Wie viel Einfluss der Dalai Lama selber auf die tibetische Regierung hatte, hing stark von seiner jeweiligen Persönlichkeit ab.
100 Jahre später konkurrierten England und Russland um Tibet 

und Zentralasien, England startete 1903 einen Feldzug gegen Tibet, setzte ein Handelsmonopol für Tibet durch, der 13. Dalai Lama (der Vater des jetzigen) floh in die Mongolei. 
Russland und England einigten sich schließlich 1907 in einem Vertrag auf die Oberhoheit Chinas über Tibet. Der Dalai Lama kam zurück, floh noch einmal (nach Indien). Nach der chinesischen Revolution von 1911 (Ende des Kaiserreiches) zogen sich die chinesischen Truppen - bis auf eine kleine Garnison - aus Tibet zurück, der (13.) Dalai Lama kehrte 1912 nach Lhasa zurück und erklärte 1913 die Unabhängigkeit.

Man kann sagen:


Bis Anfang des 18. Jahrhunderts war Tibet eine Region ohne festgelegte Grenzen, bei innerer Autonomie unter mongolischer Schirmherrschaft. Mit dem Niedergang der mongolischen Macht brachen auf tibetischem Gebiet „Nachfolgeunruhen“ aus.
Aufgrund dieser Unruhen erklärte China um 1720 (siehe oben) das Gebiet Tibets zu seinem Protektorat bei voller innerer Autonomie Tibets. Diese Konstruktion hielt fast 200 Jahre lang und hatte Vorteile für beide Seiten.
[wikipedia]


________________________________



Der Titel Dalai

wurde (vom Mongolen-Herrscher Altan Khan) ein
em tibetischen Abt zum ersten Mal 1578 verliehen - und zwar dieses Mal nicht einem Lama der Sakya-Schule (siehe oben), sondern dem Abt der Gelupga-Schule ("Gelbmützen"). 



Auch der heutige 14. Dalai Lama gehört daher den Geldmützen an und verdankt sein Amt so indirekt den mongolischen Herrschern des 16. Jahrhunderts. -

1950 marschierte die Armee des Volksrepubkil China in Kham ein,

"um die Landsleute in Tibet zu befreien". Tibet protestierte, das Land fand vor der UNO kein Gehör.  
1951 unterschrieb eine tibetische Delegation - ohne den damals 16-jährigen Dalai-Lama - ein Abkommen, das Tibet zur "nationalen autonomen Region Chinas" machte - und das ist sie formal bis heute, auch wenn der Dalai Lama das Abkommen von 1951 später widerrief.


Der 14. Dalai Lama Mao Zedong und der Panchen Lama 1954 in Peking

1959, im Alter von 24 Jahren, verließ der 14. Dalai Lama (nach mehrfacher Befragung des Nechung-Orakels ("Geh weg - Geh weg!") und auf Drängen und im Beisein von CIA-Agenten - es war die Zeit des Kalten Kriegs - Tibet in Richtung Indien. In der Zeit der Kultur-Revolution wurden von den Roten Garden in Tibet von über 6000 Tempeln und Kulturgütern nur 13 komplett verschont, der Rest wurde zerstört oder umgewandelt: In Kasernen, Schlachthöfe... 


1987 demonstrierten die Tibeter so vehement für die Unabhängigkeit, dass 1987 das Kriegsrecht verhängt wurde. Der Dalai Lama verurteilt die Selbst-Verbrennungen

________________________________



Papst geht. Gott sei Dank - Und mein Herz tut ein bisschen weh.



Der Papst geht

Und mein Herz tut ein bisschen weh 

_____________________________


 

Manchmal war es schon merkwürdig,

in den gediegenen Redaktionsfluren von Radio Vatikan: Ich fühlte mich wie aus der Zeit gefallen – aber nicht, weil ich in der modernen Medienzentrale einer 2.000 Jahre alten, globalen Institution wandelte; sondern weil derjenige, der als absoluter Herrscher von Kirche und Staat hier doch hätte präsent sein müssen, kaum eine Rolle spielte.
Auf jedem Schreibtisch, an jeder Wand der polyglotten Redaktionen, bei denen ich im Herbst 2011 mitarbeiten durfte, stand und hing nicht das Bild des amtierenden Pontifex, sondern das seines Vorgängers Karol Wojtyla. [Der ganze Artikel]



_____________________________


Bund der Religiösen Sozialistinnen und Sozialisten Deutschlands e.V.
                                                                                                 gegründet 1919/1926, www.BRSD.de                                            

Mitglied der International League of Religious Socialists, der Initiative Kirche von unten, des Attac-Netzwerks, des Ökumenisches Netzes Deutschland, von Oikocedit und Kairos Europa

CuS. Christin und Sozialistin. Christ und Sozialist. Kreuz und Rose. Blätter des BRSD

Presseerklärung 

zum bevorstehenden Rücktritt von Papst Benedict XVI vom 11.2.2013

Die Nachricht vom bevorstehenden Rücktritt Papst Benedict XVI ist eine historische Zäsur. In erster Linie verdient der Papst Respekt für seine Entscheidung, mit der bereits 700 Jahre bestehenden unmenschlichen Tradition zu brechen, dass Päpste bis zum Lebensende die Verantwortung für die Leitung der Kirche tragen müssen. Bereits im Jahr 2010 hatte der Papst die Überzeugung geäußert: "Wenn ein Papst zur klaren Erkenntnis kommt, dass er physisch, psychisch und geistig den Auftrag seines Amtes nicht mehr bewältigen kann, dann hat er ein Recht und unter Umständen auch die Pflicht zurückzutreten." Seine Entscheidung wird als Vermächtnis wirken, Leitende der Kirche im hohen Alter nicht zu überfordern und der Kirche Fehlentscheidungen überforderter Greise somit zu ersparen.

Während seine wissenschaftlichen Arbeiten weithin Anerkennung fanden, hinterlässt er als Leiter seine Kirche in tiefer Krise. Jahrzehntelang sind sexuelle Verletzungen von Kindern und Jugendlichen durch Kleriker verschwiegen und ist die Bestrafung der Täter verhindert worden. Infolge einer Vertrauenskrise hat die Zahl der Austritte aus der Kirche enorm zugenommen. Nach dem Urteil von Prof. Hans Küng „hat die Kirche seit dem Konzil in den sechziger Jahren Zehntausende von Priestern verloren, Hunderte von Pfarrhäusern sind ohne Pfarrer, Männer- wie Frauenorden sterben aus, sie finden keinen Nachwuchs mehr. Der Gottesdienstbesuch sinkt ständig. Doch die kirchliche Hierarchie hat bisher den Mut nicht aufgebracht, ehrlich und ungeschönt zuzugeben, wie die Lage wirklich ist.“

Der Absolutismus der katholischen Kirche, nach Befehl und Gehorsam die Gemeinden zu leiten, die Selbstbestimmung der Gemeinden zu missachten wird die Krise nur verstärken. Die Tiara, die Papstkrone als Symbol der mittelalterlichen päpstlichen Macht soll ein Papst ablegen. Mit den Worten von Hans Küng: „Aber wenn sich wieder alles im Amt konzentriert, dann steht am Ende wieder der mittelalterliche Pfarr-Herr, der Fürstbischof und eben der Papst als der absolute Herrscher, der gleichzeitig Exekutive, Legislative und Judikative verkörpert: alles im Widerspruch zur modernen Demokratie und zum Evangelium.“

Nötig ist dagegen eine Kirchenverfassung nach der Ordnung von Brüdern und Schwestern, die ihre Leitung wählen können. Nur so bilden sich Ämter im Dienst der Gemeinde, hat das leitende Amt dienende Funktion. Mit Recht verlangen viele Frauen der Kirche die Frauenordination und können sich darauf berufen, dass Jüngerinnen Jesu die ersten Botinnen der Nachricht von der Auferstehung Christi waren. Ökumenisch gesinnte Christen fordern gemeinsame Feiern von Abendmahl/Eucharistie, weil es nicht möglich ist, der Einladung Christi als des Herrn der Kirche Hindernisse in den Weg zu stellen. Jesus hat darum gebetet, dass alle Gläubigen „eins seien“ (Joh. 17,21). Ökumenisch gesinnte Christen wünschen sich deshalb die Anerkennung der evangelischen Kirche als Kirche, ohne ihren Status herabzusetzen.

Wo wir als ChristInnen innerhalb von Kirchen und Religionsgemeinschaften leben, sollten wir darauf achten, dass sich in ihnen die folgenden biblischen und theologischen Impulse durchsetzen können:

• Option für die Armen (d.h. unter anderem Zuwendung zu den gesellschaftlich Ausgegrenzten und Hinwendung zum Fremden)

• Bewahrung der Schöpfung

• Gesellschaftliche Arbeit in der Nachfolge Jesu und der Jesusbewegung.“ (Aus den Leitsätzen des BRSD).

Solidarität mit den Armen muss sich gerade auch im Lebensstil der Kirche erweisen. Wenn die katholische Kirche auch keine Kirche der Armen ist, sollte sie doch eine Kirche für die Armen sein.
Katholizität ist neu zu definieren: „Katholizität umfasst Arme und Marginalisierte ebenso wie ethnisch und kulturell Ausgegrenzte und stiftet dadurch erst eine wahrhaft universale Kirche, in der Platz für alle ist.“ (Prof. Dr. Franz Segbers in CuS 2-3/2012)

Unsere hauptsächliche Forderung an die Katholische Kirche teilen wir mit der „Initiative Kirche von unten“, mit der wir vernetzt sind und mit der Bewegung „Wir sind Kirche“:

„Aufbau einer geschwisterlichen Kirche mit Gleichwertigkeit aller Gläubigen, Überwindung der Kluft zwischen Klerus und Laien. (Nur so kann die Vielfalt der Begabung und Charismen wieder voll zur Wirkung kommen.)“

Das setzt voraus: Ende der Geheimhaltung bei Planungen, vollständige Transparenz (auch z.B. bei Planungen von Bauten). Christinnen und Christen, die informiert werden, sind auch bereit, mitzuhelfen und mitzuplanen.

Wir wünschen uns jetzt eine verstärkte Diskussion in der Amtskirche und bei den Laien, wie die guten Traditionen des Zweiten Vatikanischen Konzils und des Katakombenpakts zu erneuern sind und eine Öffnung der Römisch-Katholischen Kirche zur Welt.


So sollte Kirche sein. Nach dem Leitbild der Bibel sind das die Kennzeichen von Kirche. Zusammengefasst sind es drei Kennzeichen. Alle drei müssen wie in einem Dreieck immer zugleich da sein, damit Kirche an einem Ort sichtbar ist:

Das erste Kennzeichen ist die Verkündigung. In Lehre, in Predigt wird die Botschaft von der Liebe Gottes verkündigt.

Das zweite Kennzeichen ist die Diakonie. Was wir haben an Geld und Gut, teilen wir miteinander.

Das dritte Kennzeichen ist die schwesterliche und brüderliche Gemeinschaft. In Gottes Gegenwart wird gemeinsam das Brot gebrochen, wird gebetet und findet Gespräch und gemeinsames Leben statt.

Der Bundessprecher
Der Schriftleiter
Dr. Reinhard Gaede 
 __________________________________

Siehe auch:

  
und
 

Sonntag, Februar 10, 2013

AUSWEISUNG: Überschüssige, daher überflüssige oder Zuschuss-Arbeiter­bevöl­kerung



Der us-amerikanische Ökonom John Kenneth Galbraith (1908 - 2006) schrieb in 1958 seinem Buch The Affluent Society (deutsch: Gesellschaft im Überfluss, 1963), dass die amerikanische Gesellschaft im Überfluss lebe, was die Versorgung mit privaten Gütern und privater Dienstleistung betreffe, aber sehr arm sei, was die öffentliche Versorgung angehe. - Viele Haushalte besaßen schon eine eigene Wohnung, Auto, Kühlschrank, Waschmaschine, Fernsehgerät und Klimaanlage. Aber, so Galbraith, selbst in New York, dem Stolz der Nation, seien "die Schulen alt und überfüllt". Es gibt nicht genug Polizisten, Parks und Spielplätze sind mangelhaft, öffentliche Verkehrsmittel sind überfüllt, ungesund und dreckig, die morgendliche Fahrt zur Arbeit in die Stadt wird zur Qual...

Galbraith plädierte für ein Gleichgewicht zwischen der Versorgung mit privaten und mit öffentlichen Gütern und Dienstleistungen. Die Investitionen des Staates in die öffentliche Versorgung müssten beachtlich gesteigert werden: Für angemessene Schulen, Büchereien, öffentliche Erholungsmöglichkeiten, Gesundheitssysteme, Rechtsberatung... 

Das war seine Utopie.

John Kenneth Galbraith war Ökonom, Sozialkritiker, Präsidentenberater, Romancier und Diplomat, er war einer der einflussreichsten Ökonomen des 20. Jahrhunderts; und: Er war Keynesianer.


______________________________

Keynes Generation der "sozialdemokratischen" Ökonomen wurde abgelöst durch die "Ritter der freien Marktwirtschaft" wie Milton Friedmann (1912 - 2006) und anderen Wirtschaftswissenschaftlern aus der Gruppe der so genannten Chikago-Boys :

"Die Politik gab jeden Versuch auf, die Kräfte des freien Marktes in Richtung irgendwelcher gesellschaftlich erwünschter Ziele zu steuern" und beschränkte sich darauf,  "überbezahlten Betrügern" in Investmentbanken, so wie den freien Markt-Kräften, der Gewinnsucht und der Unersättlichkeit per Gesetz die gewünschten  Rahmenbedingungen zu schaffen. - Wie in den USA und China, so zunehmend auch in Europa. 
(Vgl. auch das neue Buch von Robert Skidelsky: Wie viel ist genug? Kunstmann 2013)

Was Karl Marx so beschrieb:
"Vermehrung des Kapitals vernichtet also immer dort Arbeitsplätze (relativ oder absolut), wo mittels technischer Neuerungen die Produktivität der Arbeitskraft gesteigert wird.
Längerfristig werden dann auch dort Arbeitsplätze vernichtet, wo das Kapital nicht so profitabel arbeitet. Denn über kurz oder lang zwingt der besonders profitable Kapitalist auch die anderen Kapitalisten, ihre Produktionskosten entsprechend zu senken, also vor allem ihre angewandte Arbeitskraft relativ zu reduzieren, oder pleite zu gehen, wodurch erst recht Arbeitsplätze verloren gehen. ...  Die kapitalistische Akkumulation produziert ... überschüssige, daher überflüssige oder Zuschuss-Arbeiter­bevöl­kerung.“ (K. Marx, Kapital I, MEW 23, 658)
 ______________________________


Das Entstehen von "überflüssiger oder Zuschuss-Arbeiter-Bevölkerung"  bezeichnet Saskia Sassen, Jahrgang 1949, Professorin für Soziologie und Wirtschaftswissenschaften an der Columbia Universität in New York, als AUSWEISUNG. In einem Interview mit C. Jakob beschreibt sie den Vorgang anschaulicher und konkreter als Marx das in seinem "Kapital" tat:

Die Ungleichheit wächst und wächst, und ab einem bestimmten Punkt ist die Veränderung so nachhaltig, dass wir es mit etwas Anderem zu tun haben: mit Ausweisung. ...
Die Grenze, die jemand überschreitet, der in Griechenland seinen Job und sein Haus verliert, ist eine neue Sorte von Grenze. Das nenne ich Ausweisung. ...
 
Was mich hier besorgt, ist etwas Neues. Es sind die Logiken der Ausweisung von Menschen aus traditionellen Ökonomien, Ausweisung von der Möglichkeit, ein Teil der neuen und alten Ordnung zu bleiben....

Nehmen wir die Zwangsversteigerungen. Die gibt es schon, seit es Hypotheken gibt. Aber heute stehen ganze Stadtteile leer. ... Wenn ich von Ausweisung spreche, dann meine ich etwa die Bewohner der 13 Millionen Häuser, die seit 2006 in den USA zwangsversteigert wurden....
Ich meine die verarmte Mittelschicht in Europa und die Milliarde Menschen, die in absoluter Armut leben. ...

Es gab im Keynesianismus Ausbeutung, Rassismus und sozialen Ausschluss, aber in der Tendenz wuchs die Zahl der Integrierten: Die wohlhabende Arbeiterklasse und die wohlhabende Mittelklasse wurden größer. Das geschah nicht, weil das System nett war, sondern weil die Wachstumsdynamik nach immer mehr von allem verlangt hat. Das Ergebnis: Es gab zunehmend Menschen mit Haus, Bildung, Pensionen, mit Teilhabe. - Heute ist die Tendenz andersherum. ...

Die Ökonomien wurden „gesund-geschrumpft“. Doch bei diesen „Schrumpfungen“ fliegen die Leute raus, von denen man glaubt, sie nicht zu brauchen. Es ist eine Ausweisung, eine wirtschaftliche Säuberung. Seit dem letzten Jahrzehnt gibt es dies auch im globalen Norden. Die Krise von 2008 wurde dazu benutzt, Sozialleistungen zu kürzen.Das sieht man besonders extrem in Spanien und Griechenland. Die griechischen Banken wurden gerettet, die Wirtschaft geschrumpft, die Leute flogen raus. ...

Die Dinge entwickeln sich in diese Richtung. Im Keynesianismus ging es in Richtung mehr Integration, jetzt drehen sich die Zeiger der Uhr rückwärts.