Samstag, Februar 02, 2013

Widerstand in Baden-Württemberg: Mehr als Häusle, Weckle und Kehrwoche


Die ersten Menschenrechte der Welt

Wenn man an die Schwaben denkt, dann denkt man an "Schaffe, Schaffe, Häusle baue - und nicht nach den Mädle schaue" und neuerdings an Schrippen, Weckle und die Gentrifizierung Berlins durch schwäbische Eigentumswohnungs-Aufkäufer:


Dabei können Badenser - und auch die Schwaben - durchaus auch anders:

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 Der Oberschwäbische Haufen,
20. März 1525


Zinnfiguren im Bauernkriegsmuseum Böblingen


Der Oberschwäbische Haufen bringt im Deutschen Bauernkrieg seine Forderungen in Memmingen in den sogenannten Zwölf Artikeln vor. Sie werden während des Bauernkriegs weit verbreitet. Sie zählen als die ersten Menschenrechte der Welt. In Württemberg kam der Aufstand in der zweiten Aprilhälfte 1525 zum Durchbruch. Nachdem der Neckartal-Odenwälder Haufen am 16. April 1525 die württembergische Amtsstadt Weinsberg gestürmt und ihre adelige Besatzung durch die Spieße gejagt hatte, bildete sich noch am Abend auf dem Wunnenstein bei Großbottwar ein württembergischer Bauernhaufen. Seine Führer waren Matern Feuerbacher und Hans Wunderer. ...
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April 1848: 
Hecker-Aufstand 


Hecker und Hecker-Hut

Die badischen Revolutionsführer Friedrich Hecker, Gustav Struve und mehrerer anderer Radikaldemokraten vesuchen im Großherzogtum Baden die Monarchie zu stürzen und eine Republik zu errichten. In der Hauptaktion des Aufstands, dem sogenannten Heckerzug, zog eine Freischar von mehreren hundert Bewaffneten unter Heckers Führung von Konstanz in Richtung Karlsruhe, um dort gemeinsam mit weiteren Freischaren die Regierung zu stürzen. Heckers Gruppe wurde jedoch bereits vor dem Zusammenschluss von Truppen des Deutschen Bundes im Gefecht auf der Scheideck militärisch gestoppt. Der gescheiterte Heckeraufstand war der erste große Aufstand der Badischen Revolution und wurde, wie auch sein Anführer, zu einem politischen Mythos.  


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 Der Mössinger Generalstreik,  
31. Januar 1933




Nicht in Berlin, nicht in Köln. Ausgerechnet in der Provinz wagten vor 80 Jahren rund 800 Mössinger den Generalstreik gegen Hitler und das NS-Regime. Vor achtzig Jahren protestierten die Mössinger gegen Hitlers Ernennung zum Reichskanzler.

31. Januar 1933. Vor achtzig Jahren leistete ein schwäbisches Dorf ganz allein Widerstand gegen Adolf Hitler, der am Tag zuvor zum Reichskanzler ernannt worden war. Die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) hatte nach Hitlers Machtergreifung deutschlandweit zu einem Generalstreik aufgerufen. Daraufhin versammelten sich am 31. Januar in Mössingen etwa hundert Kommunisten und Antifaschisten an der Turnhalle der Arbeitervereine. Von dort zogen sie zu den örtlichen Betrieben, sodass die Gruppe der Streikenden im Laufe des Tages auf etwa achthundert Teilnehmer anwuchs. Nirgendwo sonst gab es in Deutschland einen vergleichbaren Aufstand an diesem Tag.
 

  


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Die Stuttgarter Axt, 
15. Februar 1933

Adolf Hitler besucht Stuttgart. Gut zwei Wochen nachdem er zum Reichskanzler ernannt worden ist, will er in der Stadthalle eine Grundsatzrede halten. Sie wird ins ganze Reich übertragen. Doch kurz nach Beginn der Übertragung kappen vier junge Kommunisten mit der Axt das Rundfunkkabel.
 


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Schreiner Georg Elser,  
8. November 1939

hatte der württembergische Landwirtssohn und gelernte Schreiner Elser, 1903 geboren, versucht, den "Führer" des Deutschen Reiches, Adolf Hitler, im Münchener Bürgerbräukeller mit einer Bombe zu töten. Das misslang, da Hitler den Ort wegen einer wetterbedingten Reiseplanänderung früher verließ. Elser wurde inhaftiert und jahrelang in den KZ Sachsenhausen und Dachau mit dem Plan festgehalten, ihn nach dem "Endsieg" in einem Schauprozess zu verurteilen. Als kein Sieg mehr in Sicht war, wurde Elser am 9. April 1945 erschossen.

 
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Stuttgart 21


Der Protest gegen Stuttgart 21 richtet sich gegen das Projekt Stuttgart 21 der Deutsche Bahn AG, im Zuge dessen der Stuttgarter Hauptbahnhof von einem oberirdischen Kopfbahnhof in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof umgebaut werden soll. Den Protest tragen das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 und weitere Gruppierungen aus Stuttgart und Umgebung. Die Gegner des Bahnprojekts forderten einen Volksentscheid, der am 27. November 2011 zu Gunsten des Projekts entschieden wurde.

An den Demonstrationen beteiligten sich zehntausende Bürger. Ein Bürgerbegehren zum Ausstieg aus Stuttgart 21 unterschrieben über 61.000 Bürger in Stuttgart. Ein Alternativkonzept wird unter dem Namen Kopfbahnhof 21 diskutiert.

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Damals wie heute gibt es
Widerstand gegen den Widerstand -

Wie in Böblingen damals so auch in Mössingen heute. - Wenn auch die Schlacht  heute eher per Anzeige in der Zeitung ausgefochten wird:

Böblingen 1525:

Rasch an zahlenmäßiger Stärke zunehmend, zog der württembergische Bauernhaufen nach Art einer Massendemonstration durch das Land. Inzwischen auf ca. 8000 Mann angewachsen, nahm er am 25. April Stuttgart ein; von dort war die habsburgische Regierung nach Tübingen ausgewichen. Als sie von Kirchheim/Teck nach Tübingen vorstoßen wollten, erreichte sie die Nachricht, dass der Truchsess von Waldburg ihnen vom Hegau aus entgegenrückte. Daraufhin änderten die Aufständischen ihren Weg und zogen über Degerloch am 6. Mai nach Böblingen und Sindelfingen. Wegen des Sumpfgeländes zwischen Böblingen und Sindelfingen war der Truchsess nicht in der Lage, die Bauern frontal unter Einsatz der Reiterei anzugreifen. Als der Truchsess massiv drohte, er würde sie mitsamt Weibern und Kindern erwürgen und die Stadt schleifen lassen, öffneten die Böblinger das Tor.


Der Truchsess von Waldburg
 In der Stadt gab es offensichtlich zwei Strömungen gegenüber den Bauern. Die amtsstädtischen Honoratioren unterstützten den Truchsess. Kleinbürger und Bauern sympatisierten eher mit den Aufständischen. [...]

Aus der Schlacht am 12. Mai 1525 wurde sehr rasch ein Massaker an den Bauern, die in die benachbarten Wälder zu fliehen versuchten. Dabei schnitt ihnen der ortskundige Truchsess den Weg ab und ließ sie niedermetzeln. Innerhalb weniger Stunden war das 15000 Mann starke Bauernheer von den Truppen des Truchsessen, die nur 7000 bis 8000 Mann zählten, blutig besiegt worden. 


  

Mössingen 1931/ 2013:

Im Jahre 1931 stellte sich den 800 streikenden und demonstrierenden Mössinger Arbeitern zunächst niemand entgegen, denn es gab im Dorf nur einen einzigen Dorfpolizisten. - Erst die aus Reutlingen herbeigerufene Verstärkung stoppte den Marsch und verhaftete zahlreiche Streikteilnehmer, die 1933 von der Großen Strafkammer Tübingen wegen Mitwirkung an einem politischen "Generalstreik" zu harten Gefängnisstrafen verurteilt worden sind.  


Übereinstimmung bei der Bewertung des "Generalstreiks" hat es in Mössingen nie gegeben. Immer wieder beschäftigte sich der Gemeinderat kontrovers mit dem Thema. Kritiker aus den Reihen der Freien Wähler und der CDU zweifelten die Darstellung in dem Standardwerk "Da ist nirgends nichts gewesen außer hier" an, das allerdings von renommierten Kulturwissenschaftlern verfasst worden war. Die Kritiker unterstellten den (nicht mehr lebenden) Akteuren des Generalstreiks, sie hätten eine rote Diktatur angestrebt, quasi ein totalitäres System durch ein stalinistisches ersetzen wollen.
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