Dienstag, April 15, 2014

Von Gayropa nach Eurasien. Von der EU zur EaU und die Ukraine



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"In vielen Staaten ist der Weg zu einer freien Presselandschaft oft erheblich dorniger als in Deutschland. Mit internationalen Kooperationen fördert die taz den unabhängigen Journalismus dort, wo er besonders rar ist. -  Unsere Journalismus-Seminare [der taz-akdemie der taz-panthersiftung] sollen dazu einen Beitrag leisten und es jungen Journalisten aus den Regionen von Belarus, der Ukraine, Moldau und Russlands ermöglichen, sich unter thematischem Bezug ein Bild von journalistischer Tätigkeit in einer deutschen Tageszeitung zu machen. Im Januar 2013 wurde bereits der zweite Osteuropa-Workshop der taz Panter Stiftung durchgeführt. Über 200 JournalistInnen hatten sich beworben." Quelle

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Haus der Kulturen der Welt, Berlin
Neulich war ich bei einem Gespräch mit solchen jungen und/oder angehenden JournalistInnen im Haus der Kulturen der Welt in Berlin. Sie kamen von der Krim, aus der Ukraine, aus Russland, aus Belorussland, aus Moldau und Transnistrien (von dem ich nie gehört hatte).

Was sagen sie, was man in Russland über Europa denkt, womit das West-Europa gemeint ist. In Russland sprechen Präsident Putin und seine Medien gerne von GAYROPA. Und die Journalstinnen aus Transnistrien haben zuhause gelernt, dass in "Europa" so ungefähr jeden Tag eine Schwulen-Parade stattfindet, dass die Menschen ein ausschweifendes Leben führen und der sittliche Verfall um sich greift. - Vielleicht so, wie Otto Dix es 1928 sah:

Otto Dix, Metropolis, 1928

 Ok, nach 14 Tagen Berlin hatte sich der Eindruckschon etwas korrigiert...
Was suchen diese JournalistInnen? Einige sagen: Sie suchen Europa nicht geographisch, weder wollen sie in "Europa" bleiben, noch möchten sie unbedingt, dass ihr Land sich der EU anschließt. Ich weiß, sagt eine der Frauen bescheiden, dass wir der EU nichts zu bieten haben, dass wir für die EU nur Ballast wären; "unser Land ist ein eigener Planet".  Aber sie möchte von Europa lernen:
Vor dem Haus der Kulturen der Welt
  • Pressefreiheit, 
  • Unabhängikeit der Gerichte,
  • das Volk soll Herr im eigenen Haus sein,
  • studieren können, wo man möchte und wo es am besten ist
  • Europa sei das Land, in dem man sich frei bewegen kann, viel Geld verdienen, glücklich sein und positiv in die Zukunft schauen kann. ____________________________

Und Eurasien?
Eurasien, der Gegen-Entwurf zu Europa. Statt dass Europa und Frankreich der Mittelpunkt Europas sind oder bleiben und immer mehr Länder Europas an sich saugen oder anziehen, soll Russland zum Zentrum des neuen Eurasiens werden. So Putins Vision. Ein Eurasien von Lissabon bis Wladiwostok mit Russland als geografischen, politischen und kulturellem Zentrum. Eurasische Union EaU statt Europäischer Union EU. - Gut, kann man sagen: Warum auch nicht?

Kleiner Witz aus Russland am Rande: 
  • Frage: Was ist der Unterschied zwischen Eurasien und der EU? 
  • Antwort: In die EU will jeder rein, in Eurasien soll und muss jeder rein. :-) 

Quelle: wikipedia, Eurasien

Gut, kann man sagen, da ist auch was dran.
Und Russland hat mit der Krim im April 2014 ja schon mal angefangen,die UdSSR hat es auch schon mal probiert ( Ungarn 1956, Tschecheslowakei 1968...), die USA tuen ja auch ihr Bestes, um ihren Laden und ihre Hinterhöfe zusammen zu halten - ebenso wie die Volksrepublik China im ostchinesischen und südchinesischen Meer und anderswo.




Und wie geht Eurasien? Erst Zoll-Union, dann richtige Union.
"Die Eurasische Union
soll in naher Zukunft mit den Staaten Russland, Weißrussland, Armenien und Kasachstan entstehen. Sie wurde nach Vorbild der Europäischen Union gegründet.
Tadschikistan und Kirgisistan könnten als Mitglieder folgen. Bereits im Oktober 2011 unterzeichneten die Staaten Russland, Armenien, Kasachstan, Kirgisistan, Moldawien, Tadschikistan, die Ukraine und Weißrussland ein Abkommen über die Bildung einer Freihandelszone.
Lange Zeit hatte Wladimir Putin erfolglos versucht, die Ukraine in die Planungen zur Eurasischen Union einzubeziehen. Im August 2013 beantragte die Ukraine einen Beobachterstatus in der Eurasischen Union. Unter Wiktor Janukowytsch hatte sich die ukrainische Regierung jedoch auch zum Ziel gesetzt, im November 2013 ein Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union zu unterzeichnen, was von Beobachtern als endgültige Abwendung von der Eurasischen Union bewertet wurde.
Das geplante Assoziierungsabkommen wurde jedoch aufgrund politischer Differenzen zwischen der Ukraine und der Europäischen Union und des Einflusses von Russland im November 2013 ausgesetzt. Außerdem kündigte die Regierung an, die wirtschaftliche Kooperation mit der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten zu intensivieren.
Diese Ankündigung führte in Kiew zu Unruhen (siehe Euromaidan) und schließlich zum Sturz des Präsidenten Janukowytsch und seiner Regierung." [wikipedia]
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Aus einem taz-Panther-Seminar
Eine der jungen Journalistinnen aus Russland widerspricht dem taz-Redakteur, der schon seit 1990 aus Russland berichtet und der den großen Zuspruch der Bevölkerung für Putin durch das Rund-um-die-Uhr-Propaganda-Feuerwerk der russischen Medien erklärt. In den letzten 10-15 Jahren, sagt sie, habe sich die wirtschaftliche Situation für viele RussInnen spürbar verbessert:
Der Verdienst und die Renten seien gestiegen, ebenso die Stipendien für die Studierenden; es seien zwar nur kleine Verbesserungen, aber man habe das Gefühl, es gehe aufwärts unter Putin.
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Eben jener Russland-Korrespondent schreibt über Putin und seinen Eurasien-Plan:
Ein noch fiktiver Kontinent bildet eine neue russische Utopie.
Dahinter verbergen sich Ressentiments gegen Demokratie, Pluralismus und Liberalität.


... "Mit der Annexion der Halbinsel Krim hat Russland ein neues Zeitalter eingeläutet. Nichts wird so sein wie vorher. Die Hoffnung, Russland würde sich längerfristig dem Westen zuwenden, ist erst einmal zerbrochen. Mit dem militärischen Eingriff machte der Kreml deutlich:
  • Die politischen und geopolitischen Veränderungen seit dem Ende des Systemgegensatzes 1991 sind aus Moskauer Sicht dringend korrekturbedürftig. Bisherige Regeln gelten nicht mehr....
Die Schlacht um die Integration des postsowjetischen Raumes sei die Schlacht um Kiew, meint der Professor Alexander Dugin von der Moskauer Lomonossow-Universität. Er ist als Vordenker der „eurasischen“ Ideologie einer der bekanntesten Intellektuellen in Russland und im staatlichen Fernsehen ständig präsent.
  • Die Vormachtstellung fällt der russischen Ethnie zu.
  • Dass das Imperium vorübergehend verschwand, sei ein historischer Irrtum, der behoben werden müsse.
  • „Revolutionärer Expansionismus“, nennt sich das in der Theorie der „Neoeurasier“, die sich auf die eurasische Schule der Emigration nach der Oktoberrevolution 1917 berufen.
  • Sie berufen sich auf die Idee der „russischen Besonderheit“, die auf einem zivilisatorischen Sonderweg zwischen Ost und West beruhe. Dahinter verbergen sich Ressentiments gegen Demokratie, Pluralismus und Liberalität.
  • Kollektiv und Staat sind die Leitprinzipien, denen sich das Individuum unterzuordnen hat.
  •  Autorität darf nicht infrage gestellt werden, das russische Ich ist kollektiv.
Kurzum: Der faulende Westen steht einem messianischen Russland gegenüber, das sich für dessen mentale und geistige Erneuerung bereithält." [Der ganze Artikel]
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Siehe auch:
Und:
 









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Samstag, April 05, 2014

TTIP. Wie in Taipeh so in Brüssel - Freihandelsabkommen hinter dem Rücken der Bürger


Schauplatz Brüssel/Europa, Anfang April 2013

Acht Wochen vor der EU-Wahl. Viele Bürger wüssten gerne, ob sie der EU nach quälenden Krisenjahren wieder vertrauen können.
Was ist eigentlich das Ziel? Kommissare und Kandidaten bleiben eine Antwort schuldig. Wer die Interviews der Frontrunner von Sozialdemokraten und Konservativen für die Europawahl, Martin Schulz und Jean-Claude Juncker, liest, wird kaum Unterschiede entdecken - und noch weniger Antworten auf die Frage, wohin die Reise geht. Die Kandidaten reden zwar viel, einen klaren Kurs geben sie nicht vor.
Schon zwei Tage nach der Europawahl sollen die Weichen gestellt werden - personell und politisch. Bei einem vertraulichen Abendessen in Brüssel wollen Merkel & Co den Kurs der EU auskungeln.
Europa-Parlament in Brüssel - Nicht besetzt

Ein paar Pflöcke sind schon eingeschlagen.
Im zweiten Halbjahr soll
  • das Schicksal Griechenlands besiegelt werden,
  • außerdem das umstrittene Freihandelsabkommen mit den USA (einschließlich Investorenschutz) kommen, der EU-Vertrag geändert werden.
Doch es kann nicht sein, dass derart wichtige Entscheidungen hinter dem Rücken der Wähler getroffen werden. Schulz und Juncker haben derzeit keine Lust, sich dazu zu äußern. (Quelle)
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Schauplatz Taipeh/ Taiwan/ China, Anfang April 2013

Seit zwei Wochen herrscht in Taipeh, der Hauptstadt Taiwans, Ausnahmezustand. Hunderte Studenten halten seit dem 19. März aus Protest gegen ein Freihandelsabkommen mit China das Parlament besetzt, gleichzeitig versammeln sich Tausende rund um die Uhr trotz Kälte und Regen, um sich mit den Demonstranten zu solidarisieren. Die Insel Taiwan, vor der Küste Chinas gelegen, erlebt die größte Studenten- und Bürgerbewegung
seit der Demokratisierung vor über zwanzig Jahren.
Parlament in Taipeh

Stein des Anstoßes ist ein Abkommen, das der Präsident bereits im Sommer dieses Jahres in Kraft treten lassen will: Es soll die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den 23 Millionen Taiwanern und den 1,34 Milliarden Bewohnern der Volksrepublik noch enger gestalten. Was die Kritiker besonders ärgert: Das Abkommen ist unter Ausschluss der taiwanischen Öffentlichkeit verhandelt worden. Seitdem versuchte die Regierung, das Abkommen durch das Parlament zu peitschen, im Gegenzug wuchs die Protestwelle an.
Besetztes Parlament in Taipeh.
Auf dem Foto an der Wand: Sun Yat-sen

"Hinterzimmerabkommen zurückweisen,
Demokratie verteidigen" lautet das Motto, "Mechanismus schaffen zur Überwachung der Abkommen". Der Studentenführer Chen Wei-Ting, erst 24 Jahre alt, sagte: "Das Parlament ist schon seit Langem gelähmt. Wir kommen nicht, um das Parlament lahmzulegen, sondern um unsere demokratischen Werte zu retten." (Quelle)
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Schauplatz Berlin:
Leichenschauhaus der parlamentarischen Idee?


Im Jahr 2013 hat der Publizist Roger Willemsen nahezu alle Bundestagsdebatten besucht. In dem Band "Das Hohe Haus" hat er nun seine Erfahrungen zu einem Essay verdichtet. Sein vernichtender Befund: Der Berliner Reichstag ist "das Leichenschauhaus der parlamentarischen Idee".

Nils Minkmar, Feuilletonchef der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", begleitete zur gleichen Zeit Peer Steinbrück im Wahlkampf, seine Beobachtungen fasste er in dem Band mit dem programmatischen Titel "Der Zirkus" zusammen. Minkmars Diagnose: "Die parlamentarische Demokratie, die pluralistisch verfasste Medienlandschaft sind in Gefahr".
Roger Willemsen und Nils Minkmar diskutieren im swr2 Forum über die politische Kultur in Deutschland. (>  Download als mp3)

Bücher zur Sendung:
  • Nils Minkmar: Der Zirkus. Ein Jahr im Innersten der Politik; S. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 2013, 19,99 €
  • Roger Willemsen: Das Hohe Haus. Ein Jahr im Parlament; S. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 2014, 19,99 €