Samstag, April 05, 2014

TTIP. Wie in Taipeh so in Brüssel - Freihandelsabkommen hinter dem Rücken der Bürger


Schauplatz Brüssel/Europa, Anfang April 2013

Acht Wochen vor der EU-Wahl. Viele Bürger wüssten gerne, ob sie der EU nach quälenden Krisenjahren wieder vertrauen können.
Was ist eigentlich das Ziel? Kommissare und Kandidaten bleiben eine Antwort schuldig. Wer die Interviews der Frontrunner von Sozialdemokraten und Konservativen für die Europawahl, Martin Schulz und Jean-Claude Juncker, liest, wird kaum Unterschiede entdecken - und noch weniger Antworten auf die Frage, wohin die Reise geht. Die Kandidaten reden zwar viel, einen klaren Kurs geben sie nicht vor.
Schon zwei Tage nach der Europawahl sollen die Weichen gestellt werden - personell und politisch. Bei einem vertraulichen Abendessen in Brüssel wollen Merkel & Co den Kurs der EU auskungeln.
Europa-Parlament in Brüssel - Nicht besetzt

Ein paar Pflöcke sind schon eingeschlagen.
Im zweiten Halbjahr soll
  • das Schicksal Griechenlands besiegelt werden,
  • außerdem das umstrittene Freihandelsabkommen mit den USA (einschließlich Investorenschutz) kommen, der EU-Vertrag geändert werden.
Doch es kann nicht sein, dass derart wichtige Entscheidungen hinter dem Rücken der Wähler getroffen werden. Schulz und Juncker haben derzeit keine Lust, sich dazu zu äußern. (Quelle)
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Schauplatz Taipeh/ Taiwan/ China, Anfang April 2013

Seit zwei Wochen herrscht in Taipeh, der Hauptstadt Taiwans, Ausnahmezustand. Hunderte Studenten halten seit dem 19. März aus Protest gegen ein Freihandelsabkommen mit China das Parlament besetzt, gleichzeitig versammeln sich Tausende rund um die Uhr trotz Kälte und Regen, um sich mit den Demonstranten zu solidarisieren. Die Insel Taiwan, vor der Küste Chinas gelegen, erlebt die größte Studenten- und Bürgerbewegung
seit der Demokratisierung vor über zwanzig Jahren.
Parlament in Taipeh

Stein des Anstoßes ist ein Abkommen, das der Präsident bereits im Sommer dieses Jahres in Kraft treten lassen will: Es soll die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den 23 Millionen Taiwanern und den 1,34 Milliarden Bewohnern der Volksrepublik noch enger gestalten. Was die Kritiker besonders ärgert: Das Abkommen ist unter Ausschluss der taiwanischen Öffentlichkeit verhandelt worden. Seitdem versuchte die Regierung, das Abkommen durch das Parlament zu peitschen, im Gegenzug wuchs die Protestwelle an.
Besetztes Parlament in Taipeh.
Auf dem Foto an der Wand: Sun Yat-sen

"Hinterzimmerabkommen zurückweisen,
Demokratie verteidigen" lautet das Motto, "Mechanismus schaffen zur Überwachung der Abkommen". Der Studentenführer Chen Wei-Ting, erst 24 Jahre alt, sagte: "Das Parlament ist schon seit Langem gelähmt. Wir kommen nicht, um das Parlament lahmzulegen, sondern um unsere demokratischen Werte zu retten." (Quelle)
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Schauplatz Berlin:
Leichenschauhaus der parlamentarischen Idee?


Im Jahr 2013 hat der Publizist Roger Willemsen nahezu alle Bundestagsdebatten besucht. In dem Band "Das Hohe Haus" hat er nun seine Erfahrungen zu einem Essay verdichtet. Sein vernichtender Befund: Der Berliner Reichstag ist "das Leichenschauhaus der parlamentarischen Idee".

Nils Minkmar, Feuilletonchef der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", begleitete zur gleichen Zeit Peer Steinbrück im Wahlkampf, seine Beobachtungen fasste er in dem Band mit dem programmatischen Titel "Der Zirkus" zusammen. Minkmars Diagnose: "Die parlamentarische Demokratie, die pluralistisch verfasste Medienlandschaft sind in Gefahr".
Roger Willemsen und Nils Minkmar diskutieren im swr2 Forum über die politische Kultur in Deutschland. (>  Download als mp3)

Bücher zur Sendung:
  • Nils Minkmar: Der Zirkus. Ein Jahr im Innersten der Politik; S. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 2013, 19,99 €
  • Roger Willemsen: Das Hohe Haus. Ein Jahr im Parlament; S. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 2014, 19,99 €

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