Samstag, Oktober 28, 2006

Jeder Krieg produziert Totenschädel.

Ihre Reden: semantisch gesäubert.

"Die Neo-Nazis zum Beispiel,
ja, sie gibt es immer noch,
diese Bande, wie wir sie kennen.
Die ihre Mörderhymnen grölt,
mit brennenden Fackeln durch Tore marschiert,
die rechten Arme ausgestreckt
zum Hass-Gruß.
Es sind nicht mal viele.
Und sind sie nicht auch so was wie
Pappkameraden,
die die anderen verdecken,
die anders daher kommen als damals?
Nicht mit Schulterriemen,
knarzenden Stiefeln, bellenden Stimmen,
nicht mit Wagner-und Marschmusik,
nicht stramm und steif.
Nein, diesmal lockerer,
zivilgesellschaftlich,
tänzelnd beinahe zu Pop und Fun.
Ihre Reden: semantisch gesäubert.
Statt Führer,
Leader,
statt Krieg und Eroberung,
humanitäre Intervention, …"
(Aus Franz Jose Degenhardt: Dämmerung. Zehn Lieder. 2006. „Auf der Heide“).

Bundeswehr. Das neue Weißbuch.

Der neue Entwurf des Weißbuchs für die Bundeswehr lässt keinen Zweifel an den Aufgaben deutscher Soldaten. Eindeutig bekennt sich das Dokument, das am 25. Oktober im Kabinett besprochen wird, zur Beteiligung der Bundeswehr an den Schnellen Eingreiftruppen von NATO und EU. Die Bundeswehr stellt demnach ihre »Eingreifkräfte« der NATO zur Verfügung, die »weit über die Grenzen des Bündnisses hinaus« tätig werde. Die »battle groups« der Europäischen Union, an denen sich die Bundeswehr ebenfalls beteiligt, müssen ein wenig kürzer treten: Für sie ist ein Aktionsradius von 6000 Kilometer rund um Brüssel vorgesehen.

Als »Zielvorgabe« bestätigt der Entwurf, gleichzeitig 14000 Bundeswehrsoldaten in fünf verschiedene Einsätze entsenden zu können. - Die zum Teil arg kriegerischen Formulierungen, die im Frühjahr im ersten Entwurf des Weißbuches standen, wurden in der überarbeiteten Fassung stark abgeschwächt. Dennoch ist deutlich herauszulesen, wozu die Einsätze dienen sollen. Ein halbes Dutzend Mal wird im Entwurf das deutsche Interesse »an einem offenen Welthandelssystem und freien Transportwegen« beschworen und darauf hingewiesen, dass Deutschlands »wirtschaftlicher Wohlstand vom Zugang zu Rohstoffen, Waren und Ideen abhängt«.

In beiden Formationen spielt Deutschland eine maßgebliche Rolle: In der NATO Response Force (NRF), die am 1. Oktober 2006 ihre Einsatzbereitschaft gemeldet hat, und in den zwei EU-Battle-Groups, die ab 1. Januar 2007 in den Startlöchern stehen. In der NRF stellt die Bundeswehr mit 6700 von insgesamt 25000 Soldaten das größte Kontingent und mit Gerhard W. Back den Kommandeur. Außerdem marschiert die eine der beiden EU-Interventionstruppen mit einer Stärke von jeweils 1500 und 2000 Soldaten unter deutscher Flagge.

Das Bundesverteidigungsministerium definiert als Aufgabe der NRF: »Missionen zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu bestehen«, [natürlich, was sonst?] und »den Kampf gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen führen zu können«, [so wie die USA im Irak?], »sowie die Evakuierung gefährdeter Zivilisten vorzunehmen«. Die Einsatzplanung der NRF sieht eine blitzartige Verlegung in ein potentielles Krisengebiet vor, innerhalb von fünf Tagen soll Gerät- und Mannschaft komplett vor Ort sein, Flugzeugträgergruppe und Luftstreitkräfte inklusive.

Von den geplanten 18 Battle Groups der EU werden zu Jahresanfang 2007 erst zwei starten können, die im Gegensatz zur NRF lediglich über begrenzte See- sowie Luftunterstützung verfügen. Als einziges konkretes Beispiel wird die Intervention »im Rahmen einer UN-Mission in Darfur genannt«. Da die Regierung Sudans eine Intervention in ihrer Westprovinz aber bekämpft, und zwar unabhängig von einer Absegnung durch den Sicherheitsrat, steht den Soldaten eventuell einiges bevor...


Am gleichen Tag sind deutsche Kriegsschiffe auf dem Weg in den Libanon -

Schnellboote mit schönen Namen wie „Nerz“ und „Dachs“ und „Ozelot“ und die Fregatte „Karlsruhe“ und andere. - Die deutsche Bundeskanzlerin "versprach" sich neulich, als sie sagte die Schiffe seien auf dem Weg, um Israel vor Angriffen aus dem Libanon zu schützen. Dabei hatte sie einen Moment vergessen, dass die Schiffe doch auf ausdrücklicher "Einladung" der libanesischen Regierung dort waren, um den Libanon bei der Kontrolle von Waffenschmuggel zu Gunsten der Hisbollah im Lande zu unterstützen. Oder?

»Deutschland ist im Nahostkonflikt nicht neutral sondern Verbündeter Israels.
Die UN-Resolution 1701 stellt ein Mandat für einen typischen Blauhelmeinsatz dar. Die UNIFIL soll in erster Linie die international vereinbarte Grenze zwischen Israel und Libanon sichern - gegen Grenzverletzungen von beiden Seiten! Berlin hat von Anfang an, noch bevor es eine UN-Resolution gab, darauf bestanden, Militär in die Konfliktregion zu entsenden. "Man könne sich nicht heraushalten", so Frau Merkel, wenn es um die Existenz Israels geht. Entsprechend einseitig wird aus der UN-Resolution nur der Auftrag heraus gelesen, den Waffenschmuggel an die Hisbollah zu unterbinden. Und das Kabinett war erst bereit, sich militärisch zu engagieren, als auch ein "robustes" Mandat zugesichert wurde. Die deutsche Marine kann und wird also bei Bedarf ihre Waffen einsetzen - und zwar ausschließlich gegen die "Feinde Israels". Faktisch wird Deutschland damit zum Verbündeten der israelischen Armee.«



Israelische F-16-Kampfflugzeuge attackieren deutsches Schiff.

Zwei israelische Jets haben über einem deutschen Kriegsschiff im Mittelmeer zwei Schüsse in die Luft gefeuert. - Die deutschen Soldaten haben das in Bildern festgehalten, die aber nicht veröffentlicht werden. Bei dem deutschen Schiff handelte es sich um das in internationalen Gewässern fahrendes Spionageschiff "Alster" . Es ist nicht der UNIFIL-Truppe zugeordnet, soll aber die deutsche Marine vor Angriffen schützen. Die "Alster" ist im Rahmen von Nato-Verbänden zur Terrorabwehr im Mittelmeer stationiert. Da das Schiff auch israelische Quellen anzapfen kann, gilt als denkbar, dass Israels Militär dagegen ein Zeichen setzen wollte. (FR)

»Der Einsatz der deutschen Marine kann gefährlich werden.
Nicht vergessen darf man schließlich den größeren Zusammenhang, in dem der deutsche Militäreinsatz steht. Sind deutsche Kriegsschiffe erst einmal vor Libanon, verstärken sie auch die US-amerikanische Drohkulisse gegen den Iran. Sollten die USA den Iran angreifen, könnte sich die deutsche Marine der Forderung nach "Flankenschutz" kaum entziehen. Die Ausstattung des Auftrags ist auf einen solchen "Flankenschutz" geradezu zugeschnitten. Ein Beispiel: Korvetten des Typs K130: Anfang September wurde in Bremen die zweite von insgesamt fünf neuen Korvetten des Typs K130 getauft. Die neuen Korvetten sind besonders geeignet zum Einsatz "vor fremden Küstengewässern" zum Landbeschuss. Zur Ausrüstung gehören pro Schiff 4 Marschflugkörper mit 200 Kilometer Reichweite. Diese Korvetten werden aber erst ab dem kommenden Jahr in Dienst gestellt. Da der Libanoneinsatz vermutlich auf längere Zeit angelegt ist, können diese nagelneuen Kriegsschiffe schon zum Einsatz kommen.Die USA halten nach wie vor an ihrer Drohkulisse gegen Iran fest und schließen einen Krieg nicht aus - der israelische Minister Jacob Edri ist von der Notwendigkeit dieses Krieges sogar überzeugt. Eine deutsche Truppenpräsenz vor Libanons Küste könnte Deutschland auch "nolens" in einen größeren Krieg hinein ziehen. Frau Merkel wäre, als sie noch nicht Kanzlerin war, gern beim US-Krieg gegen Irak mitmarschiert. Ob ihr damaliger Traum sich nun gegen Iran erfüllt? Er geriete zum Alptraum - für alle Beteiligte.«



Und ebenfalls an diesem Tag

veröffentlicht die BILD-Zeitung Fotos, die 2003 in Afghanistan deutsche Soldaten von sich selber gemacht haben, eins davon mit dem Schädel eines Toten in der einen Hand und dem eigenen Penis in der anderen. – Am Tag danach berichtet der Fernsehsender rtl von ähnlichen Fotos aus dem Jahre 2004. ...

Der Berufsverband Deutscher Psychologen (BDP) wirft Politik und Bundeswehr vor, die Vorfälle in Afghanistan als Einzelfälle und «Dummen-Jungen-Streich» herunterzuspielen. Ursache sei jedoch der enorme psychische Stress, dem junge und wenig reife Soldaten in Krisengebieten ausgesetzt seien: Je makabrer und tabuverletzender Menschen sich in solchen Situationen verhielten, desto mehr psychischen Druck könnten sie damit abladen. Krieg und die Vorbereitung auf militärische Einsätze führten zu einer Veränderung von Gruppenwerten und Normen. Die Überwindung der angeborenen Tötungshemmung sei eben gerade eine Bedingung und Voraussetzung für einen solchen Einsatz. Mit den Werten, die Soldaten einmal in ihren Familien vermittelt und in ihrer Heimat gelebt hätten, habe dies nichts mehr zu tun. - Mit anderen Worten: Wer junge Männer in den Krieg schickt, kann nicht gleichzeitig erwarten, dass sie Respekt vor toten Feinden haben... Alternativen schließen sich aus.

Unklar war, warum die BILD-Zeitung
diese Bilder nun veröffentlicht. Die Bösen sind doch eigentlich die Taliban-Kämpfer - und die deutschen Soldaten in Afghanistan haben nur die edelsten Absichten, die lautersten Motive und sind bei der afghanischen Bevölkerung äußerst willkommen und beliebt. - Warum nun solche Bilder, wo man inzwischen weiß, wie manche islamistische Fundamentalisten auf Bilder und Karikaturen in europäischen Zeitungen reagieren ?? Oder möchte die Redaktion gerade eben das provozieren, um dann ...?


Tage im Oktober 2006.

Freitag, Oktober 27, 2006

ISAF ist nicht = Enduring Freedom. Aber immer mehr?

Am 7.Oktober 2001 – wenige Wochen nach dem Anschlag auf das WTC in New York vom 11. September 2001 – wurde Afghanistan besetzt. Die von den USA angeführte „Operation Enduring Freedom" (OEF, "andauernde Freiheit") stürzte die Taliban-Regierung als vermutete Förderer des Terrors, die OEF soll Bin Laden und andere Terroristen fangen und die Ausbildungslager von Terroristen zerstören - in Afghanistan, am Horn von Afrika und anderswo. - So die offizielle Variante für die Welt. (Heute weiß man, dass die Vorbereitungen für die Besetzung Afghanistans spätestens bereits im Frühjahr 2001 begannen...).

Der deutsche Beitrag an Enduring Freedom besteht im Wesentlichen aus Marineeinheiten in Dschibuti am Horn von Afrika, aktuell wohl ca. 260 Soldaten.


Etwas völlig Anderes ist

– auf dem Papier – die ISAF (International Security Assistance Force):
Im Dezember 2004 bat die afghanische Übergangsregierung um militärisch abgesicherte Aufbauhilfe. Ursprünglich sollte nur die Einsetzung der Regierung des Operetten-Präsidenten Hamid Karsai in Kabul beschützt werden. Die UNO stimmte zu, der Einsatz liegt jedoch in der Verantwortung der 36 beteiligten Staaten - unter NATO-Führung.

– „Auftrag und Logistik der ISAF sollte von Enduring Freedom getrennt sein: Die ISAF sollte Menschenrechte und Hilfslieferungen absichern. Laut Beobachtern sahen die Afghanen ISAF tatsächlich eher als Hilfseinsatz, Enduring Freedom aber als Besatzungsmacht.“ (FR)
Deutschland ist mit knapp 3000 Soldaten an der ISAF vertreten - nicht mitgerechnet das KSK (Kommando Spezialkräfte) aus Nagold, dessen Einsatz der strikten Geheimhaltung unterliegt: Deutschland stellt damit nach England (knapp 6000 Soldaten) das zweitgrößte ISAF-Kontingent. Der Auftrag lautet:

„Unterstützung der vorläufigen Staatsorgane Afghanistans und ihrer Nachfolgeinstitutionen bei der Aufrechterhaltung der Sicherheit, so dass sowohl die afghanischen Staatsorgane als auch das Personal der Vereinten Nationen (inkl. ISAF) und anderes Zivilpersonal (insb. solches, das dem Wiederaufbau und humanitären Aufgaben nachgeht) in einem sicheren Umfeld arbeiten können, und Sicherheitsunterstützung bei der Wahrnehmung anderer Aufgaben in Unterstützung des Bonner Abkommes“. - So steht es auf der Taschenkarte eines jeden ISAF-Soldaten. (nach Wikipedia).

Trotz ISAF und OEF verschlechtert sich die Lage nach fünf Jahren immer mehr. Die Hauptstadt Kabul bleibt trotz der wirtschaftlichen Verbesserung nur eine Insel im Land. Korruption, Rauschgiftanbau und -handel, Herrschaft von starken Warlords und Stammesmilizen bestimmen unvermindert in allen Landesteilen das politische und gesellschaftliche Leben. Und die Taliban melden sich verstärkt und nachdrücklich mit Selbstmordattentaten zurück, sie führen vor allem im Süden und im Osten an der Grenze zu Pakistan Krieg gegen die westlichen Verbände. Auch im Norden, wo sich die deutschen Truppen überwiegend befinden, nehmen die Anschläge zu. Soldaten des deutschen KSK sind aber verdächtigt, an Folterungen im Süden Afghanistans beteiligt gewesen zu sein. „Die Lage ist nicht stabil und nicht ruhig! Und bei jeder Verschärfung der Lage folgt fast automatisch eine allein militärische Reaktion, die mit immer mehr Soldaten und immer schwereren Waffen militärische Überhand gewinnen will, aber an den tatsächlichen Anforderungen vorbeigeht“. (FR)


Bei einem Luftangriff der ISAF

sind am Dienstag, (25.10.06) in der südafghanischen Provinz Kandahar Dutzende Menschen getötet worden. Ein Mitglied eines Provinzrats sagte am Donnerstag, im Bezirk Panjwaji in der Provinz Kandahar seien am Dienstag 80 bis 85 Zivilpersonen getötet worden. Der Dorfbewohner Karim Jan sprach von 60 bis 70 Toten. Ein Behördensprecher nannte eine Zahl von mindestens 60 Toten..

Für die NATO-Allianz ist der ISAF-Einsatz in Afghanistan ein Aushängeschild.