Mittwoch, Dezember 15, 2004

Unser Gas und Öl aus Russland

Die russischen Öl- und Gasvorräte haben eine große strategische Bedeutung für unserern heimischen Markt. Von Russland unter seinem Freund Wladimir Putin erhofft sich auch Kanzler Gerhard Schröder eine dauerhafte Sicherheit bei der Versorgung Deutschlands mit Energie. Das ist ja an sich nichts Schlechtes. [Dass daneben auch die neue deutsche Bundeswehr den offiziellen Auftrag hat, unseren Rohstoff-Nachschub weltweit abzusichern, vom Rhein bis an den Hindukusch, das lassen wir an dieser Stelle jetzt mal außen vor...]

Und Kanzler Schröder möchte natürlich nicht den US-Konzernen das ganze (Öl- und Gas-) Feld überlassen, nachdem wir Deutschen zuletzt in Irak draußen vor der Tür bleiben mussten.

Tyumen-Oil (TNK), der größte russische Ölproduzent, ist der erste russische Ölkonzern mit westlichem Management, sein Präsident heißt Robert Dudley. Die Verträge mit Tyumen Oil über die Gründung eines britisch-russischen Gemeinschaftskonzerns wurden schon im Sommer 2003 in London unterschrieben. BP/Aral zahlte etwa 6 Milliarden Dollar bar und in Aktien für 50 Prozent am drittgrößten russischen Ölkonzern TNK und hat jetzt dort auch das Sagen. Vorstands-Chef Robert Dudley kommt, wie ein großer Teil des Top-Managements, von BP. Eingefädelt wurde der Deal - mit persönlicher Erlaubnis von Russlands Präsident Wladimir Putin - von dem russischen Oligarchen Mikhail Fridman. Der 39-Jährige ist Chef der russischen Firmengruppe Alfa, der TNK mehrheitlich gehörte. Als Aufsichtsrats-Chef ist Fridman bei TNK-BP jetzt für die Kontakte in die Politik zuständig.

Währenddessen sitzt der Chef des konkurrierenden russischen Energie-Konzerns Jukos, Michail Chodorkowskij, seit Monaten im Gefängnis. Am 19.12. 2004 kommt Jukos in Moskau unter den Hammer. Filetstück von Jukos ist die Tochter Yugansknefte-Gas (YNG). Man sagt, die Deutsche Bank habe unlängst dem russischen Gas- und Staatskonzern Gazprom einen Kredit gewährt, damit dieser bei der Versteigerung genug Geld hat, um YNG erwerben zu können. Und Gazprom gehört (zu 51%) dem russichen Staat.

Eine Hand wäscht dann die andere...

(siehe auch http://de.biz.yahoo.com/030707/85/3izkf.html)





Bushs "Christliche Taliban"

Robert F. Kennedy jr. ist der Sohn des 1968 ermordeten Justizministers Robert F. Kennedy und Neffe des 1963 ermordeten US-Präsidenten John F. Kennedy. Er ist 50 Jahre alt, Jurist und Professor für Ökorecht an der Pace-Universität in New York.

Kennedy sieht die us-amerikanische Presse heute von "christlichen Taliban beherrscht. Von rechtsextremen fundamentalistischen Häretikern". Allein mit der "Los Angeles Times" im Westen der USA und der "New York Times" an der Ostküste der USA dagegen zu halten, sei so gut wie unmöglich. - "Rechte, fast schon rechtsextreme Gruppen kontrollieren alle 5000 amerikanischen Fernsehsender, die 15.000 Radiostationen und 80% unserer Printmedien."

In der US-Regierung sitzen heute, so Kennedy, überall "Lobbyisten der gierigsten und zerstörerischsten Industrien in politischen Spitzenpositionen. Der Chef der Waldbehörde war vorher Lobbyist der Holzindustrie. Der Chef der Landschutzbehörde kommt aus der Bergba-Industrie. Der oberste Wächter über die Qualität unserer Luft war ein Lobbyist der Energieindustrie. Die Frau, die helfen soll, die bestehenden Umweltgesetze durchzusetzen, half den Umweltzerstörern früher, eben diese gesetze zu umgehen, Die sind doch nicht in den Staatsdienst gegangen, um für das Gemeinwohl zu arbeiten. Ihnen geht es nur darum, die bestehende Gesetze auszuhebeln.
[...] Sie predigen vom freien Markt und kümmern sich in Wahrheit nur um das Wohlergehen ihrer Konzerne. [...] Die Bush-Männer behaupten, für Recht und Ordnung zu stehen. Und dann sind sie die ersten, die die Gesetzesbrecher der Konzerne laufen lassen. Sie bezeichnen sich als Christen. Und brechen ständig alle regeln, die uns der christliche Glaube aufrägt. Uns ist aufgetragen, verantwortungsvoll mit der Erde umzugehen, um sie für künftige Generationen zu bewahren. Wir sollen uns um unsere armen Brüder und Schwestern kümmern. Davon und nicht von Konzernbilanzen, spricht die christliche Lehre. [...]
Wissen Sie, wie ich das nenne? Kapitalismus für die Armen und Sozialismus für die Reichen."
(Interview in "SonntagsBlick", Johannes von Dohnányi, www.blick.ch ).

Samstag, Dezember 04, 2004

Kopfpauschale: Umverteilung von unten nach oben

Die CDU möchte das deutsche Gesundheitssystem duch die Einführung ener Kopfpauschale "reformieren".

In einem Interview mit der taz (3.12.04, http://www.taz.de/pt/.nf/home) äußert sich Uwe E. Reinhardt zur Kopfpauschale. Uwe E. Reinhardt ist seit 1968 Professor für Wirstschaft und Politik an der Universität Princeton und gilt als international anerkannter Experte für die Ökonomie des Gesundheitssystems.
http://www.thirdmil.org/program/tm30pgs/reinhardt.html

"Die Ziele dieser Reform mögen mehr Transparenz der Finanzierung, mehr Wettbewerb und eine höhere Effizienz sein - aber faktisch scheint mir die Kopfpauschale, wie sie in Deutschland jetzt diskutiert wird, eine Strategie zu sein, die die Gutverdienenden entlastet und die unteren Mittelschichten belastet. Also genau das, was leider auch hier in den USA passiert. Nur die Allerärmsten bekämen ihre Gesundheitsversorgung dann vom Staat bezahlt. Ich finde, wer für die Kopfpauschale ist, sollte diesen Umverteilungseffekt ehrlich zugeben."

Auch der "Christ" und "Sozialdemokrat" Tony Blair betreibt in Großbritannien seit langem diese Politik. Dort wurde das Gesundheitssystem so "reformiert", dass zwar die Allerärmsten besser durch den Staat abgesichert sind als zu Zeiten der konservativen Regierung, die Mittelschichten werden aber immer stärker belastet und die Wohlhabenden entlastet.

Auch im Gesundheitsbereich setzt sich so der Trend zur Spaltung der Gesellschaften in Arme und Reiche und die Auflöung der Mittelschicht fort. Wer jetzt noch in der Mittelschicht sicher aufgehoben ist, fragt sich: Wo werde ich in Zukunft sein? - Oben oder unten? Das führt einerseits zur verschärften Ablehnung von Minderheiten (siehe blog "Deutsche Zustände"), andererseits zur Entsolidarisierung der Bevölkerung und zu verstärkten Anstrengungen des Einzelnen, einen Platz auf der sicheren Seite zu erhaschen....




"Deutsche Zustände". Erst kommt das Fressen, dann die Moral...

... sagte Bertold Brecht. Auf drastische Art interpretierte er damit die These von Karl Marx, dass das Sein das Bewusstsein prägt:

Fast 60% der Deutschen sind der Meinung, dass "zu viele Ausländer in Deutschland" leben. Zwei Jahre zuvor waren es 5% weniger, die so dachten.

9% mehr als vor zwei Jahren stimmen dem Satz zu: "wenn Arbeitsplätze knapp werden, sollte man die in Deutschland lebenden Ausländer wieder in ihre Heimat zurückschicken."

"Es ist ekelhaft, wenn Homosexuelle sich in der Öffentlichkeit küssen" meinen 37% der Bevölkerung, ebenfalls 5% mehr als vor zwei Jahren.

Und über 10% sagen: "Juden haben in Deutschland zu viel Einfluss" (vor zwei Jahren 6,9%).
62% der Deutschen sind es leid, "immer wieder von den deutschen Verbrechen an den Juden zu hören".

»Deutsche Zustände«, erschienen am 15.12.04 im Suhrkamp Verlag, heißt die neue Studie des "Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung", dessen Leiter Prof. Dr. Wilhelm Heitmeyer ist.
Sie zeigt auf, dass in Deutschland die Zahl der Menschen, die etwas gegen Ausländer, Juden, Homosexuelle und/oder Obdachlose haben, in den letzten zwei Jahren gestiegen ist.

Warum ist das so? Dieses sonst eher in der politischen Rechte erwartete Gedankengut nimmt immer mehr zu bei Leuten, die sich selber eher in der politischen Mitte einordnen.
Die Mittelschichten in Deutschland sind wirtschaftlich bedroht. Menschen, die sich noch vor einigen Jahren ökonomisch abgesichert und anerkannt fühlten, weil sie z.B. einen Job bei einer Weltfirma hatten/haben, bei Opel oder Siemens, bei Daimler oder Hewlett&Packard, merken plötzlich, dass auch ihre Arbeitsplätze bedroht sind, durch verschärfte Rationalisierung und durch die Verlagerung der Produktion in den Osten. Wer sich selber in seiner wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Position bedroht fühlt (Heitmeyer nennt das "soziale Desintegrationserfahrung"), wer soziale Spaltung der Gesellschaft erfährt, ("Aldi oder Armani?"), der wertet andere Gruppen menschenfeindlich ab. Indem ich eine Gruppe abwerte, erreiche ich für mich, dass ich mich und meine eigene Gruppe aufwerte, mir als etwas Besseres vorkomme.

Einen Ausweg sieht Heitmeyer aus seiner sozialpsychologischen Sicht darin, die Desintegrationserfahrung und das Gefühl fehlender Anerkennung der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen zu verringern.

http://www.uni-bielefeld.de/ikg/




Arbeitsplätze verlagern = Internationale Solidarität

Prof. Dr. oec. Friedhelm Hengsbach, geboren 1937 in Dortmund, ist Professor für christliche Gesellschaftsethik an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen und Leiter des Oswald von Nell-Breuning-Instituts.
http://www.st-georgen.uni-frankfurt.de/nbi/inst/MitInnen.html
Jüngst sprach er vor den von Entlassung und Werksverlagerung bedrohten ArbeiterInnen des Opelwerks in Bochum und erntete mit seinen Thesen resigniertes Schweigen: Hengsbach sagte, gerade die Verlagerung von Produktionsstätten ins Ausland, um Herstellungskosten zu senken oder Absatzmöglichkeiten zu erhöhen, sei eine "Frage der Solidarität und ökonomischen Vernunft". Jede Verlagerung ins Ausland schaffe dort Kaufkraft und Wachstum. "Das Festhalten an Arbeitsplätzen, die eigentlich verlagert werden müssten, bedeutet eigentlich einen Arbeitsplatzverlust", sagte Hengsbach. Produktionsstätten im Ausland fördern den gegenseitigen Handel und erhöhen damit den Wohlstand auf beiden Seiten.
Er schlug den Ersatz von Industriearbeitsplätzen vor und sieht vor allem in der Bildung und Gesundheit einen großen Bedarf an Arbeitskräften und -gelegenheiten. Statt in der Produktion hält er Beschäftigung in "neuen, kombinierten öffentlichen und privaten Dienstleistungen im menschennahen Bereich" für aussichtsreich.

Freitag, Dezember 03, 2004

Ukraine - Die anderen Clans möchten auch mal ran...

Der Aufstand in der Ukraine ist nur oberflächlich betrachtet ein Kampf zwischen bürokratischem autoritärem Staat und und fried- und freiheits-liebender in orange gekleideter Bevölkerung...


Ein bisschen erinnert der Aufstand in der Ukraine an die
Situation in Mittelamerika vor 150 Jahren
.


Damals kämpften dort - wie heute in der Ukraine - in Nicaragua Oligarchien gegeneinander um die politische Herrschaft. Der Streit um die Herrschaft in Nicaragua - einem Land in einer geopolitisch und militärisch bedeutsamen Region - begann mit der Unabhängigkeit nach dem Ende der spanischen Kolonialherrschaft. 1821 ging die Macht von den Spaniern über auf eine konservative Aristokratie von ehemaligen Kolonialverwaltern und Großgrundbesitzern; der eingespielte Verwaltungsapparat der Kolonialmacht kam in die Dienste dieser neuen Herren. Diese Gruppe der Großgrundbesitzer organisierte sich politisch in der "Konservativen Partei", ihr geographisches Zentrum war die Stadt Granada.
In Opposition dazu stand die sich bildende neue wohlhabende Klasse, das Handelskapital, das an der Macht teilhaben wollte. Ihr geografisches Zentrum war die Stadt León und ihr politischer Arm die "Liberale Partei". Die Liberale Partei schreckte nicht davor zurück, an Stelle der Spanier eine neue aufstrebende fremde Großmacht (die USA) ins Land zu rufen im Kampf um die Präsidentschaft und die Pfründe im Lande. - Die "Liberale Partei" regierte schließlich, unterstützt von US-Regierung und US-Konzernen, bis ihr letzter Vertreter, der Diktator Somoza, 1979 von der sandinistischen Revolution gestürzt wurde...


Und in der Ukraine?
Nach dem Zerfall der Sowjetunion rissen sich dort (und anderswo im Ostblock) verschiedene Unternehmer die riesigen Staatsbetriebe unter den Nagel; die Parteien im Parlament gründeten sie, um neben wirtschaftlicher Macht auch politische Macht aufzubauen und ausüben zu können. In der Bevölkerung sind die politischen Parteien kaum verankert. Der Parlamentarier Poroschenko zum Beispiel, der jetzt Juschtschenko unterstützt, den Präsidentschaftskandidaten der aufständischen Opposition, gehört zu den reichsten Männern der Ukraine und ist Herr über etwa fünfzig Unternehmen. Und Julia Timoschenko ist nicht nur Volktribunin des Aufstandes und viel umjubelte Rednerin, sondern nebenbei noch Erdölmilliardärin.

In Russland achtet Putin darauf, dass die Bosse der Wirtschaftsunternehmen ihre Finger aus der Politik lassen; sie durften reich und reicher werden, Putin ließ sie gewähren, so lange sie sich nicht in die Politik einmischten. Sobald die Chefs der Konzerne politische Ambitionen entwickelten, wurden sie von der Regierung gnadenlos verfolgt und mit Hilfe der Steuerbehörden ins Gefängnis gebracht. Beispiel: Michail Chodorkowskij, der Gründer des Energie-Konzerns Jukos. Alles ganz legal. -
Ähnlich ging es Julia Timoschenko in der Ukraine: Auch sie landete wegen Steuervergehen einige Zeit in Untersuchungshaft.

Anders als in Russland haben es die aufständischen Oligarchen in der Ukraine nun geschafft, große Teile der Bevölkerung zu mobilisieren. Juschtschenkos "Komitee zur nationalen Rettung" besteht aus Parlamentsangehörigen der unterschiedlichsten Parteien, christlich-konservativen, wirtschaftliberalen und eher links stehenden. Einig sind sie sich darin, den herrschenden Präsidenten loszuwerden. Und wenn sie es geschafft haben, .....