"Hast du auch grün gewählt?"
Er antwortete:
"Nein, ich habe noch nie FDP gewählt."
Erst dache ich:
Er hat meine Frage nicht verstanden.
Dann dämmerte es mir so langsam, dass ich die Antwort nicht verstanden hatte. ...Es war eine prophetische Antwort, aber auch Ende der 1970er Jahre hätte man die Antwort schon verstehen können. Zumindest bei uns in Baden-Württemberg. Denn:
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Zum Beispiel ...
1984 in Tübingen: Grüne Wälder, Hirsche und Natur. |
"Im September 1979 gehörte Wolf-Dieter Hasenclever zu den Gründungsmitgliedern der baden-württembergischen Grünen und wurde deren erster Landesvorsitzender. Hasenclever war ebenfalls Gründungsmitglied der grünen Bundespartei. 1980 zog er als Abgeordneter des Wahlkreises Tübingen in den Landtag von Baden-Württemberg ein. 1983 trat er vom Fraktionsvorsitz zurück. (Sein Nachfolger als Fraktionsvorsitzender wurde Winfried Kretschmann.) - ...
Nach der verlorenen Oberbürgermeisterwahl 1999 in Tübingen zog er nach Berlin, wo er Partner in einer Unternehmensberatung wurde. Im Jahr 2001 trat er bei den Grünen aus und der FDP bei. Seinen Schritt begründete er mit der mangelnden Reformkraft der Grünen in der Bildungspolitik und der Zusammenarbeit der Berliner Grünen mit der PDS." [Quelle: wikipedia]
Schon Ende der 1970er Jahre hieß es Tübingen: Hasenclever sei ein grün (=ökologisch) angestrichener FDPler; ökologisch engagiert und ein Feind alles Linken, auch nix mit Basis-Orientierung.... Es hat dann ein paar Jahre gedauert, doch nach und nach kam das öffentliche Coming Out: Im Jahr 2001 trat er bei den Grünen aus und der FDP bei.
1980 stand "sozial" noch auf den Wahlplakaten |
Die soziale Frage ging dabei im Lauf der Jahre etwas den Bach runter.
Wahlplakat 1990 |
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Dazu passt eine Meldung über den fairen Handel die neulich durch die Presse ging, auch wenn sie nicht dirket mit der Partei zu tun hat:
Studie zu afrikanischen Landarbeitern
Fairer Handel, niedrige Löhne
Laut einer Studie sind Löhne in Regionen, die von Fairtrade-Erzeugern dominiert sind, niedriger als in Gebieten mit konventionellen Erzeugern.Grüne KonsumentInnen - meist gut verdienend und gut gebildet, wie auch das Klientel der FDP - kaufen fair gehandelte Produkte "ausgesuchter Provenienzen" und zahlen einen fair(er)en Preis. Die grünen Kaffee-Bauern bauen ihren Kaffee ökologisch an, damit schützen sie ihre ArbeiterInnen vor Pestiziden und bekommen mehr Geld für ihren Kaffe - das ist die gute Seite der Medaille. - Aber an die fairen Löhne für die LandarbeiterInnen der Kaffee-Bauern wurde nicht gedacht. -Die Fairtrade-Organisationen etwa in Deutschland oder Großbritannien werben damit, dass sie mit den höheren Preisen, die die Verbraucher zahlen, bessere Bedingungen für Bauern und Arbeiter in Entwicklungsländern sicherstellten. Deshalb müssten Importeure bei den meisten Produkten einen festgelegten Mindestpreis garantieren. Dazu komme eine Fairtrade-Prämie, die die Produzentenorganisationen in soziale und wirtschaftliche Projekte investierten. [...]
Kaffee-Plakat 2010
Der Verkauf von Produkten mit dem Fairtrade-Siegel verbessert einer neuen Studie zufolge nicht die Lebensbedingungen der Landarbeiter in Äthiopien und Uganda.
"Wo Fairtrade-Blumen angebaut wurden, und wo Farmergruppen Kaffee sowie Tee auf Fairtrade-Märkten verkauften, waren die Löhne sehr niedrig“, erklärte das durch die britische Regierung finanzierte Autorenteam von der University of London. Diese seien „normalerweise höher in vergleichbaren Gebieten und bei vergleichbaren Arbeitgebern gewesen, die die gleichen Produkte erzeugt haben, aber bei denen es keine Fairtrade-Zertifizierung gab.“ [Quelle]
- Gibt es eigentlich viele LandarbeiterInnen, die grün wählen (würden)? ________________________________________________
Muss man jetzt wieder sozial-demokratisch wählen?
Wahlplakat um 1946 |
Wahlplakat 1914 |
Quelle: Marc-Uwe Kling 2009 |
Die Partei der GRÜNEN hatte sich gegründet, weil die SPD es Anfang der 1980er mit der Friedensbewegung (Helmut Schmidt) versch.... erzt hatte, die Umweltbewegung vernachlässigt hatte und mit Kanzler Schröder und den Hartz-IV-Gesetzen sich dann auch noch den sozialen Bewegungen und den Gewerkschaften entfremdete.
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Die GRÜNEN punkteten bei ihrer Gründung mit den Schlagworten:
Ökologisch - Basisdemokratisch - Sozial - Gewaltfrei.
- Ökologisch: Ist noch da. Green Deal, Veggie-Day ;-)
- Basisdemokratisch: Nun ja, da war einmal.
- Sozial: Siehe oben.
- Gewaltfrei: Hatte sich mit Joschka Fischer im Jugoslawien Krieg erledigt.
Gabriel Richard-Molard, ein junger Politikwissenschafter und Jurist, schreibt im Juli 2014:
"Die neue Generation der Grünen hat letztendlich auf ihre sozialdemokratische Wurzeln verzichtet und vertritt nun die Ideen eines ökologischen Konservatismus in der freien Marktwirtschaft....Da ist viel dran. -
Für uns, die im linken politischen Spektrum angesiedelt sind, sind die Realos oder Reformisten, wie man sie in Frankreich nennt, diejenigen, die durch eine vermutliche Affinität zur freien Marktwirtschaft den Fokus mehr auf die Wettbewerbsfähigkeit als auf das Schließen der Schere zwischen Arm und Reich setzen. Diese Neukonvertierten verwechseln leider zuungunsten des normalen Volkes die Förderung und den Respekt gegenüber der Unternehmerschaft mit der Interessenvertretung für die Reichsten. ...
Die EU-Bürger wollen vor allem eine gerechte Verteilung des Reichtums und der Arbeitsstellen, so die Ergebnisse zahlreicher Sozialbewegungen in Europa und der Welt. ...
Und die entscheidend wichtige Lehre ist, dass die wachsende Umverteilung des Reichtums die Zukunft einer Gesellschaft aufs Spiel setzt und zwangsläufig zu Gewinnen bei den extremen Kräften führt (heute Europa und morgen Deutschland)." [Der ganze Text in der taz vom 4. Juli 2014]
Muss man also wieder SPD wählen? Oder fällt man dann nur wieder auf Partei-Rhetorik rein?("Wer wird uns verraten? - Und warum?")
Der Autor Mathias Greffrath spricht (auch in der taz) hartnäckig von den "drei sozialdemokratischen Parteien". Er meint wohl SPD, LINKE und GRÜNE, wobei es wohl nicht wirklich zutreffend wäre, die Grünen als sozialdemokratisch einzuordnen. Sei`s drum. Er schreibt weiter:
"Parlament und Presse wenden der Zukunft den Rücken zu - wie soll da aus sozialdemokratischer Braunkohle, Schimären vom grünen Wachstum und linker Rechenschwäche ein gemeinsames Projekt entstehen?
Ich bin sicher, die linke Meinungsführerschaft könnte neu gewonnen werden, wenn die drei Sozialdemokratien mit Projekten wie
- einem hypermodernen, aber dezentralen Energiesystem,
- einem Umbau der sozialen Sicherungssysteme auf Steuerfinanzierung,
- einem kommerzfreien Pflegesystem,einer Entföderalisierung
- und Entbürokratisierung des Bildungswesens
in die Wahlkämpfe ziehen würden."Könnte wohl sein ...