Mittwoch, Oktober 07, 2015

Die Flüchtlings-Konferenz von Évian scheiterte. - "Den Flüchtlingswellen folgte ein großer Krieg."


Die Konferenz von Évian
  • fand vom 6. Juli 1938 bis zum 15. Juli 1938 im französischen Évian-les-Bains am Genfersee statt.
  • Vertreter von 32 Nationen trafen sich auf Initiative des amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt, um die Möglichkeiten der Auswanderung von Deutschen jüfischer Religion aus Deutschland und Österreich zu verbessern.
  • Es ging darum, welche Staaten wie viele Füchtlinge aufzunehmen bereit sind. 
  • Die Konferenz scheiterte. 
  • Eine „ungute Parallele“ zu heute sieht Peter Finkelgruen:
„Den Flüchtlingswellen folgte ein großer Krieg. 
Wir haben im Moment eine ähnliche Gefahr.  Da ist die Ukraine, und jetzt will Russland auch noch in Syrien intervenieren. Und die Sache mit dem Iran ist auch noch lange nicht gegessen. Im Nahen Osten droht eine große kriegerische Auseinandersetzung.“ 
Ein Gutes könnte das immerhin haben, scherzt Peter Finkelgruen dass Israelis und Palästinenser näher zusammenrücken – gegen einen gemeinsamen Feind, sei es der IS oder der Iran.[Quelle u.a. taz]
________________________________________________



Peter Finkelgruen wurde 1942 in Shanghai geboren,
wohin seine Eltern aufgrund der NS-Verfolgung geflohen waren:
Einige Flüchtlinge aus Deutschland und Österreich waren in der Lage, Fahrkarten für luxuriöse japanische Dampfschiffe zu erwerben, die Europa von Genua aus verließen.

Die Flüchtlinge beschrieben die dreiwöchige Reise mit reichhaltiger Verpflegung und Unterhaltungsprogrammen angesichts der Umstände als „surreal“. Einige Passagiere versuchten, sich in Ägypten in das britische Mandatsgebiet Palästina einzuschmuggeln.

Die japanische Besatzungsmacht in Shanghai ließ jüdisches Eigentum konfiszieren und verhängte eine Ausgangssperre; zum Verlassen des Ghettos war ein Passierschein notwendig. Der größte Teil der Flüchtlinge kam nach 1937; 1939 wurden die Einreisebestimmungen verschärft, und erst mit dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor im Dezember 1941 wurde eine Flucht in das Ghetto von Shanghai unmöglich. [wikipedia

Quelle: taz Oktober 2015
1943 wurde der Shanghaier Stadtteil Hongkew/Hongkou auf Druck der deutschen Regierung von den japanischen Besatzern zum Ghetto für sogenannte staatenlose Flüchtlinge erklärt (Shanghaier Ghetto),
Eine Schiffsreise nach Israel gerät dem Autor zu einer Reise in die Vergangenheit. Geboren in Schanghai, wohin die Eltern als Juden aus Nazideutschland fliehen mußten, wuchs Peter Finkelgruen in Prag und im israelischen Kibbuz auf. Widerwillig kehrte er als junger Mann mit seiner Großmutter nach Deutschland zurück. Finkelgruen studierte in Freiburg, Bonn und Köln. 1981 wurde er Korrespondent der Deutschen Welle in Israel und leitete dort bis 1988 das Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung. Peter Finkelgruen lebt und arbeitet in Köln.
  • >>> Zum Buch "Erlkönigs Reich". 
  • Ursula Krechels Roman „Shanghai fern von wo“ erzählt „die Geschichte seiner Eltern“. 
  • Joshua Sobols Theaterstück „Schöner Toni“ basiert auf Recherchen zum SS-Mann Malloth (gestorben 2002), der Finkelgruens Großvater Martin im Lager Theresienstadt am Tag der Ankunft erschlug.
    ________________________________________________

Die Konferenz von Évian 1938. 
Die Geschichte wiederholt sich 2015?
Nach der „Machtübernahme“ der Nationalsozialisten in Deutschland 1933 begann die Zahl der deutschen Auswanderer jüdischer Religion stark anzusteigen.

  • Trotz der Wirtschaftskrise in den Aufnahmeländern fanden viele politisches Asyl. 
  • Obwohl die Situation für die jüdischen Deutschen in Deutschland immer schwerer wurde ließ die Bereitschaft zur Aufnahme in den Zielländern nach. 
  • Die Briten erließen im November 1937 zur Beruhigung der gesellschaftlichen Lage in Palästina rigide Aufnahmebeschränkungen für dieses Gebiet.
Die praktische Flüchtlingshilfe dieser Jahre lag weitgehend in den Händen des sogenannten Nansen-Büros (Internationales Nansenamt für Flüchtlingsangelegenheiten), das 1931 vom Völkerbund [Vorgänger der UNO] eingerichtet worden war.
  • Speziell für die deutschen EmigrantInnen wurde 1933 in Lausanne das Hochkommissariat für Flüchtlinge aus Deutschland eingerichtet.
Da 1938 die Flüchtlingsströme von Auswanderern aus Deutschland erneut anstiegen war bald klar, dass es hier einer internationalen Vereinbarung bedurfte, um die immer unerträglicher werdende Situation in den Griff zu bekommen. In dieser Lage übernahmen die Vereinigten Staaten die Initiative und schlugen eine Konferenz vor; als Ort war zunächst Genf, der Sitz des Völkerbundes vorgesehen, doch befürchtete die Schweiz eine Beeinträchtigung ihres Verhältnisses zum deutschen Nachbarn, so dass sich schließlich Frankreich bereit erklärte, die Konferenz auf seinem Territorium in Évian stattfinden zu lassen.

Ursprünglich war nur daran gedacht, die Situation der aus Deutschland fliehenden Menschen jüdischer Religion zu regeln.
Schnell erkannten aber insbesondere nationalistische und antisemitische Vertreter osteuropäischer Staaten die Gelegenheit, auf ihr jeweiliges „Judenproblem” hinzuweisen.
  • Damit standen die möglichen Zielländer vor der Perspektive, nicht mehr lediglich 500.000 deutsche jüdische Flüchtlinge, sondern möglicherweise zusätzlich mehrere Millionen Menschen aus Osteuropa aufnehmen zu sollen. 

  • Der anfängliche humanitäre Impuls geriet so in den Hintergrund,
  • und „Juden” wurden nunmehr weitgehend als „Problem” betrachtet. 

  • Bald wurde klar, dass sich die Aufnahmebereitschaft der meisten Länder in engen Grenzen hielt. 
So erklärten mehrere Konferenzteilnehmer, ihr Land sei grundsätzlich kein Einwanderungsland, andere wiesen darauf hin, dass sie lediglich den Transit von jüdischen Flüchtlingen zulassen könnten; im Übrigen würde eine weitere Zuwanderung lediglich dem Antisemitismus weiteren Auftrieb geben. Die Vereinigten Staaten hielten an ihrer Quote von jährlich 27.370 Einwanderern aus Deutschland und Österreich fest.

Es gab diverse Pläne zur Ansiedlung jüdischer Siedler, so im von der Sowjetunion eingerichteten Autonomen Gebiet Birobidschan oder in der portugiesischen Kolonie Angola. Eine unautorisierte Zeitungsmeldung aus Südafrika nannte Madagaskar als mögliche Zufluchtstätte.
Tatsächlich waren diese Projekte kaum praktikabel. Der Versuch des Diktators der Dominikanischen Republik Rafael Trujillo, sich dadurch zu profilieren, dass sein Land die Einwanderung von 100.000 Juden zugestand, reiht sich in diese Projekte wegen seiner in Frage gestellten Motive ein: Man warf ihm vor, er wolle dadurch von seiner Terrorherrschaft ablenken; außerdem würden rassistische Motive hinter der Entscheidung stehen, da es Trujillo darum gehe, das „weiße” Element in seinem Land durch die Einwanderung zu stärken (tatsächlich gelangten lediglich 600 Juden in die Dominikanische Republik).

  • 15.000 Juden retteten sich nach China, ehe auch dieses Land seine Türen vor den Juden verschloss.  
Letztlich war das einzige konkrete Ergebnis 
die Gründung des Intergovernmental Committee on Refugees, auch Comité d’Évian genannt, das künftig in Kooperation mit Deutschland die Modalitäten der deutschen jüdischen Auswanderung regeln sollte. Dessen Erfolge hielten sich wegen der Weigerung der Völkergemeinschaft, Deutsche jüdischer Religion im Rahmen konkreter neuer Kontingente aufzunehmen, in engen Grenzen. Zudem wurden bereits im nächsten Jahr durch den Kriegsausbruch die Auswanderungsmöglichkeiten erneut drastisch eingeschränkt. (Quelle)

Quellen: Schwäbsiches Tagblatt, taz

Hausaufgabe ;-) :
  1. Was kommt dir irgendwie bekannt vor? 
  2. Suche Parallen zwischen 1938 und 2015.
  3. Finde Unterschiede.
  4. Und diskutiere mit deinen Nachbarn darüber.
  5. Lernt uns das etwas?
  6. Wenn ja: Was? - Wenn nein: Warum nicht?
______________________________________

Quelle

Samstag, Oktober 03, 2015

Wohin wirst DU flüchten? - "Mein altes Motorrad auf der anderen Seite vom See"

  • Ja, es macht Menschen Angst, was zurzeit in Irak und Syrien geschieht.
  • Ja, es macht manchen Menschen Angst, dass zur Zeit so viele Flüchtline nach Deutschland kommen.
  • Ja, es macht Menschen Angst, dass die Welt aus den Fugen zu geraten scheint.  - Scheint?
  • Ist die Angst berechtigt oder ist es nur die viel zitierte German Angst
_______________________________________________
 
 „Die Welt ist aus den Fugen geraten." 
» Eigentlich müsste es heißen: „Die Welt ist noch mehr aus den Fugen geraten", denn Kriege und Elend hat es doch in den letzten Jahrzehnten schon zur Genüge gegeben. In Deutschland bleibt jedoch der Widerhall auf die Weltkrise verhalten.

Noch blüht in der BRD die exportgestützte Konjunktur, 
zum großen Teil allerdings auf Kosten anderer Völker und Staaten;
auch ohne Rücksicht auf das ausgegliederte Fünftel der Menschen im eigenen Land.

So können sich breite Kreise weiterhin dem gewohnten Konsum hingeben, was bekanntlich — und sicher auch nicht ungewollt — politisch einschläfernd wirkt.




Die Stunde der Wahrheit wird kommen
Die zwei Billionen Euro Schulden der deutschen Öffentlichen Hand ( = 2000 Milliarden €  = ca. 27.000 Euro pro Kopf = ca. 53.000 Euro pro Erwerbstätigen in Deutschland) ) wird schon mal jemand bezahlen und vor künftigen Armutsrenten „behüt uns Gott!"

 In Wirklichkeit ist die gegenwärtige Zeit politisch schicksalsschwanger wie selten in den vergangenen Jahrzehnten: Krisen zuhauf und in fast allen Weltgegenden! Wirkliche Lösungen sind nicht in Sicht, im Gegenteil.

Die Folgen in Ausmaß und Schärfe sind, vor allem im Nahen Osten, nicht abzusehen. Kriege und Bürgerkriege haben dort Zerstörung, Chaos und Gewalt kaum vorstellbaren Ausmaßes hervorgebracht, die die Flüchtlingsströme nochmals anschwellen ließen.

Auch Deutschland ist nun stark betroffen. Hat die Bundesrepublik im ersten Halbjahr 2015 400.000 Menschen aufgenommen, so wird bis zum Ende des Jahres mit bis zu einer Million gerechnet.
Noch schlägt den Asylsuchenden – vorwiegend den SyrerInnen – eine ungehante Welle der Sympathie entgegen, 
begleitet von einer Medienkampagne und dem Interesse mancher Unternehmer und "des Kapitals": Billige Arbeitskräfte en masse?
Nach einer Umfrage sollen 38% der Bevölkerung diese Einwanderung jedoch ablehnen.

Die Stunde der Wahrheit wird kommen, wenn die Situation sich zuspitzt, Opfer verlangt werden und die Flüchtlinge als Konkurrenten auftreten. Die innenpolitische Lage könnte sich dann entscheidend ändern.« (Quelle)
_______________________________________________

Frage: Wohin fliehen SIE ? (wenn ISIS oder sonst etwas zu uns kommt ...)

» Und der Verdienst unserer eigenen Generation? Der Grund dafür, dass es uns jetzt um soviel besser geht als zum Beispiel diesen drei afrikanischen Männern, von denen Richard gerade erzählt hat? Nachkriegskinder sind auch sie, die Afrikaner, die da auf dem Sofa sitzen, ...

Die Amerikaner hatten mit der einen Hälfte von Deutschland ihre Pläne gehabt — 
und die Russen mit der anderen Hälfte von Deutschland andere. 

Und weder der materielle Wohlstand auf der einen Seite noch die Planwirtschaft auf der anderen ließen sich durch irgendeine besondere Charaktereigenschaft der deutschen Bürger, die nur das Material der politischen Versuchsanordnung abgaben, erklären.

Worauf also sollte man stolz sein? … Gearbeitet haben sie ihr ganzes Leben, das ist wohl wahr, aber ihnen hat das auch niemand verboten. AIs Blutsverwandte sind sie, die aus dem Osten, schließlich von ihren Brüdern und Schwestern auf der wohlhabenderen Seite der Mauer in die Arme geschlossen worden, aber mit dem Blut waren sie schon geboren, und konnten weder etwas dafür noch dagegen. …
 

Wenn es aber nicht ihr eigenes Verdienst war, 
dass es ihnen so gut ging, war es andererseits auch nicht die Schuld der Flüchtlinge, dass es denen so schlecht ging. Ebensogut könnte es umgekehrt sein. Einen Moment lang reißt dieser Gedanke sein Maul weit auf und zeigt seine grässlichen Zähne.

Sylvia sagt: Ich stelle mir immer vor, dass auch wir noch einmal fliehen müssen, und dann wird uns auch niemand helfen.
Detlef sagt: Rein nach dem Gesetz der Wahrscheinlichkeit. 

Sylvia sagt: Und wohin überhaupt?

Richard sagt: Ich hab schon mal überlegt, mein altes Motorrad auf die andere Seite vom See zu stellen. Wenn es dann soweit ist, hinüberrudern, aufs Motorrad steigen und ab nach Osten. Dahin will bestimmt keiner. Da ist dann noch Frieden. .” ...« (Quelle) 
_______________________________________________

Alternativen


  1. "So können sich breite Kreise weiterhin dem gewohnten Konsum hingeben, was bekanntlich — und sicher auch nicht ungewollt — politisch einschläfernd wirkt."





3.
Pentobarbital

4.

Wikipedia

5.
?????
_______________________________________________

Siehe auch:
"Ja, es macht Menschen Angst, was zurzeit in Irak und Syrien geschieht."

Flüchtlinge - Islam - Homosexualität und die Evangelische Kirche

Boris Palmer: 

[...] »Deutschland braucht jetzt passende Lösungen, um mit dieser riesigen Zahl von Flüchtlingen umzugehen. [...]
Die Schmerzgrenze der ganzen deutschen Gesellschaft wird sich bald zeigen. 
Denn es kommen eben nicht nur Ingenieure und Akademiker zu uns, sondern weitaus mehr Analphabeten. Wir werden einen harten Konkurrenzkampf erleben um Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen, aber auch um Wohnraum mit dem unteren Fünftel der jetzigen Gesellschaft.


[...] Ich beziehe mich da auf den Soziologen Heinz Bude: Wir sind derzeit in der Phase des Flüchtlings-Idealismus, aber wir werden rasch feststellen, dass der nicht trägt. Denn er überfordert ganz Europa. Wir werden zu einer pragmatischen Sicht kommen müssen. [...] 
Derzeit sind über 70 Prozent der Flüchtlinge junge Männer, die ganz andere Vorstellungen von der Rolle der Frauen, der Religion, Meinungsfreiheit, Homosexualität oder Umweltschutz in der Gesellschaft haben als wir Grüne. Machen wir uns nichts vor: Die Aufgabe ist riesig. Es gibt eine objektive Integrations- und Belastungsgrenze.
Dass wir die bisher abstrakt ignorieren konnten, lag nur daran, dass nicht so viele Menschen gekommen sind.[...] «   
(Quelle

Anmerkung:
Es sind nicht nur "geflüchtete junge Männer", die in Deutschland "ganz andere Vorstellungen von der Rolle der Frauen, der Religion, Meinungsfreiheit, Homosexualität oder Umweltschutz in der Gesellschaft" haben, sondern auch manch eingeborene deutsche Ur-Einwohner.  - Oder?
___________________________________












[...] »Nach meinem Verständnis 
soll die evangelische Kirche Beiträge zur Urteilsbildung in einer säkularen und pluralen Gesellschaft liefern. [...]
Quelle: EKHN
Nach meinem Verständnis ist der Kirche vom Kern ihrer Botschaft her ein besonderer Blick aufgetragen. Es geht darum, diejenigen in den Blick zu nehmen, die in irgendeiner Weise an den Rand gedrängt werden, die diskriminiert werden, denen Unrecht geschieht. Das ist der Blick der Propheten Israels in den Büchern des alten Testamentes und das ist der Blick des Jesus von Nazareth.

Wenn sich Kirche äußert, hat sie zum einen zu erläutern, aus welchen theologischen Gründen sie so redet, wie sie redet. In der säkularen Gesellschaft kann und darf aber nicht erwartet werden, dass diese Argumentation von allen geteilt wird. Deshalb hat sie zum
anderen auch zu sagen, warum das, was sie inhaltlich sagt, auch in säkularerer Perspektive für  sinnvoll hält. [...]

Doch der Reihe nach.

Flüchtlinge.
Wer das Thema Flüchtlinge aus der biblischen Tradition angeht, entdeckt, dass die Bibel voll ist von Geschichten zum Thema Flucht und Leben und Überleben in der Fremde. Dem alten Volk Israel ist, weil es selbst ein Volk in der Fremde war, die Sorge um die Fremden besonders ans Herz gelegt. „Den Fremden sollst du nicht bedrücken.“ Jesus selbst sagt in der Rede vom Weltgericht im Matthäusevangelium: „Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen.“ Die biblischen Grundgedanken dabei sind zwei.
  1. Erstens: Bedenke, dass du selbst Fremder sein kannst. 
  2. Zweitens: Im Fremden begegnest du Christus und in ihm Gott. 
Das könnte man nun theologisch sehr vertiefen. Aber all das sind genügend Gründe, warum Menschen, die sich davon ansprechen lassen, sich um Fremde zu kümmern. Wer sagt, man müsse die Flüchtlinge abwehren, um das christliche Abendland zu schützen, hat meines Erachtens Entscheidendes nicht verstanden. Gleichwohl kann natürlich nicht erwartet werden, dass die Argumentation, die sich an der biblischen Botschaft orientiert,von allen nachvollzogen und geteilt wird. Deshalb ist es nötig, sich darüber zu verständigen, dass die Sorge um den Fremden, die Sorge um die Flüchtlinge, ein Gebot der Menschlichkeit ist, die sich auf Artikel 1 unseres Grundgesetzes bezieht.  Und es ist dann natürlich nötig, auch eine gesellschaftliche Verständigung darüber herbeizuführen, wie diese Sorge um den Fremden politisch verantwortlich gestaltet werden kann.
[...]

Islam. 
Ja, es macht Menschen Angst, was zurzeit in Irak und Syrien geschieht.

Ich glaube, wir tun gut daran, zu sehen, dass dies nicht nur Christinnen und Christen Angst macht, sondern auch und vor allem Muslimen in den betroffenen Ländern und hier bei uns.
Ich werbe sehr dafür, dass Menschen sich einen differenzierten und differenzierenden Blick bewahren.
Genauso wenig, wie ich mit irgendwelchen seltsamen christlichen Fundamentalisten in einen Topf geworfen werden möchte, so wenig wollen die allermeisten Muslime hier in unserem Land etwas mit dem zu tun haben, was der sogenannte Islamische Staat als islamische Lehre vertritt. 
 

Als Kirchenmann frage ich mich: 
Was haben wir als Christinnen und Christen zu tun? Immer wieder bekomme ich zu hören – auch und gerade in jenen Reaktionen, von denen ich erzählt habe: Lasst euch nicht täuschen. Kein Schmusekurs mit den Muslimen. Härte gegenüber dem Islam. Gewiss Religionsromantik ist fehl am Platz.

Trotzdem trete ich denen entgegen, die sich in Talkshows und Interviews ein bisschen mehr Kreuzzugsrhetorik wünschen. Ich werbe für das Gespräch. Ich werbe für die Begegnungen – von Mensch zu Mensch. Auch hier argumentiere ich „innerchristlich“ so: Das ist der Weg, den Jesus gewiesen hat – der hat von der Liebe, ja sogar der Feindesliebe geredet. Gesellschaftlich und politisch kann ich auch hier nicht erwarten, dass alle diesen Weg mitgehen. [...]

Homosexualität. 
Vielleicht sind Sie überrascht, hoffentlich nicht verärgert, dass ich diese Abfolge gewählt habe.
Ich sehe eine unselige Verbindungslinie zwischen diesen Themen, die sich in den heftigen Reaktionen ausdrückt, die ich eingangs beschrieben habe.
Immer wieder meinen Menschen, gerade aufgrund der biblischen Tradition und zur Wahrung christlicher Werte, müsse sich Kirche anders positionieren, als sie es tut.
Meine Position zum Thema Flüchtlinge und Islam ist anders.
Ich argumentiere so: Gerade aufgrund der biblischen Botschaft meine ich, so argumentieren zu müssen, wie ich es tue – nämlich für die Offenheit gegenüber Flüchtlingen und für eine Begegnungskultur mit dem Islam. Und so argumentiere ich auch im Blick auf die Homosexualität. Mir und anderen wurde und wird immer wieder vorgeworfen: „Sie stellen sich gegen die Bibel! Die Bibel sagt eindeutig: Homosexualität ist ein Greuel (3. Mose 18,22).“ [...] Allerdings und das ist nun hier zu sagen: Auch eine einfache Berufung auf Bibelstellen taugt nicht für ethische Argumentation. Die Bibel ist kein moralisches Rezeptbuch. Was könnte man nicht alles mit der Zitation von einzelnen Bibelstellen begründen! Es geht um mehr. [...] «

Der ganze Text der Ansprache


___________________________________

Das Kunstprojekt „Engel der Kulturen“ setzt sich für ein friedliches Miteinander der Religionen ein.

„Der Engel ist ein Symbol des Friedens und der Gemeinsamkeit“, sagt Carmen Dietrich. Bereits in über 80 Städten in ganz Europa hat sie gemeinsam mit ihrem Partner Gregor Merten das Kunstprojekt „Engel der Kulturen“ verwirklicht.

Quelle