Sonntag, Mai 30, 2021

Die Angst, die Brandmauer und die politische Respektabilität. "...dass die AfD stärkste Partei wird" - Zunächst in Sachsen-Anhalt.

Des einen Freud ist des anderen Leid. 

"WIR können nicht wollen, dass eine rechtsradikale Partei in einem deutschen Landtag stärkste Partei wird." (Sagte der CDU-Kanzlerkandidat und Vorsitzende (leicht genervt) im Interview im Deutschlandfunk. - Wer ist WIR?

Keine Angst, dass die AFD stärkste Partei wird.

  • Die ca. 25%, die i.d.R. die AFD in Sachsen-Anhalt wählen, werden sich freuen, wenn die AfD stärkste Partei im Landtag ist.  -
    In diesem Viertel der Wahlberechtigten befinden sich (auch zahlreiche) Menschen, die die AfD nicht wählen, obwohl sich  waschechte "Rechtsradikale (Neo-Nazis)" in der AfD sind, sondern weil auch ebensolche in der AfD sind: Eine Oberbürgemeisterin aus den "neuen" Bundesländern  schätzt, dass das in ihrer Stadt 60% von den 25% AfD-WählerInnen sind.

    Dazu kommen Protest-WählerInnen, plus konservative WählerInnen, die früher CDU gewählt hatten, dann aber von Merkels liberalisierter CDU enttäuscht waren (z.B. wegen der Migrationspolitik im Jahre 2015, wegen der Coronamaßnahmen 2020/21; "Merkel muss weg" ...) plus Menschen, die Provokation und Konfrontation statt parlamentarische Aussöhnung und Kompromiss suchen ("Trump-Effekt").

Alice Weidel und Tino Chrupalla, die die die AfD in den Bundestagswahlkampf führen, werden sich wahrscheinlich auch freuen. 

Der Hauptstadtkorrespondent des MDR meint übrigens:

Überraschen kann das Ergebnis der Urwahl für das AfD-Spitzenduo nicht. Alice Weidel und Tino Chrupalla waren die Favoriten. Interessant ist allerdings der Abstand zwischen den beiden Kandidatenpaaren, denn es erzählt viel über die Mehrheitsverhältnisse in der AfD. Fast drei Viertel votierten für Weidel/Chrupalla. Beide gelten zwar nicht als eindeutige Flügelleute, aber sie werden vom angeblich aufgelösten Flügel um Björn Höcke getragen.

Also wird sich wohl auch Herr Höcke freuen.

Die Brandmauer. Und wer freut sich wahrscheinlich nicht? 

Alles, was "links" ist, (im weiteren Sinne),  wird sich nicht freuen.
Doch auch Herr Laschet und "die"(?) CDU nicht, denn natürlich möchte die "christliche" Partei selber regieren und den Ton angeben, ihre Mandate und die Regierungs-Macht sichern.
Jedoch: Viele WählerInnen liefen ihr davon in Richtung AfD. - 

Was könnte die CDU tun? 

Sie könnte schimpfen über die Ossis, wie der Ostbeauftragte der Bundesregierung, CDU-Mann Marco Wanderwitz:

„Wir haben es mit Menschen zu tun, die teilweise in einer Form diktatursozialisiert sind, dass sie auch nach dreißig Jahren nicht in der Demokratie angekommen sind“, sagte Wanderwitz in einem FAZ-Podcast.

Sie, die CDU, könnte nach der Landtagswahl auch mit der AfD koalieren. Aktuell "tut man das nicht", das gehört sich (noch?) nicht:
Es gibt die oft genannte Brandmauer zwischen den konservativen Parteien und den Rechtsextremen. Doch diese bröckelt. Einige CDU-lerInnen aus der mittleren Führungsetage denken hörbar über eine schwarz-blaubraune Koaltion nach. So hört man. Zum Beispiel die beiden Vize-Fraktionschefs der CDU-Fraktion im Landtag, die dazu auch eine neunseitige "Denkschrift" verfasst haben: Im Wortlaut.

Diese Brandmauer wurde nach dem 1. Weltkrieg auch in Italien von den konservativen Parteien gegenüber der "National-Faschistischen Partei" (PNF) der italienischen Faschisten beschworen. 

________________________________

Respektabilität 

Aber nur bis 1922.
Benito Mussolini war es gelungen, die Faschisten (so nannten sie sich selber) Fasci di combattimento vor der Parlamentswahl am 15. Mai 1921 in einen bürgerlichen Wahlblock zu integrieren. Der bürgerliche "nationale Block" umfasste alle Parteien mit Ausnahme der Sozialisten, der Kommunisten und der katholischen Volkspartei.
Für Mussolini persönlich bedeutete dieser Erfolg den Eintritt in die von den alten Eliten definierte Zone der „politischen Respektabilität“. Zusammen mit Mussolini, der bei den Wahlen an der Spitze der Listen des nationalen Blocks in Mailand und Bologna platziert worden war, zogen 34 weitere Faschisten in die Abgeordnetenkammer ein.
Ab da war die PNF in einer Koalition mit konservativen Partein und
Mussolini als Ministerpräsident an der italienischen Regierung beteiligt. Von 1926 bis 1943 war die PNF dann die diktatorische Staatspartei des faschistischen Italien. ... 

Siehe auch:
Benito Amilcare Andrea Mussolini
Das Vorbild für Hitler ein Jahrzehnt später in Deutschland:

Repektabilität: Adolf Hitler
mit dem ehemaligen Reichskanzler Franz von Papen
im März 1933.

Das Kabinett Hitler stellte anfangs im Wesentlichen eine Koalitionsregierung aus NSDAP und Deutschnationaler Volkspartei (DNVP) dar, an der auch weitere nationalkonservative bis völkisch orientierte Politiker des rechten Rands beteiligt waren. Diese Koalition besaß im Reichstag keine Mehrheit. Erst die gewaltsame Verfolgung der Kommunisten mit Hilfe der Reichstagsbrandverordnung vom 28. Februar 1933 und die Reichstagsneuwahlen vom 5. März 1933 änderten die Lage: NSDAP und DNVP verfügten nunmehr über eine Mehrheit, doch nach der Verabschiedung des Ermächtigungsgesetzes am 24. März 1933 – das der Regierung auf vier Jahre diktatorische Vollmachten einräumte – wurde auch der konservative Koalitionspartner DNVP überflüssig und nach der Selbstauflösung traten deren Abgeordnete der NSDAP bei. 

Auch die Deutschnationale Volkspartei hatte zuvor hoch und heilig versprochen, niemals mit der NSDAP zu koalieren oder zu kooperieren. 

So kann`s gehen .... So ging das ... (Quelle)

________________________________

Quelle: tageszeitung 26. Mai 2021)

Und die "Linke" (im weiteren Sinne): Hat Angst und hofft.

Eine Landesleiterin des DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund) zur tageszeitung eine Woche vor der Wahl in Sachsen-Anhalt: 
  • "Unsere große Angst ist, dass die AfD stärkste Partei wird, auch weil die CDU schwächelt".
Und was tut sie dagegen?
  • "Ich hoffe ganz fest, dass das nicht passieren wird und die CDU weiterhin zu ihren klaren Beschlüssen steht."
Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Sagt man, wenn jemand auch in schwierigen oder sich verschlechternden Situationen nicht aufhört, an den positiven Ausgang oder die positive Wendung einer Sache zu glauben.
 
Siehe auch:
und:

Die Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht ist der Ansicht, „Lifestyle-Linke“ bereiten Sozialabbau und Rechtspopulismus den Weg. Ein Interview.

Oder

 dieses Interview als Video aus Anlass der Leipziger Buchmesse 2021. (67 Minuten)


Samstag, Mai 29, 2021

Zwangslandung in Wien: Keine Flugverbote und Sanktionen. Morales, Snowden, Roman Protassewitsch, Minsk.

 Nach Zwangslandung in Wien: Keine Flugverbote und Sanktionen

Nach der Zwangslandung eines Flugzeugs in Wien ist das Verhalten Österreichs Hauptthema eines EU-Gipfels.

BRÜSSEL| Die Europäische Union (EU) denkt jedoch nicht daran, Druck auf die USA, Portugal, Frankreich, Italien und Spanien auszuüben oder Sanktionen gegen diese Länder einzuleiten. Auch soll der westeuropäische Luftraum für Fluggesellschaften aus diesen Ländern nicht gesperrt, so wie die Investitionen in Höhe von mehreren Milliarden Euro in diese vier EU-Länder nicht gestoppt werden. Details sollen in den nächsten Tagen folgen.

Mehrere Nato-Staaten – allen voran die USA, nachgeordnet dann Portugal, Frankreich, Italien und Spanien, hatten sich abgesprochen, um den amtierenden Präsidenten Boliviens vom Himmel zu holen. Aus Bolivien und Südamerika wurde der Vorwurf erhoben, dass durch die kurzfristige Kettensperrung mehrerer nationaler Lufträume der Absturz des Morales-Jets zumindest billigend in Kauf genommen wurde. 



 

Präsident Morales:

„Glücklicherweise wurde uns genehmigt, in Wien zu landen. Ich denke, dass uns Österreichs Präsident und Regierung das Leben gerettet haben.“
Evo Morales weiter:
„Ich glaube, das war eine Strafaktion der USA und einiger europäischer Verbündeter. Sie hatten mir ja vorgeworfen, diesen jungen Aktivisten, Edward Snowden, an Bord zu haben. Ich war von den Erdöl exportierenden Staaten nach Russland eingeladen worden. Als alle Treffen vorbei und der Gipfel beendet war, reiste ich wieder ab, aber als wir nahe Lissabon landen wollten, war mir das nicht möglich, es wurde verboten. Auf einmal hieß es, wir dürften nicht nach Italien, auch nicht nach Frankreich.
Es blieb nur der Weg zurück nach Russland, und ich glaube, der Treibstoff hätte dafür nicht mehr gereicht. Also sagte ich: "Warum bitten wir Österreich nicht, uns wegen eines technischen Notfalls die Landung zu erlauben?" Glücklicherweise wurde uns das genehmigt und so konnten wir in Wien landen. Ich denke, dass uns Österreichs Präsident und Regierung das Leben gerettet haben.

Aber wie konnten die USA mit einem solchen Geheimdienstapparat - der CIA, dem Pentagon, der DEA und allem möglichen anderen - glauben, dass wir diesen Jungen an Bord gehabt hätten? Das kann ich nicht verstehen, denn am Ende geht es darum: Dass es dem Geheimdienstapparat der USA an Intelligenz fehlt.
Und noch eines glaube ich: Wenn Dilma (Rousseff, die Präsidentin Brasiliens) oder Cristina (Fernández der Kirchner, die Präsidentin Argentinien) oder etwa (Kolumbiens Präsident Juan Manuel) Santos geflogen wären und diesen Mann tatsächlich an Bord gehabt hätten, dann wäre niemand eingeschritten. Weil im Flugzeug aber ein Indio saß, musste man uns einschüchtern, damit wir von unserem Antiimperialismus ablassen. Es war eine Entführung der Präsidentenmaschine, so sehe ich das. Unser Delikt ist es, Antiimperialisten zu sein.“  [Quelle]

Während die UNO das Landeverbot in Lissabon, Italien und Frankreich als Rechtsverletzung klar – und wie häufig ohne weitere Konsequenzen – benannte, sehen die jetzt so empörten Akteure keinen weiteren Klärungsbedarf. Auch die Bundesregierung nahm die erzwungene Landung der Morales-Maschine in Wien gelassen.

Auf eine Frage der Grünen-Bundestagsabgeordneten Ingrid Hönlinger antwortete ein Vertreter des Auswärtigen Amtes:
„Die Verweigerung des Überflugs für den bolivianischen Präsidenten Evo Morales durch einige europäische Staaten war weder Gegenstand von Gesprächen der Bundesregierung mit der US-amerikanischen Regierung noch Thema bei Kontakten mit den betreffenden europäischen Staaten."
Nach der Not-Landung der Präsidentenmaschine in Wien und der misslungenen Festnahme des oppositionellen Whistleblowers Edward Snowden, der ja - wider Erwarten - gar nicht an Bord war, könne man gelassen zur Tagesordnung übergehen, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach einem zweitägigen Sondergipfel in Brüssel, bei dem es eigentlich um Russland und um die Klimakrise ging. „Dies war kein Angriff auf die Demokratie“, erklärte von der Leyen. „Dies ist kein Angriff auf die Meinungsfreiheit. Und dies ist kein Angriff der USA auf die europäische Souveränität.“ Edward Snowden müsse auch von Russland nicht ausgeliefert werden. (Quelle)

Die 27 Staats- und Regierungschefs haben zudem alle Fluggesellschaften in der EU aufgerufen, Flüge über Österreich wegen dessen unsolidarischer Landeerlaubnis zu vermeiden. Lufthansa und Air France sind dem bereits nachgekommen. Genehmigungen für das Überfliegen des EU-Luftraums und Zugang zu EU-Flughäfen für österreichische Fluggesellschaften würden ausgesetzt, so der EU-Gipfel.

Mit der geplanten Festnahme Snowdens sollten keine unabhängigen Journalisten, Oppositionspolitiker, Blogger oder Whistleblower wie Bradley Mannings, Julian Assange, eingeschüchtert werden, – auch jene nicht, die im Exil in leben. - Mit dem Fall Roman Protassewitsch sei dies nicht vergleichbar.
  • So (ähnlich) geschehen (oder auch nicht): 2013-2021. In Wien und Minsk und Brüssel. ;-)