Freitag, Januar 28, 2005

Wenn die Aktienkurse steigen, bleibt für den Kindergarten nichts mehr übrig...

Zum letzten Mal zahlte der Energiekonzern eon im Jahre 1998 Gewerbesteuer an die Gemeinde, in der sein Kraftwerk Staudinger steht: Gut 9 Millionen EURO an den Ort Großkrotzenburg in Hessen. Dieser war dadurch einmal eine der reichsten Gemeinden in Hessen. Ab 1999 zahlt der Konzern durch "Steueroptimierung" keinen Cent mehr.

Die Folge:
  • Der Eintritt für das Freibad wurde um 30% erhöht.
  • Die Mieten im Seniorenheim stiegen um 5%.
  • Die Gebühren für den Kindergarten stiegen um 15%.
  • Die Grundsteuer stieg um 21%.
  • Die Hundesteuer wurde verdoppelt.
Und trotz alledem:
Die Gemeinde muss sich Geld pumpen, um die Gehälter ihrer Angestellten zu zahlen.

Merke:
Wenn der Aktionär reicher wird, kommt der Arme auf den Hund.

Anmerkung:
  • Von 1991 bis 2003 stiegen die Steuereinnahmen in Deutschland von ca. 315 Mrd. Euro auf 415 Mrd. Euro.
  • In derselben Zeit sank der Anteil der Körperschaftssteuer an diesen Einnahmen von 6,7% auf 5,8%
  • und der Anteil der Gewerbesteuer von 5,1% auf 2,0%.
Frage:
Wer zahlte die Zeche?
Um wieviel % ist dadurch die Zahl der Arbeitslosen in dieser Zeit gesunken?

Antwort:
Berlin/Nürnberg (AP) Die Zahl der Arbeitslosen hat einem Zeitungsbericht zufolge im Januar erstmals die Fünf-Millionen-Marke überschritten. Die bereinigte Statistik ergebe eine Zahl von 5,037 Millionen Menschen ohne Job, berichtete die «Welt» (Mittwochausgabe). Im Dezember lag sie bei 4,464 Millionen. Auch Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) hatte die Befürchtung geäußert, dass die Arbeitslosenzahl auf über fünf Millionen steigen könnte. Der höchste Stand seit der Wiedervereinigung war nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit bisher im Januar 1998 mit 4,824 Millionen Arbeitslosen erreicht worden.
1. Februar 2005





Sonntag, Januar 23, 2005

Müssen immer weniger Junge immer mehr Alten die Rente sichern?

Ja. Aber eine Gesellschaft, die als Ganzes immer reicher wird, kann es sich im Prinzip trotzdem leisten, die Renten zu zahlen.
Denn die Renten zahlen nicht die Jungen an die Alten, sondern im Grunde wird alles, was erwirtschaftet wird, umverteilt. Es kommt dehalb darauf an, wie hoch die Summe dessen ist, was erwirtschaftet wird.

Die demographische Struktur in Deutschland war zum Beispiel um 1900 sehr viel günstiger als heute: Es gab viel mehr junge Menschen und sehr viel weniger Alte. Und trotzdem ging es den Alten nicht besser. Der Sozialstaat konnte bis heute immer mehr ausgebaut werden, obwohl sich die demographische Struktur verschlechterte. - Und das war deshalb möglich, weil die Arbeitsproduktivität stieg und damit der gesellschaftliche Reichtum insgesamt. Mit diesem Reichtum könnten die sozialen Probleme dann gelöst werden, wenn die Gesellschaft mehr Solidarität zeigt.

Freiheit für die Hühner! - Fordert der Fuchs.

Für ältere Langzeitsarbeitslose gibt es schon lange keinen Kündigungsschutz mehr und trotzdem werden sie nicht eingestellt. In Wirklichkeit geht es den großen Unternehmen und den Parteien CDU/FDP mit ihrer Forderung nach der Aufhebung des Kündigungsschutzes nicht um das Wohl der Arbeitslosen oder gar darum, neue Arbeitsplätze zu schaffen, sondern gerade im Gegenteil darum, Arbeiter und Angestellte leichter entlassen zu können. Und: Die Entlassung der ArbeitnehmerInnen bei Massenentlassungen und der Verlagerung von Betrieben und Betriebsteilen ins Ausland ist für die Unternehmen dann billiger, wenn es keinen Kündigungsschutz mehr gibt.

Jetzt werden den ArbeitnehmerInnen zunehmend mehr allein die Lasten für ihre Rentenversicherung aufgelastet, die Unternehmen werden entlastet, z.B. bei der Riester-Renter mit privater kapitalgedeckter Vorsorge. Man tut so, als solle damit die Autonomie, die Unabhängikeit und Freiheit der Menschen gefördert werden. In Wirklichkeit geht es um die Entlastung der Unternehmen. "Autonomie für die Hühner" - fordert der Fuchs.
Die Löhne stagnieren, Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld wurden gestrichen - die Lasten, die den ArbeiterInnen und Arbeitern aufgebürdet werden, steigen. - Gestrichen wurde immer dort, wo es am einfachsten ist: Bei Behinderten, Langzeitarbeitslosen, Sozialhilfeempfängern, Asylbewerbern... Bei denen, die eigentlich am bedürftigsten sind, weil diese sich am schlechtesten wehren können.
Verkauft wird das unter dem Hochalten so schöner Worte wie Eigenverantwortung, Selbstvorsorge, Privatinitiative. Gefordert wird dies aber de facto nur von denen, die es aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation am wenigsten leisten können.

Missbrauch gibt es.
Der bewegt sich von der Größenordnung her im Promillebereich. Vielleicht sind es auch 2%.
Doch: Alle Studien, die es darüber gibt, kommen zu dem Ergebnis, dass der Missbrauch minimal ist. Die Stadt Hamburg hat vor einiger Zeit die Daten aller 200.000 Sozialhilfeempfänger mit denen des Kfz-Bundesamtes abgeglichen, um herauszubekommen, wer von ihnen ein Auto besitzt. - Natürlich kann man das Auto auch unter dem Namen von Verwandten anmelden. - Aber herausgekommen sind ganze 27 Personen von 200.000, die über ein eigenes Auto verfügen:
Und: Wenn der Sozialstaat missbraucht wird, so heißt das nicht, dass er deshalb abgeschafft werden muss. - Wenn das Telefonnetz von Menschen missbraucht wird, um Verbrechen zu verabreden, so heißt das auch nicht, dass man das Telefonnetz abbauen muss.

Siehe auch
http://www.single-generation.de/wissenschaft/christoph_butterwegge.htm













Sonntag, Januar 09, 2005

Die Sozialleistung als Bonbon?

Viele sagen:
Sobald es ausgebaute Sozialsysteme ( mit Arbeitslosengeld, Sozialhilfe...) gibt, dann werden diese von den Menschen auch ausgenutzt. Statt dass sie selber arbeiten gehen, liegen sie auf der faulen Haut und kassieren die Sozialleistungen. - Es wird Leistung vom Staat kassiert, ohne Gegenleistung zu erbringen. Die Sozialsysteme werden dadurch geplündert, die Staatskassen geleert, und am Schluss könne der Staat die Renten nicht mehr finanzieren. - Wenn man Bonbons auf den Tisch legt, dann muss man auch damit rechnen, dass sie jemand vom Tisch wegnimmt und aufisst. Merke: Man sollte keine Bonbons auf dem Tisch liegen lassen.

Ist das so?
Mag sein. Aber das ist nicht das Hauptproblem. Es ist ein Nebenkriegsschauplatz, der zur Ablenkung vom Hauptproblem führt:
Das Hauptproblem ist, dass der Staat in den letzten Jahren durch die Steuergesetzgebung sich selber seiner Einnahmen beraubt, indem er Unternehmen per Gesetzgebung immer stärker entlastet.

Der zu entrichtende Körperschaftssteuersatz sank in den letzten Jahren von 45% auf 25%. Einschließlich Gewerbesteuer sind noch ca. 38% fällig. Aber Scharen von Steuerberatern sind damit beschäftigt, "Steueroptimierungen" für die großen Unternehmen auszutüfteln, so dass manche großen Unternehmen schlussendlich gar keine Steuern mehr zahlen.

Als Cassius Clay noch Muhammed Ali hieß und boxte, kassierte er pro Kampf etwas 1 Million DM und zahlte davon an den Staat 90% Steuern. - Das hat niemanden aufgeregt, wahrscheinlich noch nicht einmal ihn selber. Heute regt man sich schon auf, wenn EURO-Millionäre und -Milliardäre 35% Steuerabgaben zahlen sollen, und ihre Forderungen gehen in Richtung 25%. - Von denjenigen, die eigentlich soziale Verantwortung übernehmen könnten, wird sie immer weniger verlangt. Diejenigen, die eigentlich und am leichtesten dazu beitragen könnten, Sozialleistungen für Arme zu finanzieren, können sich dank der Gesetzgebung immer mehr aus dieser Verantwortung herausziehen.

Millionen vonMenschen geht es immer schlechter, das zeigen die aktuellen Armutsberichte der deutschen Bundesregierung. Die Gesellschaft spaltet sich. In den Städten gibt es auf der einen Seite immer mehr Luxusquartiere mit privaten Sicherheitsdiensten, und auf der anderen Seite gibt es soziale Brennpunkte, in denen die Menschen am 20. eines Monats nicht mehr wissen, wie sie ein warmes Essen finanzieren sollen.





Belohnt der Sozialstaat die Faulen?

"Selbstverantwortung statt Sozialstaat!"
Hört sich gut an! Doch: "Selbstverantwortung ist ein würdiges Unwort des Jahres" (Prof. Butterwegge). Es kommt von denen, die häufig die Möglichkeit haben, sich an Kalten Büffets satt zu essen.
Seit der Wirtschaftkrise Mitte der 70er Jahre wurde der Sozialstaat in Deutschland permanent abgebaut. Mit Hunderten von Gesetzen wurden die Leistungen immer weiter gekürzt. Für arme Menschen ist der Sozialstaat die Möglichkeit, überhaupt ihre soziale Existenz zu sichern. Der Begriff "Selbstverantwortung statt Sozialstaat" tut so, als würden die Menschen nicht versuchen, ihre Existenz selber zu sichern. -
In den letzten Jahren und Jahrzehnten sieht man vermehrt Arme und Bettler in den Straßen, und das hat (auch) damit zu tun, dass der Sozialstaat zunehmend abgebaut wird, nicht damit, dass der Sozialstaat diese Menschen daran hindert, wirtschaftlich produktiv zu werden und Geld zu verdienen.

Auf der anderen Seite ist es heute so, dass die Firma BMW zum Beispiel weniger Steuern zahlt als der Pförtner von BMW. Belohnt der Sozialstaat die Faulen und bestraft die Fleißigen? Nein. Bei Hartz IV werden ab 2005 zum Beipspiel den Langzeitarbeitslosen die Zuwendungen gekürzt; und gleichzeitig sank der Spitzensteuersatz am 1. Januar für die Best-Verdienenden von 45 auf 42%. Ein Einkommens-Millionär spart dadurch in diesem Jahr exakt 30.000 EURO Steuern. -
Was macht er mit diesen 30.000? Seiner Frau noch einen weiteren Brillantring kaufen und damit die deutsche Wirtschaft ankurbeln? Nein, er wird das Geld dort anlegen, wo ihm am meisten weiterer Profit versprochen wird, auf dem internationalen Aktienmarkt zum Beispiel. -

Wenn man dasselbe Geld Langzeitarbeitslosen oder sozial Benachteiligten und Bedürftigen geben würde, würden diese es mit ziemlicher Sicherheit ausgeben, um vor Ort im Einzelhandel dringend benötigte Konsumgüter zu kaufen. -
Das heißt: Die derzeitige Sozialpolitik ist nicht nur sozial ungerecht, sondern auch noch ökonomisch falsch und irrational.
(Nach Prof. Butterwegge, SWR-Forum, Dezember 2004)