Sonntag, Juni 24, 2012

Von Aufstockern, Kombi-Lohn und Mindestlöhnen


Jobwunder

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Im Jahr 2002 hat die Regierung Schröder mit den staatlichen  Lohn-Zuschüssen zum Billig-Lohn begonnen.Der Steuerzahler zahlt bei den Billig-Jobs (in Putzkolonnen, im Friseurgewerbe, im Call-Center...) mit - etwa 60-Milliarden Euro seit 2005. *

Seit 2005
 hat Deutschland (im Gegensatz zu manch anderen europäischen Ländern, siehe Anmerkung am Ende dieses Posts) wachsend gute Arbeitsmarkt-Zeiten. Die Zahl der Arbeitslosen ist gesunken, allerdings kommen zu den 2,8 Millionen Arbeitslosen noch einmal 6 bis 7 Millionen Menschen hinzu, die im Niedriglohn-Sektor arbeiten: Ihr Gehalt liegt unterhalb der amtlichen Niedriglohn-Grenze (die liegt in Deutschland bei etwa 9 Euro Stundenlohn).  -  (2 Millionen Menschen etwa arbeiten für 5 Euro/Stunde.)

Seit der Wiedervereinigung
(nämlich in den Jahren 1990-2011) haben wir in Deutschland eine Zunahme von 3,4 Millionen a-typischen Jobs: Minijobs, Leiharbeit... - Gleichzeitig haben wir einen Rückgang von 3,3 Millionen Normal-Arbeitsverhältnissen. Das ist eine Folge der Agenda 2010 und der allgemeinen Verfügbarkeitsklausel, die verlangt, dass man "zumutbare" Jobs annehmen muss, wenn man nicht das Arbeitslosengeld verlieren will. Dafür wird der Lohn aber vom Staat aufgestockt.
  • Gibt es einen Zusammenhang zwischen den beiden Zahlen? Ursache und Wirkung? 
  • Werden die gut bezahlten ArbeitnehmerInnen von den Betrieben ausgemustert, um a) international konkurrenzfähig zu bleiben und b) im Inland gegenüber anderen deutschen Firmen konkurrenzfähiger (im Sinne von billiger) zu werden oder c) einfach, um ihren Aktionären maximalen Aktien-Gewinn bieten zu können? - Putzfirma X gegen Putzfirma Y? Aktien der Firma A gegen Aktien der Firma B?
  • Sollte der Staat das nicht verbieten und für jede Branche einen Mindestlohn festsetzen, wie es das in 12 oder 13 Branchen in unterschiedlicher Form schon gibt?
    Dann könnte er doch viel Steuergelder sparen, die er jetzt für das Aufstocken der Gehälter ausgeben muss... 
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Zur Zeit gibt es in Deutschland insgesamt etwa 41 Millionen ArbeitnehmerInnen.
1,4 Millionen davon können von ihrem Gehalt nicht leben und müssen/können es aufstocken mit Arbeitslosengeld 2 (man könnte auch sagen: sie können/müssen Sozialhilfe beziehen oder leben als Aufstocker vom Kombi-Lohn; kombiniert Gehalt plus Arbeitslosengeld). 

Von diesen 1,4 Millionen wiederum haben etwa ein Fünftel (270.000-300.000) eine Vollzeitstelle oder: vier Fünftel dieser Aufstocker oder gut 1 Million ArbeitnehmerInnen haben eine Teilzeitstelle oder einen Minijob.
Egal ob sie eine volle oder eine Teilzeitstelle haben, alle werden als "Aufstocker" bezeichnet. 

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Nun sagen Manche: Die Arbeitgeber nutzen den Sozialstaat aus.  

Statt den Menschen, die einen Vollzeitjob haben, ein Gehalt zu zahlen, von dem sie leben können, zahlen sie ihnen einen "Dumping-Lohn". Statt Vollzeit-Jobs zu vergeben, stellen sie Leiharbeiter an und vergeben Aufträge an billige Sub-Unternehmen. 

Der Niedrig-Lohn führt einerseits dazu, dass die deutsche Wirtschaft gegenüber anderen Ländern konkurrenzfähiger ist (das ist das, was Griechenland, Italien, Spanien Deutschland vorwerfen...), zweitens führt es dazu, dass die Profite der Unternehmen und Aktiengesellschaften höher werden, drittens können die Unternehmen ein gutes Gewissen dabei haben, denn die Dumpinglöhne werden ja vom Sozial-Staat durch Arbeitslosengeld 2 aufgestockt, so dass die Familien nicht Hunger leiden müssen (wie in anderen Ländern). 

Zwei Seiten einer Medaille
So kann das Arbeitslosengeld (das Aufstocken, der Kombilohn...) als Subventionierung der deutschen Wirtschaft durch Steuergelder gesehen werden, um sie durch Niedriglöhne international konkurrenzfähiger zu halten. - Oder auch als soziale Maßnahme des Sozial-Staates, der mit Steuergeldern die ArbeitnehmerInnen unterstützt, die keine volle Stelle gefunden haben oder vom Lohn ihrer vollen Stelle nicht leben können.

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Wundermittel Mindestlohn?

Kann man mit ihm nicht die Armut in Deutschland abschaffen? Jedem einen existenz-sichernden "gerechten" Lohn zahlen? Einen hohen Beschäftigungsgrad erhalten? 
  • Nein, sagt der Kritiker. Denn wenn das Unternehmen nicht genug Profit macht, wird es einfach weniger Leute einstellen bzw. sie raus-schmeißen mit dem Argument "Ich kann dich leider nicht mehr bezahlen". - Mindestlöhne bewirken Arbeitslosigkeit.
  • Ja, sagt der Befürworter, weil sich - wie Untersuchungen der Bundesregierung belegen, z.B. in der Pflegebranche, in der es Mindestlöhne gibt -  sich gezeigt habe, dass die ArbeitnehmerInnen zufriedener sind, wenn sie angemessen bezahlt werden, deshalb besser, engagierter und loyaler arbeiten, die Qualität der Arbeit steigt,  und gleichzeitig konnten an anderer Stelle dadurch die Mehrkosten ausgeglichen werden können. 
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Quellen: Dr. Rainer Hank, Ressortleiter Wirtschaft der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung"
Prof. Dr. Rudolf Hickel, Wirtschaftswissenschaftler, Universität Bremen
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*Im Mai 2012 lag die offizielle Arbeitslosenquote in Deutschland bei 6,7%, das sind etwa 2,8 Millionen Menschen. Je nach Region schwankt sie zwischen 3,5 und 12,2% . -  
Zum Vergleich: In Spanien lag sie im ersten Quartal 2012 über 24%, in Italien bei 9,5%, in Griechenland bei 19,3%.

Neben der offiziellen Arbeitslosenquote gibt es noch die verdeckte und versteckte Arbeitslosigkeit, die in der Statistik nicht auftaucht.
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