Samstag, Dezember 07, 2013

"Ich liebe mein Land. Lieben Sie ihr Land?" - Von Bonhoeffer, Heinemann und Rusbridger



Diese Woche musste der Chefredakteur der britischen Tageszeitung Guardian, Alan Rusbridger, vor einem Untersuchungs-Ausschuss des britischen Unterhauses antreten.

Ihm wird vorgeworfen, England dadurch geschadet zu haben und Terroristen ein Geschenk gemacht zu haben, dass der Guardian Dokumente des Leakers Edgar Snowden veröffentlicht hat. Alle drei Chefs der drei britischen Geheimdienste sollen dem Untersuchungs-Ausschuss bestätigt haben, dass Rusbridger massiven Schaden für das Land angerichtet habe.

Mitglied des Untersuchungs-Ausschusses:
"Do you love this country?"

"I love this country. Do you love this country?"
fragte ihn ein Mitglied des Ausschusses.

Man hört im Hintergrund einige Leute lachen, als die Frage gestellt wird. Auch Rusbridger lacht kurz auf.  - Der Frager insistiert: "Wie beantworten Sie diese Frage?" -

Rusbridger:
Ja, wir sind Patrioten. Und patriotisch sind wir vor allem dadurch, dass es uns um die Demokratie und die Pressefreiheit geht. Und darum, dass man diese Sachen in diesem Land noch diskutieren kann ("discuss an report these things").

Screenshot: Rusbridger vor dem Ausschuss
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Gustav Heinemann 1969
(Quelle: Bundesarchiv)
Gut 40 Jahre vorher, 1969 (bis 1974), übernahm Gustav Heinemann das Amt des (dritten) Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland. Er bekam in einem Inteview Anfang 1969 die gleiche Frage gestellt, reagierte weniger elegant aber legendär:

„Herr Bundespräsident! Deutschland erlebt gerade – so zur Fußballweltmeisterschaft – so eine Welle von nationaler Begeisterung.
Wie ist das mit Ihnen? Lieben Sie Deutschland?“
"Ach was, ich liebe keine Staaten, ich liebe meine Frau, fertig."
 
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"Ein ganz gewöhnlicher Landes-Verräter"
 
Dietrich Bonhoeffer 1939
(geb. 1906, erhängt 1945)

Bonhoeffer gehörte zu den Menschen der Kirche,
  • die nicht - wie z. B. viele Deutsche Christen - in absoluter Staatstreue dem Nationalsozialismus und damit Hitler treu ergeben waren. 
  • Er gehörte auch nicht zu der Kategorie derer, die vor allem die Kirche bewahren wollten und damit kirchenintern Widerstand leisteten. 
Sein Widerstand war vor allem politisch geprägt.
Er ist also jener kleinen Zahl von Widerständlern zuzurechnen, die bis in die 1960er bis 80er Jahre hinein weder in unserer Gesellschaft noch in unserer Kirche wirklich anerkannt waren.

Am 7.11.2008 berichten die »Stuttgarter Nachrichten«, dass der Vorsitzende der »Arbeitsgemeinschaft Wasserkraftwerke Baden- Württemberg«, Manfred Lüttke, CDU-Mitglied, Bonhoeffer in einem bestimmten Zusammenhang öffentlich als einen »ganz gewöhnlichen Landesverräter« bezeichnet hat. Wörtlich äußert Lüttke:
  »Dietrich Bonhoeffer wird als Widerstandskämpfer gefeiert, war aber aufgrund seiner intensiven Kontakte mit der deutsch-feindlichen englischen Kriegspolitik, die er unterstützte und mit Informationen versorgte, eher ein ganz gewöhnlicher Landesverräter, der nach den Gesetzen aller Länder - besonders in Kriegszeiten - in Frankreich, Amerika oder Russland genauso mit schwerer Bestrafung nämlich der Todesstrafe - rechnen musste.« 
Die Formulierung »ein ganz gewöhnlicher Landesverräter« ist in dem Schriftstück vergrößert und fettgedruckt. Herr Lüttke musste später, auch auf Druck der CDU, zurücktreten.  Das Amtsgericht Karlsruhe erließ einen Strafbefehl über 3000 Euro gegen ihn wegen grober und schwerwiegender Herabsetzung und damit einer Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener. Lüttke legte dagegen Widerspruch ein. - Die hier aber zum Ausdruck kommende Geisteshaltung hat über viele Jahre hin die Einstellung in der Bundesrepublik geprägt.

Am 19.6.1956 hat der Bundesgerichtshof in Karlsruhe
in fataler Weise Dietrich Bonhoeffer im Grunde ein zweites Mal verurteilt, sahen die Richter doch in ihm, wie Herr Lüttke, einen Hoch- und Landesverräter und sprachen ihm das Recht zum Widerstand ab. Erst 1985 wurden »in einem langen Prozess die Urteile des berühmt-berüchtigten Volksgerichtshofes zu Verbrechen erklärt. Das war eine wichtige Vorstufe für die Rehabilitierung Bonhoeffers, um die sich nicht etwa die Evangelische Kirche bemühte, wie man erwarten könnte, sondern zwei private Initiativen.«

Nach vielen Mühen und erst dreizehn Jahre später hob schließlich der Deutsche Bundestag 1998 »die Unrechtsurteile des nationalsozialistischen Justizsystems mit einstimmigem Beschluss auf und erklärte sie für rechtsungültig«.

Der anglikanische Bischof George Kennedy Allen Bell aus Chichester in England, den Bonhoeffer über seine Arbeit in der Ökumene kennen und schätzen gelernt hat als engen Vertrauten im Widerstand, hat 1948 in der englischen Ausgabe der »Nachfolge« geschrieben:
»Ich kannte ihn aus seiner Londoner Zeit in den frühen Tagen des Schreckensregimes und habe durch meine enge Freundschaft mit ihm mehr als durch jeden anderen gelernt, worum es damals in Wahrheit ging. […] Er war kristallklar in seinen Überzeugungen, und so jung und so bescheiden er war, er erkannte die Wahrheit und sprach sie aus, ohne sich im geringsten zu fürchten.« 
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"Wenn wir Geschichte nicht verstehen, sehen wir die Risiken für die Zukunft nicht." Der US-amerikanische Historiker Timothy Snyder plädiert für eine intensive Beschäftigung mit der Geschichte. Am 6. Dezember 2013 erhielt er den Bremer Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken. Der Professor an der Yale-University wurde für sein Buch "Bloodlands. Europa zwischen Hitler und Stalin" geehrt. In einem Interview sagte er, erst nach zwei Generationen, aus 60 Jahren Abstand, könne man als Historiker und Wissenschaftler Ereignisse der Geschichte wirklich beurteilen. -

Bis 2070 möchten wir, was Snowden, Mannings und Rusbridger betrifft, aber nicht warten.





Sonntag, Oktober 27, 2013

Von Frontex, der Cap Anamur, Camus und der Pest


"Es gibt die Möglichkeit, diese Hoffnung möglich zu machen, die darin besteht, dass man mit Anderen für Andere etwas von seinem Glück abgibt und sich nicht mehr schämen muss, alleine glücklich zu sein." 
- Sagt Rupert Neudeck, Mitbegründer von Cap Anamur.

Cap Anamur/Deutsche Not-Ärzte e. V. ist eine deutsche Hilfsorganisation, die von Christel und Rupert Neudeck sowie dem Schriftsteller Heinrich Böll gegründet wurde. Sie entstand aus dem Hilfskomitee Ein Schiff für Vietnam, das 1979 durch die Rettung tausender vietnamesischer Flüchtlinge, der so genannten Boatpeople, mit der zum Hospitalschiff umgebauten Cap Anamur weltweit bekannt wurde. Im Laufe der folgenden Jahre wurden tausende vorwiegend vietnamesische Flüchtlinge gerettet und an Bord des Schiffes mit Medikamenten und Nahrung versorgt. Es entspann sich in der Folge ein politisches Tauziehen um die Aufnahme der Flüchtlinge in der Bundesrepublik. [wikipedia] 
Rupert Neudeck 1982 in Hamburg
nach der Rückkehr des Schiffes aus Vietnam

Im Chinesischen Meer wurden Schiffe gechartert, um im Vietnamkrieg geflüchtete VietnamesInnen aufzufischen. Die Cap Anamur war eins dieser Schiffe, sie fuhr 3 Jahre durch das Chinesische Meer und wurde zum Symbol der Rettung.

Erneut in die Schlagzeilen geriet das Schiff im Juli 2004. Bei ihrem ersten Einsatz im Mittelmeer wurden 37 Flüchtlinge vor der afrikanischen Küste an Bord genommen, welche ihre Herkunft zuerst mit „Sudan“ angaben, wobei sich herausstellte, dass 31 aus Ghana und sechs aus Nigeria stammten. Ihre Anträge auf Asyl in Deutschland wurden abgelehnt, da sich das Schiff nicht in deutschen Gewässern befand. Nach fast dreiwöchiger Blockade erteilten die italienischen Behörden der Cap Anamur am 12. Juli die Einlaufgenehmigung in den sizilianischen Hafen Porto Empedocle. Die 37 Flüchtlinge wurden in ein Lager gebracht. Kurz nach der Landung wurde das Schiff beschlagnahmt, der Kapitän, der 1. Offizier und der Chef der Hilfsorganisation Elias Bierdel wurden wegen Beihilfe zur illegalen Einreise festgenommen.

"Camus war jemand, der diese Aktion mit begründet hat. Obwohl er schon gestorben war, war Die Pest für uns eine Art Bibel für die humanitäre Arbeit.
"Wir wollen nicht alleine glücklich sein", das ist genau der Dialog zwischen Dr. Bernard Rieux und dem Journalisten Rambert in der Peststadt Oran." (Rupert Neudeck).

„Herr Doktor“, sagte Rambert, „ich gehe nicht weg, ich will bei Ihnen bleiben.“ ...  Aber Rieux richtete sich auf und sagte mit fester Stimme, das sei Blödsinn, man brauche sich nicht zu schämen, wenn man das Glück vorziehe. "Ja", sagte Rambert, "aber man kann sich schämen, wenn man ganz allen gkücklich ist. "
"Man kann sich schämen, alleine glücklich zu sein. - Das ist das Fundament für alle humanitäre Arbeit. Über diesen Satz hinaus brauche ich nichts mehr." (Rupert Neudeck)


Quelle der Cap-Anamur-Bilder: Arte-Doku  Camus, Lektüre für`s Leben
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Und Frontex?

Quelle: Frontex

Die Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (European Agency for the Management of Operational Cooperation at the External Borders of the Member States of the European Union) ist eine Gemeinschaftsagentur der Europäischen Union mit Sitz in Warschau. Gegründet 2004. Sie ist zuständig für die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten an den Außengrenzen der EU. [wikipedia]


Auch Frontex sagt von sich, dass es Menschenleben rettet. Das ist nicht ganz falsch, jedoch zynisch: Frontex ist dazu da, Flüchtlinge daran zu hindern, in die EU zu kommen. Wenn sie z.B. im Mittelmeer Boote aufbringen, dann werden die Flüchtlinge dorthin zurück gebracht, wo sie hergekommen sind. Es gibt auch Berichte, dass die aufgebrachten Schiffe dabei schon einmal untergehen. Kollateralschaden?
"Wie das ARD-Magazin „Monitor“ am Mittwoch (16.10.2013) berichtete, war Frontex bis in jüngster Zeit daran beteiligt, Flüchtlinge auf hoher See abzufangen und in Drittstaaten zurückzuschicken. Obwohl diese sogenannten „Push back“-Operationen nicht nur nach der Genfer Flüchtlingskonvention illegal sind, sondern auch in einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs 2012 noch einmal als menschenrechtswidrig verurteilt wurden, musste Frontex-Chef Ilkka Laitinen zugeben, dass seine Organisation nach wie vor daran beteiligt ist.
Das illegale Zurückdrängen von Flüchtlingen, womit ihnen jede Chance genommen wird, überhaupt Asyl zu beantragen, wird von Flüchtlingsorganisationen seit Jahren beklagt. Aber in der Praxis geht es für Frontex genau darum." Quelle 

Furore machte Frontex auch im Tatort "Der illegale Tod" vom Sonntag, den 15. Mai 2011. Recherchen über Frontex haben zu dieser Geschichte geführt, die auf einem wahren Fall basiert.
Insgesamt wurde neun Monate lang für das Drehbuch des Tatort recherchiert: In Warschau bei der Frontex-Zentrale, am Hamburger Hafen beim Zoll, in Nordafrika und in Ghana. Heraus gekommen ist auch "Kinder von Sodom und Gomorrha. - Warum afrikanische Jugendliche nach Europa flüchten".  Das Feature kann man hier nachhören. (53 Minuten).

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Ferdinand Hodler - Der barmherzige Samariter (1883)


»Letztlich gibt es für Frontex-Einsatzkräfte widersprüchliche Anweisungen:
Auf See stehen die Dienstanweisungen der Bundespolizei, die jeweiligen Frontex-Maßgaben und das internationale Seerecht miteinander in Konflikt. Deswegen kommt den Kapitänen der jeweiligen Frontex-Boote tatsächlich ein hoher "Ermessensspielraum" zu.« (Jens Jarisch, Radiomacher)


Jens Jarisch sagt aber auch: 
"Die Flüchtlings-Politik wird nicht von den GrenzschützerInnen gemacht:

Als ich den Frontex-Exekutivdirektor Ilkka Laitinen einmal in Warschau interviewt habe, sagte er: »Ich glaube, die Schlüsselfrage hier ist zu verstehen, dass Grenzsicherung nicht die Ursache ist für das, was an der Grenze passiert.« Und damit hat er Recht: Flüchtlingspolitik wird nicht von den Grenzschützern gemacht, sondern von Regierungen, deren Entscheidungen von Wählern doch hoffentlich beeinflusst werden." 
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Freitag, September 06, 2013

Syriens gekaperter Aufstand vom März 2011 und Petrus an der Himmels-Pforte

Siehe auch: Der Syrische Aufstand und das verlorene Heft.
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Es gibt da diese Geschichte,
die davon erzählt,
wie jemand nach seinem Tode an die Himmels-Pforte klopft und bei Petrus, der den Schlüssel zum Himmel verwaltet, um Einlass bittet. -
Aber Petrus verwehrt ihm unerwarteter Weise den Zutritt.
"Warum?", fragt der Mann. "Schau dir doch meine Hände an! Sie sind ganz sauber, es klebt kein Schmutz an Ihnen." -
Petrus antwortet: "Eben. So ist es. Und das ist der Grund".



 

Manchmal muss man sich wohl die Hände schmutzig machen, wenn man in den Himmel kommen will. -
Siehe auch: "Die Denkfigur des »gerechten Krieges« lässt sich über eineinhalb Jahrtausende Kriegsgeschichte zurückverfolgen".
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Eigentlich scheint alles ganz einfach zu verstehen zu sein:

Wer Giftgas einsetzt, verstößt gegen das Völkerrecht und gehört vor den Internationalen Gerichtshof. Auch wenn es manchmal Jahrzehnte dauert, bis man die Verantwortlichen und die Täter gefunden hat.
  • Wenn eine Regierung einen Krieg beginnen möchte, dann wird sie einen Grund finden und notfalls einen Grund konstruieren und dazu auch das eigene Parlament und die eigene Bevölkerung belügen.
  • Das war schon so bei dem Überfall auf Polen am 1.9.1939 so ("Seit 5 Uhr 45 wird zurückgeschossen"): - Der Beginn des 2. Weltkrieges in Europa.
  • Das war Anfang August 1964 so, als Präsident Johnson die bewusste Falschmeldung in die Welt setzte, im Golf von Tonkin vor der Küste Vietnams sei ein US-Kriegsschiff von nord-vietnamesichen Schnellboten beschossen worden - was für ihn Grund genug war, in den Vietnam-Krieg einzusteigen. (1971 wurde die Falsch-Meldung dann durch den Whistle-Blower Daniel Ellsberg in den "Pentagon-Papieren" belegt.)
  • Das war 1999 im Kosovo-Krieg so: Verteidigungs-Minister Scharping (SPD) präsentierte Fotos von einem angeblichen KZ der Serben in Priština.  Als der Krieg länger dauerte als geplant und die Zustimmung in der Bevölkerung nachließ, präsentierte er  Bilder eines angeblichen Massakers der serbischen Armee an Zivilisten: aufgereihte tote Albaner im Ort Rogovo. Später bezeugte der deutsche Polizeibeamte und OSZE-Beobachter Henning Hensch, der den Tatort als Erster inspiziert hatte, die Toten seien Kämpfer der albanischen UÇK, der „Befreiungsarmee des Kosovo“, die im Gefecht gestorben waren.
    In einem Interview erzählte Scharping, wie Serben schwangeren Albanerinnen den Bauch aufschlitzten und die Föten grillten.
    Scharping enthüllte auf einer Pressekonferenz einen Geheimplan der serbischen Regierung zur ethnischen Säuberung des Kosovos, den sogenannten Hufeisen-Plan. Später sagte der deutsche General a. D. Heinz Loquai, dass der Plan nicht der Realität entsprochen habe, er war der Fantasie des Verteidigungsministeriums entsprungen.
  • Das war so, als der britische Premier-Minister Blair am 24.9.2002 dem britsichen Unterhaus seine „überwältigende Gründe für eine Entwaffnung(!) des Irak“ erklärte ("Der Irak besitzt chemische und biologische Waffen. Seine Raketen sind binnen 45 Minuten einsatzbereit"), um den Angriffs-Krieg auf Irak zu rechtfertigen. 
  • Das war am 5. Februar 2003 so, als der amerikanische Außenminister Colin Powell dem Weltsicherheitsrat der UNO in einer Multimedia-Show mit Tonbandaufzeichnungen von angeblich abgehörten Telefongesprächen und mit Satelliten-Aufnahmen bombensicher "bewies", dass Irak biologische und chemische Waffen produziere ebenso wie Rakten mit großer Reichweite und verbotene kleine unbemannte Flugzeuge. Sogar eine Kapsel mit weißem Pulver zeigte er vor. - Alles Fake, wie er später zugab.
  • Wie es 2013 in Syrien war, wird die Geschichte erweisen.
Siehe auch: Krieg ist Pop
Women strike on peace 23.10.1962

  • Wenn eine Regierung keinen Krieg möchte, dann wird sie alles daran setzen, eine pragmatische Lösung zu finden, so wie das Präsident John F. Kennedy im Oktober 1962 in der Kuba-Krise mit der Sowjet-Union hinbekommen hat. Letztlich kam es zu einem Deal, der die Gefahr eines Atomkrieges bannte und den Interessen beider Seiten gerecht wurde.
Der sowjetische Außenminister
Andrej Gromyko (3. v. l.) im Gespräch
mit US-Präsident John F. Kennedy [Bilder: wikipedia]
  •  Wenn es nötig ist, sich die Hände schmutzig zu machen, um noch Schlimmeres zu verhindern, dann gibt es dazu legale und legitime Möglichkeiten über den UN-Sicherheitsrat, auch wenn diese noch nicht perfekt ausgereift sind. Siehe: "Auch die Kirchen befassen sich mit der Responsibility to protect".
  • Eine Einigung ist dann möglich, wenn die Interessen aller Seiten - besonders der Großmächte - auf den Tisch kommen und der Wille zu einem pragmatischen Kompromiss vorhanden ist. In Syrien ist z.B. das strategische Interesse Russlands, seinen letzten Vor-Posten am Mittelmeer nicht zu verlieren, nachdem der Westen seit 1989 immer weiter nach Osten vorgedrungen ist. Das Interesse der USA ist u.a., islamistische Kräfte im Nahen Osten unter Kontrolle zu halten, vielleicht aber auch, Russland noch weiter zurück zu drängen.
  •  Uns "kleinen WählerInnen" ist ein Blick hinter die aktuellen Kulissen verwehrt, zumal selbst Präsidenten, Außen-Minister, Kanzler, Premier-Minister schon ihr eigenes Volk und ihre eigen Parlamente und den Weltsicherheitsrat belogen haben. Wir zahlen Steuern und mit den Steuergeldern werden Politiker bezahlt, damit diese ihr Bestes geben, um Frieden, Gerechtigkeit und Wohlstand, soziale und individuelle Menschenrechte für alle BürgerInnen der Welt mehr und mehr zu verwirklichen. Das ist ihr Job.

Eine interessante Radio-Diskussion zum Thema "Eingreifen in Syrien", in der auch ein bemerkenswerter Satz über den republikanischenUS-Senator John McCain fällt, kann man hier nach-hören.
Es diskutieren:
Jan van Aken, ehem. Biowaffen-Inspekteur der UNO, Bundestagsabgeordneter für "Die Linke"
Michael Lüders, Politikwissenschaftler und Publizist, Berlin
Stefan Kornelius, Leiter Ressort Aussenpolitik, Süddeutsche Zeitung


Dienstag, September 03, 2013

Prima Luft-Angriff auf Syrien ohne Sicherheitsrat?

Wenn man die Nachrichten hört und die Zeitungen liest, dann scheinen die SyrerInnen traurig zu sein, dass bisher der Luftschlag gegen Syrien ausgeblieben ist. Den israelischen NachrichtensprecherInnen soll geschockt das Gesicht herrunter gefallen sein, als sie vorlasen, dass die erwarteten Luftangriffe von USA und Frankreich(?) am letzen Wochenende ausgeblieben sind; selbst die linksbürgerliche taz schreibt, dass die(?)  syrische Opposition auf den US-Angriff hofft ("Enttäuschung über Verschiebung der US-Strafaktion") , und laut Südwestpresse wartet die(?) Welt auf einen "möglichen US-Militärschlag gegen Syrien".

Ärzte ohne Grenzen (ver-)wehren sich:

»In den vergangenen zwei Tagen haben Vertreter der US-amerikanischen und anderer Regierungen Statements abgegeben, in denen sie den Einsatz chemischer Waffen in Syrien als "zweifelsfrei" erwiesen bezeichneten und Verantwortliche benannten. Sie bezogen sich in ihren Verlautbarungen auf Berichte verschiedener Organisationen - darunter auch Ärzte ohne Grenzen.

Ärzte ohne Grenzen weist ausdrücklich darauf hin, dass die von der Organisation veröffentlichten medizinischen Berichte nicht dafür genutzt werden dürfen, die genaue Herkunft der neurotoxischen Stoffe zu bestätigen und Verantwortliche zu benennen. [...]
Unsere Informationen deuten zwar stark auf einen massenhaften Kontakt mit einem neurotoxischen Stoff hin. Doch Ärzte ohne Grenzen hat deutlich erklärt, dass ein wissenschaftlicher Nachweis des toxischen Stoffes und eine unabhängige Untersuchung erfolgen müssen. Erst dies kann gegebenenfalls die Grundlage dafür bilden, aus dem Vorfall eine massive und inakzteptable Verletzung internationalen humanitären Rechts abzuleiten. Darüber hinaus haben wir deutlich gemacht, dass wir nichts darüber sagen können, wer dafür verantwortlich ist.

Inzwischen ist eine Untersuchung durch UNO-Inspektoren im Gang. Ärzte ohne Grenzen verwehrt sich dagegen, dass unsere Informationen als Rechtfertigung für einen Militärschlag verwendet werden. Als unabhängige medizinische humanitäre Organisation geht es für Ärzte ohne Grenzen einzig darum, Menschenleben zu retten, die Leiden der vom Syrienkonflikt betroffenen Menschen zu lindern und darüber zu berichten, wenn wir mit kritischen Vorfällen konfrontiert sind. Dabei halten wir uns strikt an die Prinzipien der Neutralität und Unparteilichkeit.«
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Adopt a revolution bringt auf seinem Liveblog Stimmen aus Syrien. "In unserem Liveblog verfolgen wir die Ereignisse und sammeln Stimmen von AktivistInnen aus Syrien. [...] Auch wenn Gewalt das mediale Bild von Syrien prägt: Organisiert in lokalen Komitees protestieren täglich tausende Menschen unbewaffnet für Menschenrechte und ein Ende des Assad-Regimes. Dabei sind sie auf unsere Unterstützung angewiesen. Helfen Sie mit! "


"Kafranbel ist wieder da >>>
Sie sind berühmt für die syrische Revolution, weil sie die politische Meinung der SyrerInnen immer sehr gut auf den Punkt bringen: Die Bilder, Plakate und Slogans aus Kafranbel. Für einige Wochen vielen die Bilder weg, weil es internen Streit gab. Heute bringen die AktivistInnen vor Ort wieder die Meinung vieler Menschen in Land auf den Punkt – und fordern ein militärisches Eingreifen der USA."
 
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Medico International schreibt:
Solidarische Nothilfe statt Militärschlag.

"Nichts von dem, was einmal war, scheint fortzubestehen. Die Rebellion gegen die Despotie erstickt in Agonie. Die syrische Gesellschaft, ihre Kulturen, ihre Vielfalt, ihre Träume - all das hat begonnen zu sterben. Im Krieg untereinander und in der Angst voreinander. Soldaten, Auf ständische, Bomben und jetzt im grausam en Schrecken: Gas. medico leistet Soforthilfe für die Opfer des Giftgasangriffs im Großraum Damaskus. [...] medico unterstützt gemeinsam mit dem „Deutsch-Syrischen Verein zur Förderung der Freiheiten und Menschenrechte“ die medizinischen Teams in den von den Aufständischen kontrollierten Gebieten vor Damaskus (besonders in Ain Tarma, Zamalka und Moadamieh), in denen die vermuteten Giftgasangriffe stattgefunden haben." [...]Wir bitten um Ihre Spenden unter dem Stichwort Syrien. "

»Die Wahrheit ist politisiert 
Waffen werden den Syrienkonflikt nicht lösen

Die schrecklichen Zahlen sind bekannt: zwei Millionen Flüchtlinge im benachbarten Ausland, mindestens vier Millionen Binnenvertriebene, dazu mindestens 100.000 Tote. Ohne zu wissen, welche todbringende Substanz in Syrien zum Einsatz kam und wer das zu verantworten hat, habe ich doch beim Anblick der Toten an Halabja denken müssen, die kurdische Stadt im Nordirak, die vor 25 Jahren von Saddam Hussein mit Senfgas, Sarin und VX beschossen wurde. -

Damals starben 5.000 Menschen im Gas und Zehntausende wurden verletzt. Damals erstickten besonders diejenigen, die in Kellern Schutz vor den Bombardierungen gesucht hatten. Denn das Gas war schwerer als die Luft und setzte sich knapp über der Erde ab.
Auch in den Vororten von Damaskus starben offenbar die Opfer in Hauseingängen und unteren Etagen. Das spricht für den Einsatz eines Kampfstoffes und man kann nur hoffen, dass die UN-Inspekteure tatsächlich die Zeit bekommen zu ermitteln, welches Giftgas dort zum Einsatz kam. Denn erst dann läßt sich tatsächlich schlussfolgern, wer dieses abscheuliche Verbrechen zu verantworten hat. Doch offenbar wird diese Zeit nicht mehr eingeräumt, denn die Wahrheit ist bereits politisiert. Und wer nun behaupten wird die Wahrheit herausgefunden zu haben, wie immer sie aktuell auch sein mag, wird von der „anderen Seite“ der Lüge bezichtigt werden. Denn die Diskussionen um die „richtige“ Reaktion kreisen nur noch um die Frage des Zeitpunkts und des Ausmaßes, wie in Syrien militärisch interveniert wird.[...]

Die syrische Tragödie ist kein Einakter und kann nicht mit Cruise Missiles, sondern tatsächlich nur politisch gelöst werden. Das klingt banal, bleibt aber dennoch richtig. Dafür aber müssen alle politischen Akteure im Land selbst und alle "regionalen Interessensmächte" einbezogen werden – auch der neue iranische Präsident Hasan Rohani, der ebenfalls den Giftgasangriff scharf verurteilt hat. Dass die USA aber diese Gespräche bislang konsequent abgelehnt haben und nun stattdessen eine militärische Bestrafungsaktion vorziehen, macht erneut deutlich, dass es in Syrien eben um mehr geht, als nur um die humanitären Belange der Syrerinnen und Syrer. Es geht eben auch um Geostrategie, Einflusszonen und Machtkonstellationen. Der Iran muss offenbar in jedem Fall isoliert bleiben und dafür wird letztlich auch die syrische Bevölkerung ihren Tribut entrichten. Auch das ist westliche Weltpolitik.«

[Veröffentlicht von Martin Glasenapp, Abteilung Öffentlichkeitsarbeit medico international am 28.08.2013]
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Sonntag, September 01, 2013

„Wenn zum ersten Mal im 21. Jahrhundert chemische Massenvernichtungswaffen eingesetzt werden, dann...". (Außenminister Westerwelle)



 In der 20-Uhr-Tagesschau am 31.8.13 war vom deutschen Außenminister Guido Westerwelle zu hören:

Screenshot
„Wenn zum ersten Mal im 21. Jahrhundert chemische Massenvernichtungswaffen eingesetzt werden, dann ist das ein Verbrechen, ein zivilisatorisches Verbrechen, und dann sollte der Sicherheitsrat auch dort gemeinsam handeln.
Ich appeliere an Russland, die schützende Hand einem Regime, das Chemiewaffen einsetzt, endlich zu entziehen.“
20-Uhr-Tagesschau , 31.8.2013, Minute 05.57 bis 06.18. http://www.tagesschau.de/sendung/tagesschau/index.html
Man sollte vielleicht die Fakten ergänzen und dementsprechend sollte ein fairer Außenminister dann auch seine Aussage ergänzen.  
Zum Beipsiel so, wie es ein anderer deutscher Politiker (siehe unten) tat:
"Verstehen sie,
  • wenn Russland an Assad keine Waffen lieferte
  • und Katar und Saudi - Arabien und die USA und andere nicht an die Aufständischen Waffen lieferten,
wäre der Bürgerkrieg schon zu Ende."
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Wenn man den Blick etwas erweitert, und sich auch das Ende des 20. Jahrhunderts anschaut, dann erinnert man:
Den größten Giftgas-Angriff seit dem ersten Weltkrieg gab es ab 1983 im 1. Golfkrieg. Damals war Saddam Hussein noch der Good Boy der USA und setzte mit dessen Billigung und Unterstützung Senfgas, Sarin und Tabun gegen den Iran ein, der damals schon und heute noch Schurkenstaat genannt wurde bzw. genannt wird.  Die US-Regierung unterstützte Saddam Husseins Giftgas-Einsatz gegen Iran mit Luft-Bildern. Die Grundstoffe für die irakische Giftgas-Produktion, die Produktionsanlagen selber und das technische Know-How kamen aus Deutschland.
"The U.S. government may be considering military action in response to chemical strikes near Damascus. But a generation ago, America's military and intelligence communities knew about and did nothing to stop a series of nerve gas attacks far more devastating than anything Syria has seen, Foreign Policy has learned.
Quelle: Foreign Policy 26.8.2013
In 1988, during the waning days of Iraq's war with Iran, the United States learned through satellite imagery that Iran was about to gain a major strategic advantage by exploiting a hole in Iraqi defenses. U.S. intelligence officials conveyed the location of the Iranian troops to Iraq, fully aware that Hussein's military would attack with chemical weapons, including sarin, a lethal nerve agent. [...]
In contrast to today's wrenching debate over whether the United States should intervene to stop alleged chemical weapons attacks by the Syrian government, the United States applied a cold calculus three decades ago to Hussein's widespread use of chemical weapons against his enemies and his own people." ...
[Quelle und ganzer Text: Foreign Policy Magazin] 
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Foreign Policy ist ein anfangs vierteljährlich und derzeit alle zwei Monate erscheinendes Magazin in den USA und thematisiert die amerikanische Außenpolitik sowie internationale Politik, Beziehungen und Wirtschaft.
Es wurde 1970 von Samuel P. Huntington und Warren Demian Manshel gegründet. Neben Foreign Affairs zählt es zu den führenden und meinungsbildenden Magazinen in diesem Bereich. Veröffentlicht wird Foreign Policy von der Washington Post Company. Die Auflage beträgt knapp 110.000 Exemplare, derzeitige Chefredakteurin ist Susan Glasser. [wikipedia]
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Ein Interview zum gleichen Thema mit einem anderen deutschen Politiker:

[...] SWR: Darf man ungestraft Giftgas einsetzen gegen die eigene Bevölkerung?

MdB: Auf gar keinen Fall. Die Verantwortlichen müssen ermittelt werden und sie werden eines Tages in Den Haag vor dem Strafgerichtshof stehen. Dass ist auch das, was das Völkerecht vorsieht.
Aber eine Strafaktion zu machen, indem ich Bomben werfe, wo ich auch wieder Unschuldige töte, das müssen sie dann mal deren Angehörigen erklären. Eine Strafaktion zu machen, wo ich gar nicht weiß, wie das Ganze eskaliert. Also, zunächst haben die Amerikaner und die Briten an so einen Tag, zwei Tages-Einsatz gedacht und denken, dann fliegen sie wieder nach Hause, wunderbar, haben sie mal einpaar Bomben geworfen und es Assad irgendwie gezeigt.
Ja sagen sie mal, was sind denn das für naive Vorstellungen. Der Assad hat die Möglichkeit den Konflikt in den Libanon und nach Jordanien zu tragen. [...] Verstehen sie, das ist doch gar nicht beherrschbar ein solcher Prozess. Wir müssen mal raus aus der Kriegslogik.

Also, es muss ja Schuldige geben, wenn es einen Giftgaseinsatz war, spricht ja vieles dafür, wir werden das ja in Kürze erfahren, dann muss das auch individuell ermittelt werden, dann nützt mir nichts, die Regierung, wer ist die Regierung, ich will wissen, wer hat das angeordnet, wer hat das ausgeführt. Und die Leute müssen eines Tages vor Gericht stehen.
Ich weiß, dass wir sie im Augenblick nicht gegriffen bekommen aber wenn wir Bomben werfen, bekommen wir sie auch nicht gegriffen. Ich möchte aber, dass man sie kennt, dass man sie weiß, das beschränkt sie. Überall wo sie hinreisen laufen sie Gefahr, dafür verurteilt zu werden.
Das ist vernünftig und dann brauchen wir dort natürlich eine politische Lösung. Die hätten wir ja schon längst, wenn beide Seiten sich mal vereinbart hätten keine Waffen zu liefern. Verstehen sie, wenn Russland an Assad keine Waffen lieferte und Katar und Saudi - Arabien und die USA und andere nicht an die Aufständischen Waffen lieferten, wäre der Bürgerkrieg schon zu Ende.

SWR: Welche Rolle muss nach Ihrer Meinung Deutschland spielen in diesem Prozess?

MdB: Ganz klar, eine Vermittlerrolle. Wenn doch so ein Militärschlag kommt und die Türkei meint, jetzt ist die Zeit reif, dass sie doch mal was gegen Syrien machen müssen militärisch, was auch immer, dann wird Syrien antworten. - Das darf Syrien sogar auch nach dem Völkerrecht. Wenn Syrien aber antwortet, Raketen schießt, dann schießen deutsche Soldaten mit ihren Patriot – Raketen diese Raketen ab, dann sind wir Kriegspartei im Nahen Osten.
Ich bitte sie, das ist doch das aller letzte was Deutschland sich leisten kann. Deshalb sage ich, aber sofort die Patriot - Raketen und die Soldaten zurückziehen. Das kann man auch der Türkei erklären. Deutschland ist da völlig fehl, wir stehen da an der Grenze zu Syrien, wir stehen, wenn sie so wollen, im Nahen Osten und würden dann eine Kriegspartei im Nahen Osten werden. Absurd, wirklich absurd. Wir müssen da eine andere Rolle spielen. [...]
 Wenn Sie das ganze Interview lesen wollen und wissen, welcher Bundestags-Abgeordnete der Gesprächsparter des SWR war, dann klicken Sie zum Nachlesen hier oder zum Nachhören hier.

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Samstag, August 31, 2013

Von Helden, Whistleblowern und Wissenschaflern


Post-heroische Helden.

Eigentlich sprach man vom post-heroischen Zeitalter.
Ein gut ausgestatteter neuer Sonderforschungsbereich der Universität Freiburg befasst sich nun (trotzdem oder deswegen) mit diesem "Relikt des mythischen Weltbildes". - Was aber macht sie aus, die "Heroische Figur"?

Am engsten fasste es auf einem Podium in Freiburg Martin Warnke, * 1937, "der Doyen der sozialgeschichtlichen Kunstwissenschaft". Am liebsten würde er allein die Definition der alten Griechen gelten lassen, die den Titel ihren gefallenen Kriegern vorbehielten. Angesichts der modernen Kriegsführung sei der Kriegsheld allerdings obsolet. Die Möglichkeit atomarer und chemischer Kriegsführung und der Kriegsführung aus der Ferne mit Dronen habe den Heldenbegriff endgültig liquidiert. Allein dies erkläre seine Veralltäglichung, die Übertragung auf Ärzte, Wissenschaftler, Feuerwehrleute.

Die links-bürgerliche taz sucht alljährlich Helden des Alltags

Aus der Weltliteratur - so die Literaturwissenschaftlerin Prof. Susanne Lüdemann von der Uni München, habe sich der Held schließlich schon früh – mit Don Quijote und Hamlet – verabschiedet, und nach Ansicht des Philosophen Hegel wurde er in der bürgerlich geordneten Gesellschaft gänzlich obsolet: ersetzt vom Beamten.

Als Relikt eines mythischen Weltbilds beweist das "narrative Konstrukt" dann aber doch erstaunliche Überlebenskraft: Blockbusterfilme und Computerspiele, das weiß Susanne Lüdemann von ihren Kindern, kommen ohne eindeutige Heldenfiguren nicht aus. Transportieren sie doch naive Allmachtsphantasien und die Sehnsucht nach Eindeutigkeit.
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Der Held kehrt nicht nur einmal zurück auf die Leinwand,
Sony hat erst vor kurzem verkündet, dass es insgesamt drei Fortsetzungen zu "The Amazing Spider-Man" geben soll, der in Deutschland unter dem Titel "Spider-Man: Die Rückkehr des Helden" veröffentlicht  wird.

Brettspiel: "Packende Abenteuer
in einer phantastischen Welt!
Es gilt aufregende Abenteuer zu erleben, gegen Riesen,
Trolle oder andere finstere Wesen zu kämpfen
und am Ende den grausamen Namenlosen
in seinem Turm zu besiegen!"
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Snowden und Manning
Focus 25.2.2002
"Snowden und Manning sind ­in einem vollkommen neutralen Sinn — Helden.
Politikwissen­schaftler Herfried Münkler defi­nierte den Helden als einen „Kämpfertyp, der durch gestei­gerte Opferbereitschaft ein er­höhtes Maß gesellschaftlicher Ehrerbietung zu erwerben trach­tet: Diese Diagnose trifft auf Manning und Snowden zu.
Interessanterweise stammt Münklers Definition des Helden aus einem sieben Jahre alten Text, der gerade das Verschwin­den des Heroischen in den west­lichen Gesellschaften konsta­tiert. Münklers These vom „postheroischen Zeitalter" ist bis heute extrem einflussreich. [...]
Umso überraschender ist die neuerliche Renaissance des He­roischen im Herzen des Posthe­roischen, inmitten der digitalen Gesellschaft. Ein Grund für diese unerwartete Wendung ist, dass es noch nie so einfach war, ein Held zu sein. Computer haben den Einzelnen zwar womöglich tat­sächlich mehr auf sich selbst fo­kussiert, ihm aber auch deutlich mehr Handlungsmacht gege­ben. Daniel Ellsberg, der 1971 ge­heime Pentagon-Papiere über den Vietnamkrieg an die Öffent­lichkeit brachte, musste noch al­les nächtelang per Hand kopie­ren: Ein Prozess, der für den Whistleblower äußerst riskant war und mehrere Monate in An­spruch nahm. Manning reichten ein paar CDs, die in wenigen Stunden kopiert waren."
[Quelle: Johannes Thumfart in der taz]
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Whistleblower-Preis 2013 
des VDW für Edward Snowden:

Seit ihrer Gründung 1959 durch Carl Friedrich von Weizsäcker und weitere pro­mi­nen­te Atomwissen­schaft­ler, die sich zuvor als "Göt­tin­ger 18" öffent­lich ge­gen eine ato­ma­re Be­waff­nung der Bun­des­wehr aus­ge­spro­chen hatten, fühlt sich die Ver­ei­ni­gung Deutscher Wissen­schaft­ler (VDW) der Tra­di­tion ver­ant­wort­licher Wis­sen­schaft ver­pflich­tet. -

Der Whistleblower-Preis wurde von der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW), der deutschen Sektion der International Association of Lawyers Against Nuclear Arms (IALANA) und der Ethikschutz-Inititative des International Network for Engineers and Scientists for Social Responsibility (INESPE) gestiftet und erstmals im Jahre 1999 vergeben.

Mit dem Preis sollen Persönlichkeiten geehrt werden, die in ihrem Arbeitsumfeld oder Wirkungskreis schwerwiegende, mit erheblichen Gefahren für Mensch und Gesellschaft, Umwelt oder Frieden verbundene Missstände aufgedeckt haben ("Whistleblower"). Die Begündung kann man hier nachlesen.
Quelle: wikipedia


Im Jahre 2011 war übrigens Bradley "Chelsea" Manning einer der beiden Preisträger (und 2003 Daniel Ellsberg).

Im April 2010 machte Anonymous (Bradley Manning) ein von den US-Behörden als Staatsgeheimnis gehütetes Dokumentations-Video über ein von US-Soldaten im Irak verübtes schweres Kriegsverbrechen via Wikileaks der Weltöffentlichkeit zugänglich. Das dienstlich aufgenommene Bord-Video zeigt die gezielte Tötung von mindestens sieben Zivilpersonen durch
die Besatzung eines US-Kampfhubschraubers am 12. 7. 2007 im Irak. 



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Demokratie aktualisieren

Die Wissenschaftler des VDW haben aktuell eine "Berliner Erklärung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu den Bedingungen der Demokratie in der DIGITAL-WELT" veröffentlicht.
Darin heißt es u.a.:

[...] "Als Expertinnen und Experten für die wissenschaftliche Analyse der sozialen und natürlichen
Lebensbedingungen unserer modernen Gesellschaft wissen wir, dass die rechtlich verfasste soziale
Demokratie ein zerbrechliches Gebilde ist. Sie muss täglich verteidigt und immer wieder neu erkämpft werden. Wenn die Menschen - und Bürgerrechte unter den Händen der Geheimdienste zerrieben werden, sind Freiheit und Verantwortung als die Grundlagen unseres Zusammenlebens in Gefahr. Die Demokratie wird nicht nur von außen bedroht, sie stellt sich auf diesem Wege selbst in Frage.


Wir stellen fest
  1. Deutschland braucht schnell einen „großen Diskurs“ unter gleichberechtigter Beteiligung der Politik, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft, um über die aktuelle Situation aus den Perspektiven unterschiedlichster Expertise zu beraten.
  2. Nach der Bundestagswahl muss umgehend eine neue, mit Parlamentarierinnen, Parlamentariern, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern paritätisch besetzte Enquete-Kommission zum „Schutz der Privatsphäre und der bürgerlichen Freiheiten“ eingerichtet werden.
  3. Deutschland muss sich für europäische und für globale Regelungen einsetzen, die sich den aktuellen Herausforderungen politischer, technischer und ökonomischer Entwicklungen der Digital-Welt stellen und die darauf zielen, demokratische Strukturen zu verteidigen und zu erneuern. Dazu gehört auch, unabhängiger von monopolistischen, zumeist US-amerikanisch dominierten Datenverarbeitungsstrukturen zu werden. Hierfür könnte ebenfalls eine Enquete-Kommission des Europäischen Parlaments den geeigneten Rahmen für den notwendigen öffentlichen Diskurs und die Entwicklung von tragfähigen Konzepten schaffen." [...] 
Die ganze Erklärung kann man hier lesen und herunterladen.
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