Links-Rechts-Test:
- Ist pro Putin links oder kontra Putin?
- Ist pro EU links oder kontra EU?
- Ist es links, europäische Entscheidungen ins Nationale zurückzuverlagern?
- Ist erneuerbare Energie links oder Verteidigung von Kohle? [Quelle]
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»Es war ein sehr bemerkenswertes Doppelinterview, das an diesem Wochenende in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung erschien und das vermutlich in beiden Parteien, der AfD und der Linken, noch für einigen Wirbel sorgen wird.
[...] die letzten Landtagswahlen haben gezeigt, dass es zumindest in der Wählerschaft der beiden Parteien starke Überschneidungen gibt: in großen Scharen wanderten da Linkswähler zur AfD ab. [...]
Frau Wagenknecht: "Wer sein Gastrecht missbraucht, hat es verwirkt."
Dieses Zitat steht auch am Anfang des Doppelinterviews und gibt Wagenknecht die Gelegenheit ihre umstrittene Position noch einmal zu verdeutlichen: "Wenn so viele Menschen nach Deutschland kommen wie infolge von Merkels Politik im vorigen Herbst, dann muss man auch dafür sorgen, dass Integration gelingt und die notwendigen Wohnungen und Arbeitsplätze vorhanden sind." Entscheidend sei jedoch, den Menschen in den Herkunftsländern zu helfen.
"Damit haben Sie gerade AfD-Positionen referiert", jubelt Petry.
Wenn die "Rechtsbeugung" durch die Regierungsseite oder die Ausnutzung des Asylrechts durch "Armutsmigranten" dazu führe, dass es in Deutschland einen Konkurrenzkampf unter den sozial Schwachen gebe, könne das doch auch nicht im Interesse einer linken Partei sei, appellierte sie an Wagenknecht. « [ZEIT-online 2.10.2016]
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Von zwei ganz unterschiedlichen Arten "links" zu sein ...
schreibt der französische Soziologe Didier Eribon in seinem Buch
Rückkehr nach Reims (edition suhrkamp), das im Jahr 2016 bisher schon 4 Auflagen erlebt am Beispiel seiner eigenen Famile.
- I. Das Links-Sein der ArbeiterInnen
- II. das Links-Sein der bürgerlichen Intellektuellen.
Eribon, Jahrgan 1953, Arbeiterkind aus Reims, heute Professo für Philosophie an der Universität Amiens, schreibt über seine Kindheit (a.a.O.):
Nr. I.
"Kleine und mittelschwere Straftaten waren [bei uns] im Viertel die Regel, sie waren eine Art Volkssport, ein unbeugsamer Widerstand gegen die Gesetze eines Staates, den man im Alltag nur als das allgegenwärtige Machtmittel des Klassenfeindes erlebte.
Nicht selten hatten die Nachbarn meiner Großeltern vierzehn oder fünfzehn Kinder.[...]
Die Kommunistische Partei
hielt sich allerdings ebenfalls gut. Die Parteimitgliedschaft war, jedenfalls bei den Männern, ziemlich verbreitet. Frauen nahmen an den Treffen der »Parteizellen« und bei anderen »aktivistischen« Anlässen nicht teil, trugen die Ansichten ihrer Ehemänner aber mit. Für die Ausbreitung und Verfestigung des politischen Zugehörigkeitsgefühls, das so eng und intuitiv mit einem sozialen verbunden ist, war das Parteibuch gar nicht notwendig.
»Die Partei« brauchte keine weiteren Attribute, es war klar, von welcher man sprach. Mein Großvater, mein Vater und seine Brüder gingen gemeinsam zu den regelmäßig von der nationalen Parteiführung einberufenen Versammlungen [...] . Man wählte stets den kommunistischen Kandidaten und wetterte gegen die »faulen Kompromisse« und gebrochenen Versprechen der »falschen«, das heißt sozialistischen Linken — gab dieser aber doch seine Stimme, wenn das im zweiten Wahlgang nötig war. [...]
»Die Linke«
war ein starker und bedeutsamer Ausdruck. Man hatte eigene Interessen zu verteidigen und wollte die eigene Stimme hörbar machen. Jenseits von Streiks und politischen Demonstrationen vertraute man zu diesem Zweck sich selbst und seine Wählerstimme den »Repräsentanten der Arbeiterklasse« an, den politischen Verantwortungsträgern, deren Entscheidungen und Diskurse man durch den Akt der repräsentativen Wahl in ihrer Gesamtheit mittrug und bestätigte. [...]
Und wenn sich am Wahlabend wieder einmal abzeichnete, dass die Rechte gewonnen hatte, folgte der Wutausbruch; man ereiferte sich über die »gelben« Arbeiter, die »gaullistisch« und somit gegen sich selbst gestimmt hätten. Wie oft ist dieser — de facto immer nur partielle — Einfluss der Kommunisten auf verschiedene populäre Milieus der fünfziger bis siebziger Jahre beklagt worden. Und wie selten hat man sich bemüht, diesen Einfluss einmal aus der Sicht derjenigen zu betrachten, die man umso schneller verurteilt, als sie sich nicht öffentlich äußern können. [...]
- Die Zustimmung zu kommunistischen Werten gründete sich auf dringlichere, konkretere Sorgen und Nöte." [...]
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Nr. II.
"Links zu sein, sagt - im Unterschied und Gegensatz dazu - der französische Philosopg Gilles Deleuze (1925-1995) in seinem Abécédaire[1],
- das heiße, »eine Horizontwahrnehmung« zu haben (die Welt als ganze zu sehen, die Probleme der Dritten Welt wichtiger zu finden als die des eigenen Viertels).
- Nicht links zu sein hingegen bedeute, die Wahrnehmung auf das eigene Land, auf die eigene Straße zu verengen.
- Seine Definition ist der Art, in der meine Eltern links waren, diametral entgegengesetzt.
Für Arbeiter und Leute aus armen Verhältnissen bestand das Linkssein vor allem darin, ganz pragmatisch das abzulehnen, worunter man im Alltag litt.
Es ging um Protest, nicht um ein von globalen Perspektiven inspiriertes politisches Projekt.
Man schaute auf sich selbst, nicht in die Ferne, und zwar in geschichtlicher wie in geografischer Hinsicht. Und auch wenn man oft wiederholte, dass »eine richtige Revolution« vonnöten sei, so war diese Formel doch eher auf die eigenen Lebensumstände mit ihren Härten und Ungerechtigkeiten gerichtet als auf einen Umsturz des politischen Systems. [...]
Mein Vater: »Die rote Fahne ist die Fahne der Arbeiter!«
Später fühlte er sich beleidigt und angegriffen von der Art, wie Valery Giscard d'Estaing [Von 1974 bis 1981 war Giscard d’Estaing Staatspräsident von Frankreich] sein großbürgerliches Ethos, seine affektierten Gesten und grotesken Redeweisen in die französischen Wohnzimmer trug. Auch die Journalisten und Moderatoren politischer Sendungen beschimpfte er, und er freute sich diebisch, wenn jemand, den er als Sprachrohr seiner eigenen Gedanken und Gefühle ansah — dieser oder jener stalinistische Apparatschik mit Arbeiterakzent —, die Spielregeln der Medienmacht auf eine Weise durchbrach, die man heute, wo die Unterwerfung der Politiker und fast aller Intellektueller quasi total geworden ist, gar nicht mehr kennt, indem er auf das typische entpolitisierte Geplänkel einfach nicht mehr antwortete und stattdessen die tatsächlichen Probleme der Arbeiter ansprach, womit er all jene würdigte, die bei solchen Gelegenheiten niemals sprechen und deren Existenz aus dem Feld der legitimen Politik systematisch ausgeschlossen wird. [...]
Die Anrufung der Revolution, über deren Details man nie nachzudenken brauchte, war eine Art Mythos gegen den Mythos, eine Form der verbalen Notwehr gegen böswillige Kräfte (Rechte, Reiche Mächtige), die alles zu kontrollieren schienen und deren dunkle Macht man hinter jedem Unheil vermutete, das sich im Leben der »kleinen Leute«, der »Leute wie wir« ereignete.
Für meine Familie teilte sich die Welt in zwei Lager.
Entweder man war »für die Arbeiter« oder man war gegen sie, entweder man »verteidigte« die Arbeiter oder man tat nichts für sie. [...] Auf der einen Seite das »Wir« und das »Mit uns«, auf der anderen das »Sie« und das »Gegen uns«.
Wer erfüllt heute die Funktion, die damals »die Partei« innehatte?
Von wem dürfen sich die Ausgebeuteten und Schutzlosen heute vertreten und verstanden fühlen? An wen wenden und auf wen stützen sie sich, um politisch und kulturell zu existieren, um Stolz und Selbstachtung zu empfinden, weil sie sich legitim, da von einer Machtinstanz legitimiert, fühlen? [...]"
[1] eigentlich ABC-Täfelchen, die vom 15. -19. Jahrhundert als Lernhilfen für Kinder dienten [Wikipedia]. In diesem Fall ist eine französische Fernsehserie gemeint, „L'Abécédaire de Gilles Deleuze“, die zwischen 1988–1989 produziert wurde und aus einem fast 8-stündigen Gespräch mit Gilles Deleuze besteht. Auf deutsch: 3 DVDs, ca. 22 Euro. - Gilles Deleuze, »Gauche / Die Linke«, in: Abécéclaire. Gilles Deleuze von A bis Z (DVD), Berlin: absolut Medien 2009 [1988 / 89].
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Die kommunistische und zugleich "rechte" Familie
25 Prozent der Franzosen werden nächstes Jahr im ersten Wahlgang für Marine Le Pen stimmen. Meine Mutter, meine Brüder, viele ihrer Bekannten werden voraussichtlich für den FN stimmen. Wenn man sie fragt, warum, sagen sie, dass es schlimmer nicht werden kann und dass sie nichts zu verlieren haben.
"Mir ist durchaus bewusst," - schreibt Didier - "dass das Programm und der Erfolg des Front National von den Gefühlslagen der Arbeiterklasse in den sechziger und siebziger Jahren in vielerlei Hinsicht geprägt bzw. hervorgerufen wurden.
Hätte man aus dem, was damals tagtäglich in meiner Familie gesprochen wurde, ein politisches Programm stricken wollen, es wäre, obwohl man hier links wählte, dem der Rechtsextremen wohl ziemlich nahegekommen:
- Forderungen, Einwanderer wieder abzuschieben;
- »nationales Vorrecht« auf Arbeitsplätze und Sozialleistungen;
- Verschärfung des Strafrechts und der Strafverfolgung;
- Beibehaltung und Ausweitung der Todesstrafe; #
- die Möglichkeit, die Schule bereits mit vierzehn Jahren zu verlassen, usw.
Ein tiefsitzender Rassismus, der eines der dominanten Merkmale der weißen Arbeitermilieus und Unterschichten ausmachte, hat die Eroberung einer ehemals kommunistischen Wählerschaft durch den Front National (oder von jungen Wählern, die gleich für den FN stimmten — offenbar fiel es Arbeiterkindern deutlich leichter, systematisch die Rechten zu wählen) vielleicht erst ermöglicht oder jedenfalls erheblich begünstigt.
- »Sie übernehmen das Land«,
- »Sie verdrängen uns«,
- »Sie kriegen Sozialhilfe und Kindergeld, und für uns bleibt nichts«."
Als meine Eltern Mitte der sechziger Jahre ihre Sozialwohnung am Stadtrand erhielten, in der auch ich zwischen meinem dreizehnten und zwanzigsten Lebensjahr wohnen sollte, gab es dort nur Weiße.
Erst Ende der Siebziger, lange nach meinem Auszug,kamen maghrebinische Familien und waren in der Wohngegend schnell in der Mehrheit. Rassistische Reflexe, die in Alltagsgesprächen schon immer zu hören gewesen waren, erfuhren dadurch eine spektakuläre Verschärfung.
Doch weil es sich dabei um zwei Wahrnehmungsebenen handelte, die sich kaum überschnitten, hatte dies politisch zunächst keine großen Auswirkungen:
- Man wählte eine Partei (»die Partei«), die sich gegen den Algerienkrieg ausgesprochen hatte,
- man schloss sich einer Gewerkschaft an (der CGT'), die offiziell den Rassismus anprangerte,
- man fühlte sich politisch als linker Arbeiter.
Außerhalb des engsten Familienkreises fühlte man sich verpflichtet, rassistische Äußerungen zurückzunehmen oder sich für sie zu entschuldigen.
Nicht selten begannen oder endeten Sätze mit der Formel
- »aber ich bin kein Rassist«,
- oder man hob demonstrativ hervor, dass es »bei denen« auch »normale Leute« gebe, um dann das Beispiel von diesem oder jenem »Kerl« aus der Fabrik zu bringen, der sich so und so verhalten habe."
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Rechts oder links?
"So widersprüchlich es klingen mag, bin ich mir doch sicher, dass die Zustimmung zum Front National zumindest teilweis als eine Art politische Notwehr der unteren Schichten interpretieren muss. Sie versuchten, ihre kollektive Identität zu verteidigen, oder jedenfall eine Würde, die seit je mit Füßen getreten worden ist und nun sogar von denen missachtet wurde, die sie zuvor repräsentiert und verteidigt hatten." (Eribon)
Ob in Frankreich, Deutschland oder USA (aber derzeit
nicht in Griechenland, Spanien, Porugal):
Die Abgehängten und/oder die, die befürchten, abgehängt zu werden, wenden sich nach rechts (Front National, AfD, Trump).
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Hillary Clinton und Marie Antoinette. Für die USA schreibt die US-amerikanische Journalistin Anjana Shrivastava:
»[...] Doch all das ist unter dem Radar der hoch fliegenden New Yorkerin Hillary Clinton. Die ehemalige Präsidentengattin und heutige Kandidatin ist eher unter den Reichen und Schönen der Städte auf Sponsorenabenden anzutreffen, wo sie sich laut der ihr eigentlich wohlgesonnen New York Times sichtlich wohl und entspannt fühlt – als sei sie auf Familienhochzeiten unterwegs.
Neulich sprach sie auf so einer Veranstaltung über die Hälfte der Trump-Wähler als ein „basket of deplorables“, ein „Haufen der Bedauernswerten und Armseligen“. So sieht sie die Menschen, die Trumps Lügen, seine Fremdenfeindlichkeit und seinen Frauenhass nicht gebührend abstrafen, nur weil sie wirtschaftlich und kulturell verzweifelt sind. Sollte Hillary Clinton in November wider Erwarten verlieren, wäre dieser Ausspruch über die „Deplorables“ ihr Marie-Antoinette-Satz: „Wenn sie kein Brot haben, dann sollten sie Kuchen essen.“ Ein Satz, der Alternativen voraussetzt, die manche Amerikaner nicht mehr sehen.
Dabei wäre es Clintons Aufgabe, diese [?] Alternativen dem Wahlvolk nahezubringen. «
Frage:
Und warum gehen bildungsbürgerliche Intellektuelle ("Neue Rechte", "Identitäre") nach rechts?