Mittwoch, November 02, 2016

"Gegen den Hass" - Leichter geschrieben als getan.

Zum Buch
»In ihrer repräsentativen Umfrage „Deutsche Zustände“ stellten die Soziologen um den Bielefelder Forscher Wilhelm Heitmeyer eine „Vereisung des sozialen Klimas“ fest. Sie sprechen von einem „verrohenden Bürgertum“. Vor allem bei den knapp 20 Prozent Wohlhabenden oder Reichen diagnostizieren sie eine erschreckend zunehmende Islamfeindlichkeit.
Die „taz“ titelt dazu: „In der Mitte der Gesellschaft wächst der Hass.“«
[Quelle; Dezember 2010!)

Kanzlerin Merkel hat das ganz treffend formuliert:
"All das was ich Ihnen hier sage, wird niemanden überzeugen,
der immer nur, und das auch noch ausdauernd, „Merkel weg“ schreit. Das ist mir klar. Es heißt ja neuerdings, wir lebten in postfaktischen Zeiten. Das soll wohl heißen, die Menschen interessieren sich nicht mehr für Fakten, sie folgen allein den Gefühlen.
Und das Gefühl einiger geht so: Ich triebe unser Land in die Überfremdung, Deutschland sei bald nicht mehr wiederzuerkennen,
und nun wäre es unlogisch, dies mit Fakten zu kontern, auch wenn ich – dafür kennen Sie mich ausreichend – sofort in der Lage wäre, das herunterbeten zu können.
Ich will dem also meinerseits mit einem Gefühl begegnen: Ich habe das absolut sichere Gefühl, dass wir aus dieser zugegeben komplizierten Phase, besser herauskommen werden, als wir in diese Phase hineingegangen sind."  [Quelle; Angela Merkel, September 2016]
Gefühl gegen Gefühl. - Auch keine Lösung. - Und nun? Wie weiter?
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Postfaktische Kommunikation. Ein Beispiel.

 Jüngst bekam ich eine Mail von einer gut situierten Kollegin aus der Mittelschicht:

[Quelle; Dezember 2010!)
"Habe aber neulich gelesen , dass ein Syrer mit 4 Frauen und 23 Kindern hier Asyl bekommt und monatlich mehr als 30000 €!"


Diese Geschichte war wohl irgendwie an mir vorbei gegangen.
Ich wollte es aber nun (möglichst) wissen, wie das in diesem Fall ist mit den Fakten und habe recherchiert in "linken" und "rechten" Medien und in "neutralen" ... .

Heraus kamen dabei Fakten und Gefühle.

  • 4! Frauen: Das gehört sich nicht. Unanständig. Unmoralisch. Sexuell überaktive Araber! - Wie die auf der Kölner Domplatte an Silvester 2015. - Ich muss meine Töchter davor schützen. - Angst? Berechtigte Angst? Erzeugte Angst? Sexual-Neid?
  • 23! Kinder: Das sind fast 6 Kinder pro Frau. - Wer soll das bezahlen? Wir geben uns mit 1,4 Kindern und 1 Frau zufrieden - Die kassieren unser Kindergeld. Von unseren Steuergeldern.- Wir kommen zu kurz - die bekommen alles in den After geschoben. - Neid? Sozial-Neid? Berechtigte und begründete Kritik? Asoziale syrische Männer, die es sich in Deutschland auf unsere Kost gut gehen lassen? Oder asoziale deutsche Mittelschicht, die ausgebombte Flüchtlinge nicht vor ihrem freistehenden Einfamilienhaus oder ihrem sauer ersparten Reihenendhaus sehen möchten?
  • Asyl? - Oder nur Asylbetrug? Berechtigtes Misstrauen oder übertriebenes Misstrauen? 

Die vorläufige Faktenlage:
  • Ja, diese Familie gibt es.
  • Sie kamen (getrennt) 2015 nach Deutschland.
  • Nach Angaben der Stadt Montabaur reisten die Frauen mit den Kindern jeweils unabhängig von einander nach Deutschland.
  • Ja, die Familie habe aufgrund ihrer eigenen konservativen Strukturen anfangs große Probleme bei der Betreuung hervorgerufen.
  • Eine weitere Großfamilie mit vier Ehefrauen und mehr als 20 Kindern sei dem Amt zumindest im Westerwaldkreis nicht bekannt.
  • Eine Zusammenführung der Großfamilie fand nicht statt und sei auch nicht geplant.
  • Die Mehrfachehe des Mannes wird nicht anerkannt.
  • Der Mann musste sich entscheiden, mit welcher seiner Frauen er eine Bedarfsgemeinschaft bilden möchte, was innerfamiliäre Konflikte auslöste.
  • Mit dieser Frau und ihren Kindern lebt er in Montabaur als Bedarfsgemeinschaft.
  • Eine andere der Frauen lebt mit Kindern in der Nachbargemeinde, zwei Frauen mit Kindern leben im Bereich Koblenz. 
  • Diese gehören NICHT zu der Bedarfsgemeinschaft (Was für die Berechnung des Unterhalts von Bedeutung ist).
  • Die Zahl 30.000 ist rein fiktiv. Sie wurde von „HubertKönigsstein, Diplom-Finanzwirt beim Deutschen Arbeitgeberverband“ ins Spiel gebracht, der sie am grünen Tisch - korrekt - errechnet hat-Aber unter der Maßgabe, dass alle 4 Ehen als Ehen nach deutschem Recht und alle 28 Personen als "Bedarfsgemeinschaft" anerkannt würden.
  • Dieser "Deutsche Arbeitgeberverband Markt & Freiheit e.V." hat mit dem "richtigen" Deutschen Arbeitgeber-Verband nichts zu tun, möchte aber offensichtlich den Anschein erwecken, er habe es. Der "richtige" heißt „Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA).  
  • »Während [dieser] Deutsche Arbeitgeber Verband auf seiner Homepage die Reizthemen unserer Zeit ausgiebig erörtert, geizt er mit Angaben über seine Mitglieder. … Mitglied in der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) ist der Wiesbadener Verein nicht. Die Vermutung liegt deshalb nahe, dass hinter dem Verband nur eine Handvoll Leute stehen, die mit Hilfe eines Internet-Auftritts politisch Mimikry betreiben. In der öffentlichen Wahrnehmung ist der Verband bislang kaum präsent. Das zeigen nicht zuletzt die bescheidenen Zugriffszahlen seines Internetportals.« [Zitat-Quelle] 

Wie ahnte Kanzlerin Merkel schon im September 2015:
 »All das was ich Ihnen hier sage, wird niemanden überzeugen,
der immer nur, und das auch noch ausdauernd, „Merkel weg“ schreit. Das ist mir klar. Es heißt ja neuerdings, wir lebten in postfaktischen Zeiten. Das soll wohl heißen, die Menschen interessieren sich nicht mehr für Fakten, sie folgen allein den Gefühlen.«

Auch der Kollegin waren die Fakten egal,  die ich mühsam - ich hatte die Illusion: Auch für sie - herausgefunden hatte. Warum? Egal ob 5000 oder 50000 - WIR müssen für die Ausländer zahlen. Und das ist das Gefühl, das gegen Fakten resistent ist.

Was die gelernte Physikerin sagt, weiß die Biologie schon lange: 


Fakten und Gefühle werden in ganz getrennen Teilen des Gehirns verarbeitet.
  • Die Fakten hinter der Stirn im Frontalhirn, 
  • die Gefühle ganz im der Tiefe des Gehirns, im limbischen System und im Stammhirn, von manchen scherzhaft auch "Amphibienhirn" genannt, weil es auch die Krokodile schon besaßen. - In diesen Teilen befinden sich die Funktionen und Gefühle, die man für das Lesen und Diskutiren nicht benötigt, sehr wohl aber für das Überleben:
    Hunger, Durst, Sex, Reflexe, Auf-der-Hut-Sein vor dem Feind ... .
    Das ist auch gut so, ohne diese Teile wäre alles Leben nicht, aber es ist nicht alles.
Eine Verbindung zwischen beiden wird oft erst durch starke persönliche und existenzielle Er-Fahrungen, Er-Lebnisse, Er-Schütterungen hergestellt, z.B. wenn ich meinen Arbeitsplatz für bombensicher hielt und dann plötzlich auf die Straße gesetzt werde.  - Oder wenn eine gut situierte Person (Reihenendhaus auf Kredit) in einem für sicher gehaltenen Land selber ausgebombt wird, ins Ungewisse fliehen muss, selber die Erfahrung macht, auf die Hilfe anderer und völlig fremder Menschen angewiesen zu sein. - Dann kann es plötzlich "Klick" machen... . -

Bis dahin sind Worte nichts als Worte und Bücher nichts als bedrucktes Papier.

Quelle

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