Montag, August 27, 2018

Chemnitz und anderswo: "Wir jagen sie"

"Polizeiruf 110" in der ARD vom 18.8.2018 - exakt eine Woche vor der Jagd auf Nicht-Weiße in Chemnitz:
Vier Jugendliche (er-)schlagen in München einen farbigen Mann muslimischer Herkunft, der ein deutsches weißes Mädchen mit einem Messer bedrängt und bedroht haben soll. - Kriminalhauptkommissar Hanns von Meuffels versucht die Vorgänge zu klären und gerät dabei in einen Sumpf von Halbwahrheiten. ...
In Chemnitz fing alles damit an, dass BILD berichtete, ein Ausländer habe eine deutsche weiße Frau mit einem Messer bedrängt und erstochen: Die halbe Wahrheit. Das Opfer war ein männlicher Deutsch-Kubaner. 
King Kong und die weiße Frau
Deutscher Originalverleihtitel vom Jahresende 1933:
Die Fabel von King Kong.
Der Film startete am 1. Dezember 1933
in den deutschen Kinos.

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Im Polizeiruf-Film galt immerhin noch die Gewaltenteilung, man ging zur Polizeiwache, um die genauen Tat-Vorgänge zu klären (auch das endete allerdings böse); in Chemnitz griffen 800 oder 1000 Menschen nach einem Aufruf ultra-rechter Netzwerke gleich zur Selbstjustiz . AfD Bundestagsabgeorneter Markus Frohnmaier fand das hinterher gut so und twitterte: “Heute ist es Bürgerpflicht, die todbringendendie ‘Messermigration‘ zu stoppen!” Und: “Wenn der Staat die Bürger nicht mehr schützen kann, gehen die Menschen auf die Straße und schützen sich selber. Ganz einfach!” [Quelle]

Die Polizei war überfordert. Die Polizei in Chemnitz war auch am Abend darauf wieder überfordert.

Mich erinnert das an die Bürgerrechts-Bewegung (Martin Luther King, Malcolm X ...)in den USA der 1950er und 1960er Jahre, als die Polizei in den Südstaaten der USA sich ebenfalls "überfordert"(?) zeigte, die neuen Bürgerrechts-Gesetze  umzusetzen. Der US-Präsident sah sich genötigt, Bundestruppen, die Nationalgarde, in die Südstaaten zu entsenden, um dort Recht und Gesetz auf der Straße durchzusetzen. Die Polizei in den Südstaaten war überfordert, weil sie selber mit Rassisten durchsetzt war. Wenn bei den letzten Bundestagswahlen (2017) die AfD mit 27% der Stimmen stärkste Partei in Sachsen wurde, kann man wohl davon ausgehen, dass auch innerhalb der sächsischen Polizei das AfD-Gedankengut entsprechenden Zuspruch findet.
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September 2017
Quelle
"Da wir ja nun offensichtlich drittstärkste Partei sind, kann sich diese Bundesregierung (…) warm anziehen. Wir werden sie jagen, wir werden Frau Merkel oder wen auch immer jagen – und wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen."  
Alexander Gauland nach dem Einzug der AfD mit rund 13,4 Prozent in den Bundestag Ende September 2017. ___________________________________________________

Sonntag, 26.8.2018, Menschenjagd in Chemnitz

Nach dem gewaltsamen Tod eines 35-Jährigen in Chemnitz sind hunderte Rechtsradikale durch die sächsische Stadt gezogen; die Polizei sprach von 800 Menschen, die sich am Sonntag gegen 16.30 Uhr versammelten. Auf Facebook hatte eine Ultra-Gruppe des Chemnitzer FC das Motto ausgerufen:  
„Zeigen, wer in der Stadt das Sagen hat.“
Dem kam die Menge nach und veranstaltete regelrechte Jagdszenen auf Migranten, wie Nutzer auf Twitter schrieben. In einem Video ist zusehen, wie dunkelhaarige Menschen von pöbelnden Rechten gejagt werden. „Haut ab! Was ist denn, ihr Kanaken?“ [Quelle]

  • Elendes Viehzeug!
  • Das ist unsere Stadt!
  • Raus aus unsrer Stadt!
  • Wir sind das Volk!
  • Für jeden deutschen Toten einen deutschen Ausländer!
  • Merkel raus!
  • Wie die rennen, die Zecken, das gibt`s ja nicht!
  • Deine Kinder, die sollen sie mal abstechen! 
  • Das System ist am Ende - Wir sind die Wende! [Quelle AfD-Livestream]
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„Jetzt sehen Sie, wie Jagd geht, wir sind beim Jagen“
Gemeint war damals die Jagd auf CDU und CSU,
um diese weiter nach "rechts" zu treiben. -

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Ortswechsel. Rottenburg am Neckar, 2014,
der CDU-Oberbürgermeister spricht:


Bei einer Feier des Rottenburger Bezirksseniorenrats sagte der OB, kurz vor der Europawahl 2014, vor etwa 60 Gästen, die rechtspopulistische AfD sei brandgefährlich, und dann folgende Sätze:
"Man sollte nicht solchen AfD-Nazis auf den Leim gehen. Die sind schlimmer als
die NPD, denn die sagt wenigstens, was sie vorhat."
Zwei Personen zeigten Neher an,
und die Staatsanwaltschaft Tübingen nahm Ermittlungen auf, u.a. wegen übler Nachrede und Verleumdung. Letztendlich wurde das Verfahren gegen die Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 3000 Euro eingestellt: Je 1000 Euro an den Förderverein für krebskranke Kinder, die Deutsche Rettungsflugwacht und den Verein Jugend und Bewährungshilfe.
Inaltlich sieht sich Neher weiter im Recht. Den Begriff "AfD-Nazis" hätte er jedoch besser vermieden, sagte er später, und sie Nationalisten nennen sollen.
Im März 2018 richtete die Stadt Rottenburg die "Internationalen Wochen gegen Rassismus" aus. In einem Grußwort sagte der OB, dass das Erstarken extremer politischer Parteien ein friedliches Zusammenleben in Respekt und Toleranz gefährde. Mit der AfD sitze im Bundestag nun,
"eine Partei bei der Ausländerfeindlichkeit und Rassismus im Programm stehen". 

Mitte August 2018 bekommt der OB Post von der Kripo: Erneut eine Anzeige.
Neher wehrt sich:
"Dass die AfD populistisch gegen Flüchtlinge und Ausländer*innen Stimmung macht, ist offensichtlich, wenn die Landtagsfraktion in Baden-Württemberg unsere Landtagspräsidentin Aras aufgrund ihrer türkischen Wurzeln nicht als Präsidentin akzeptiert, wenn Herr Gauland die frühere Integrationsbeauftragte Aydan Özogus (SPD) am liebsten in Anatolien entsorgen will oder wenn Alice Weidel im Bundestag davon spricht, dass 'Burkas, Kopftuchmädchen und alimentierte Mesermänner und sonstige Taugenichtse' nicht den Wohlstand, das Wirtschaftswachstum und vor allem den Sozialstaat in Deutschland sichern." 
Diesmal wird er kein Bußgeld zahlen, betont der OB auf Anfrage. "Ich gehe davon aus, dass das Verfahren ohne Auflagen eingestellt wird", sagt er. [Quelle]

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Wien, 1930er Jahre. Wehrte den Anfängen.

Unbequem war Karl Kraus vor und dann auch nach dem Ersten Weltkrieg,
alarmiert durch die Vorboten des aufziehenden Nationalsozialismus.
Karl Kraus war einer der gefürchtetsten Kritiker der Zwischenkriegszeit in Österreich und pflegte wichtige Gegner in seiner Zeitschrift Die Fackel publizistisch zu „erledigen“. Den Polizeipräsidenten Johann Schober, der den stark überschießenden Polizeieinsatz vom 15. Juli 1927 verantwortete, forderte er auf Plakaten zum Rücktritt auf. Plakattext: "Ich fordere Sie auf, abzutreten".
Immer eindringlicher warnte er vor der drohenden "Entmenschlichung" nach einer möglichen Machtergreifung Hitlers, wie etwa in der Vorlesung "Hüben und Drüben" , wo er auch die sich mit dem Nationalsozialisten arrangierte Sozialdemokratie attackierte. [Quelle]


 

Bundeskanzler Österreichs war ab 1932 Engelbert Dollfuß.

Engelbert Dollfuß
(*1892 in Texing, Niederösterreich; ermordet im Bundeskanzleramt am 25. Juli 1934 in Wien) war von 1932 bis 1934 Bundeskanzler, Österreichs - ab 5. März 1933 diktatorisch regierend.

1932 auf demokratischem Weg ins Kanzleramt gelangt, nutzte der christ-soziale Dollfuß eine Geschäftsordnungskrise bei der Nationalratssitzung vom 4. März 1933 zu einem Staatsstreich. Nach der Ausschaltung von Parlament und Verfassungsgerichtshof regierte Dollfuß diktatorisch per Notverordnung. Dem italienischen Faschismus und der katholischen Kirche nahestehend, lehnte er den Nationalsozialismus deutscher Prägung, die durch die Verfassung garantierte pluralistische Demokratie, den demokratischen Rechtsstaat und die Sozialdemokratie ab. Dollfuß war Begründer des austrofaschistischen Ständestaats.
Dollfuß hatte einen Staatssekretär für Sicheitsfragen,  Emil Fey, dem sein Kanzler nicht "rechts" genug war; Fey liebäugelte mit Hitler und dem deutschen Nationalsozialismus. -  Kurze Zeit war Fey auch Österreichs Vizekanzler, doch Dollfuß traute im zu Recht nicht so richtig über den Weg und entmachtetete ihn nach und nach immer mehr. Am 25. Juli 1934 gab es dann einen nationalsozialistischen Putsch gegen die österreichische Regierung; Fey war bei Dollfuß im Bundeskanzleramt und stand immer wieder im Verdacht, mit den Putschisten zu sympathisieren. Kanzler Dollfuß wurde von Otto Planetta und einem anderen Putschisten, vor denen er zu flüchten versuchte, je einmal angeschossen und verblutete, weil ihm die Putschisten ärztliche Hilfe verweigerten. Der sog. Juliputsch scheiterte, weil sich das Heer nicht auf die Seite der Putschisten schlug.
Auf diesen Putsch bezieht sich die Szene aus dem Roman(!) "Die Überwindlichen" (2018):



Karl K. [Karl Kraus] träumte, er saß in einem Raum in der Nähe von Engelbert [Dollfuß]. Der Raum befand sich in einem Palast, der Palast in der Nachbarschaft der Wiener Hofburg. [...] Aus dem Raum gingen etliche Männer hinaus. Karl K. wußte im Traum sogar, sie waren Mitglieder eines Ministerrats, Engelberts Vertraute, und jetzt verschwanden sie.
Karl K. wollte im Traum Engelbert warnen. Er müsse vorsichtig sein, er schwebe in Gefahr. Aber er wußte nicht genau, um was für eine Gefahr es ginge, und er konnte in diesem Traum kein einziges Wort aussprechen.
Die Tür öffnet sich, ein Mann tritt ein. Er heißt Friedrich von lsenberg [Emil Fey?] . Er ist in diesem Traum der Innenminister des österreichischen Ständestaates. Er ist um einen Kopf größer gewachsen als Engelbert. Er sagt, Engelbert müsse vorsichtig sein, er schwebe in Gefahr. Man plant einen verbrecherischen Anschlag gegen ihn. Die Mörder wimmeln in der ganzen Stadt, sie lauern schon um den Palast. Engelbert soll die Flucht ergreifen, aber schnell, ein bißchen schneller. Es gibt einen geheimen unterirdischen Gang, der zur Hofburg führt. Dort wäre er vorübergehend in Sicherheit.

Engelbert antwortet, er habe sich einer Gefahr bisher noch nie durch Flucht entzogen, auch nicht im Krieg, wo er tüchtig und mutig kämpfte. Er habe eine Sendung, die in der Rettung dieses Landes vor dem Untergang bestehe, und solange er lebt und diese Aufgabe besteht, wird er den Palast, wo sie sich jetzt befinden, nicht verlassen. Solange er lebt und seine Tätigkeit in diesem Palast ausübt, kann unsere Heimat nicht untergehen, sie kann ihre Selbständigkeit nicht verlieren.
Da er zierlich von Statur ist, nennen ihn seine politischen Feinde verächtlich „Millimetternich". Er heißt bei ihnen auch „Der Noch-nie-dagewesene". 
Der Innenminister, der auch das Amt „Generalstaatskommissär für außerordentliche Sicherheitsmaßnahmen zur Bekämpfung staatsfeindlicher Bestrebungen" bekleidet, entgegnet seinem Oberhaupt: In diesem Fall fühle er sich gezwungen, den Polizeipräsidenten anzurufen und um eine bewaffnete Schutzwache zu bitten, sonst könnte er die Sicherheit des Bundeskanzlers nicht garantieren, denn die Gewehre der Ehrenwache vor dem Palast sind mit Platzpatronen geladen.
Er tritt zum Telephonapparat und führt ein kurzes Gespräch, dessen Worte Karl K. im Traum zwar hören, jedoch nicht verstehen kann. Dann kommt er zurück und sagt seinem Oberhaupt mit klaren, verständlichen Worten, daß ein Lastkraftwagen mit vierzig bewaffneten Polizisten, die Engelbert vor seinen Feinden beschützen sollen, in acht bis zehn Minuten ankommt.
Und Karl K. hört schon im Traum den Motorlärm des Wagens, der ankommt, um Engelbert zu beschützen. Und er sieht im Traum durch das Fenster, wie die Mannschaft der Ehrenwache mit Platzpatronen aus dem offenen Tor hinausmarschiert, um Engelbert zu beschützen, wie der Lastwagen mit den Bewaffneten in Polizeiuniform hereinfährt, um Engelbert zu beschützen, wie sie hinabspringen und das Tor hinter sich schließen, wie sie mit stampfenden Stiefeln die Treppe hinauflaufen, um Engelbert zu beschützen. Sie umringen Engelbert, um ihn zu beschützen.
Ein Schuß fällt im Traum, und Engelbert sinkt zu Boden im Traum. Er lebt noch im Traum. Er wälzt sich in einer Blutlache und röchelt im Traum.
„Wir möchten dich nur gefangennehmen, sonst tun wir dir nichts!" - sagen die Beschützer und ziehen ihrem Schützling den Trauring vom Finger, dann schnallen sie ihm auch die Armbanduhr ab. Engelbert bittet um einen Arzt, sonst werde er verbluten.
„Wir möchten dich als Geisel festhalten, sonst tun wir dir nichts!" - sagen die Beschützer und treten ihn mit schweren Stiefeln.
Engelbert bittet um einen Priester, damit er beichten und die letzte Ölung empfangen kann.
„Wir möchten dich vorläufig dingfest machen, sonst tun wir dir nichts!" - sagen die Beschützer und bespucken ihn. - „Das soll deine letzte Ölung sein!"
Der Innenminister, zugleich und eigentlich „Generalstaatskommissär für außerordentliche Sicherheitsmaßnahmen zur Bekämpfung staatsfeindlicher Bestrebungen" entsichert seinen Revolver im Traum und schießt von nächster Nähe Engelbert in den Kopf im Traum, und Engelbert liegt nun tot auf dem Boden, von eigenem Blut und fremdem Speichel beschmiert, im Traum. Als Karl K. mitten in der Nacht aus diesem Traum aufschrak, war er klatschnaß vor Schweiß.
 
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Freitag, August 10, 2018

Deutschland, Europa und das Neue Reich. "Wenn schon die ganze Welt ihre Diktatoren hat..."

Wenn man das Buch von Thomas Karlauf liest, dann sieht man manchmal beklemmende - zumindest bemerkenswerte - Ähnlichkeiten ...

DIE ZEIT (Fritz J. Raddatz) schreibt Ende August 2007:

Aber durchaus spannt Thomas Karlauf auch den bösen Zauberkreis auf, schlägt den Zirkel zu jener Fatalität, die ebenso mit dem Namen George verbunden ist und die der Biograf keineswegs unterschlägt: "Die polemische Distanzierung von allem Politischen gehörte ins Repertoire des rechten Irrationalismus und trug dazu bei, den Boden für die braune Saat zu bereiten." Denn auch das schmählich Weihevolle wusste ein Dichter zu rhythmisieren, dem Goebbels zum 65. Geburtstag ein Glückwunschtelegramm schickte und über den Brecht sagte: "Die Säule, die sich dieser Heilige ausgesucht hat, ist mit zuviel Schlauheit ausgesucht, sie steht an einer zu volkreichen Stelle"; auch übel riechenden Dunst konnte George uns zufächern:
Der sprengt die ketten fegt auf trümmerstätten
Die ordnung, geisselt die verlaufnen heim
Ins ewige recht wo grosses wiederum gross ist
Herr wiederum herr, zucht wiederum zucht, er heftet
Das wahre sinnbild auf das völkische banner
Er führt durch sturm und grausige signale
Des frührots einer treuen schar zum werk
Des wachen tags und pflanzt das Neue Reich.
Dieses schlingernde Leben weiß Thomas Karlauf nachzuzeichnen. (DIE ZEIT)
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Ich [Blogger] weiß nicht, ob Raddatz (s.o.) das so richtig sieht. George und seine Jünger sahen sich als "Staat", sprachen vom "Geheimen Reich", aber das war kein weltliches Reich, kein Reich der profanen Welt, sondern ein Reich außerhalb der profanen politischen Welt, ein Reich der Ästhetik, der Kunst, ein Reich der Dichter, ein geistiges Reich. Kunst und Leben waren für George ein Gegensatz. Wo Kunst ist (Dichtung, Lyrik) kann kein Leben (Politik) sein. Wenn beide sich berühren würden, stürbe die Kunst als würden sich Materie und Ant-Materie berühren. Der große Vogel auf dem Eiland, so George in einem Gedicht, verschied in gedämpften Scherzenslauten, als die Menschen sich zum ersten Mal seiner Insel näherten. --- George starb Dezember 1933, als die braune Saat aufgegangen war. Die er gesät hatte? Oder die andere in ihm sehen wollten?

George war kein Nationalist. Das Neue (Dichter-)Reich war ein internationales Reich. - Nach dem Abitur (1888) und einem mehrmonatigen Aufenthalt in England berief er als 20-Jähriger einen "Dichter-Kongress" ein, der aus deutschen und französischen jungen Dichtern bestehen und eine "internationale" Mappe mit Dichtung erstellen sollte, "so dass unsere mappe sozusagen die erste »Internationale« einrichtung dieser Art würde." [nach Egyptien S. 31ff]

Aus England schrieb der 20/21-jährige George an seinen Schulfreund:
„Wenn Du meinst dass ich hier meinen Kosmopolitismus ablege bist Du irr Du triffst den Nagel auf die Spitze.
Grade dadurch dass ich in dem (persönlicher Freiheit unendlich mehr gestattendem) lande bin, werde ich ein vollständiger Kosmopolit und dass ich nicht daran bin, nach der andren Seite umzukippen, und Engländer zu werden, daran hindert mich die ueberzeugung, dass auch bei uns viele einrichtungen besser sind, dass es in anderen landen noch bessere gibt, die ich alle mit eignen augen zu besehen und zu beurteilen gedenke." [Egyptien a.a.O.]
 Auf seiner Reise durch Europa nach dem Abitur lernte er in Paris den Dichter Stéphane Mallarmé, 26 Jahre älter als George,  und seinen Kreis kennen und durfte auf Empfehlung dessen berühmte Dienstagabende, die "Jours" besuchen, wo sich die Crème de la Crème der französischen (symbolistischen) Schriftsteller traf. Wie später George ließ sich Mallarmé als "Meister" (Maître) anreden, sprach von einem Reich der Kunst (cité) als Gegenentwurf zur profranen Welt und zelebrierte seine Auftritte an diesen Jours als ästhetisches Kunstwerk in einer ritualisierten Weise. [Egyptien S.37]
Nach Paris reiste George nach Spanien und sprach später davon wie formierend Spanien auf seinen Lebensweg formatierend gewirkt habe. ...
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Stefan Georges Lyrik war nie für die Massen gedacht und war/ist schwere Kost.

Quelle: Google-Suche, Screenshot
Seine [Georges] letzte Gedichtsammlung mit dem Titel "Das Neue Reich" erschien im Jahr 1928; (er starb Anfang Dezember 1933, hat also das Ende der Weimarer Republik und den Beginn des "Dritten Reiches" gerade noch mitbekommen.
  1. Das 1. Reich: Das Heilige Römische Reich. Heiliges Römisches Reich war die offizielle Bezeichnung für den Herrschaftsbereich der römisch-deutschen Kaiser vom Spätmittelalter bis 1806.[wikipedia]
  2. Das 2. Reich: Das Bismarcksche Kaiserreich.  Deutsches Kaiserreich ist die retrospektive Bezeichnung für die Phase des Deutschen Reichs von 1871 bis 1918.  Im Deutschen Kaiserreich war der deutsche Nationalstaat eine bundesstaatlich organisierte konstitutionelle Monarchie.[wikipedia]
  3. Das Neue Reich: ?

George, Verehrer der Jugend, hoffte in den 1920er Jahren, dass die Jugend ("ein jung geschlecht")  eines Tages "Den einzigen der hilft den Mann" hervorbringen werde, (den EINZIGEN Mann, der helfen kann). 
Er führt durch sturm und grausige signale
Des frührots einer treuen schar zum werk
Des wachen tags und pflanzt das Neue Reich.  
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Thomas Karlauf schreibt in Anlehnung an Kurt Sontheimer:
"Weil sich die Rechte mit der Neuordnung des Staates nach 1918, also mit der Weimarer Republik, nicht anfreunden konnte und der Begriff der Deutschen Nation in der Niederlage von 1918 jede Aura verloren hatte, wurde Ende der 1920er Jahre "die Reichsidee zum wesentlichen Inhalt einer neuen politischen Metaphysik, zum Inbegriff tief empfundener und aus der Tiefe kommender Sehnsüchte". -
Auch für die jungen Gebrüder Stauffenberg.
Das Neue Reich als Alternative für Deutschland.


Zwei Jahre vor der Veröffentlichung des o.g. Gedichtbandes war "Der Meister" Stefan George mit zwei seiner "Jünger" nach Italien gereist - mit Johann Anton (auf dem Foto 1. von links) und dessen langjährigem Freund Max Kommerell (1. von rechts) - "um sich selber ein Bild vom faschistischen Neuanfang zu machen. Sein [Georges] Urteil über Mussolini fiel zwar ambivalent aus, aber gegen eine ähnliche Entwicklung in Deutschland schien er keine Einwände zu haben. Nur sei zu befürchten, dass die Deutschen den Anschluss verpassten." (Karlauf S. 581)

"Wenn schon die ganze Welt ihre Diktatoren hat,
wird sich Deutschland noch aus Idealismus für die Demokratie schlagen."
(befürchtete Berthold Vallentin, Jurist, Dichter, Historiker, 11 Jahre jünger als George, gehörte zum George-Kreis, starb wie auch George im Jahr 1933)
1924. Anton und Kommerell
mit den drei Brüdern von Stauffenberg,
Claus, Berthold und Alexander,
(2., 3. und 5. von links)

Im Jahr 1924 war Claus von Stauffenberg, der Hitler-Attentäter vom 20.Juli 1944, 17 Jahre alt, seine Zwillingsbrüder 2 Jahre älter, Stefan George Ende 50.

Stefan George (auf dem Stuhl und an der Wand)
mit seinen Bewunderern
Claus und Berthold von Stauffenberg, 1924
"Die Verachtung der des politischen Systems von Weimar ließ sich kaum steigern. Von der kompromisslosen Ablehnung der parlamentarischen Demokratie bis zu ihrer Zerstörung war es nur ein kleiner Schritt." (Karlauf S. 581)-
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Einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen »Neuem Reich« und »Drittem Reich« erkannte als Erster der Landesschulinspektor für Wien, Oskar Benda.

Quelle
Man dürfe sich von den Georgeschen Parolen nicht blenden lassen, warnte er 1931. »Welcher Deutsche, welcher Kulturmensch fühlte nicht den Drang in sich zur Nachfolge hinter diesen Fahnen als solchen! Aber wo sie zurzeit im Winde wehen, locken sie auf falsche Bahnen:
nicht zu neuem Aufstieg der Menschheitssonne >Humanitas<, sondern zu ihrem unwiderruflichen Untergang.« Leider machten sich »gerade demokratische Kreise keine annähernd richtige Vorstellung von Umfang und Tiefgang der verhängnisvollen Wirkung Georges und seiner Gefolgschaft, ja man verbeugt sich gerade hier gern mit betonter Achtung vor ihrem >Geist- und >Kulturwillen«<.

Am Ende stehe aber nicht der Geist des Neuen, sondern der Ungeist des Dritten Reichs, ja, bei genauerem Zusehen erweise sich der George-Kreis als

bewusster Schrittmacher des »Dritten Reiches«. George verhält sich zu Hitler, von den Größenverhältnissen abgesehen, in jeder Hinsicht wie D'Annunzio zu Mussolini ... Der Kreis um George hat aber zum ersten Mal in Europa den Gedanken der modernen Diktatur »vergottet« und »verleibt«. Die ganze Ideologie des italienischen Faschismus klingt wie ein Echo der Stimmen aus dem heiligen Hain Georges; alle ihre Leitgedanken: die heldische »Elite«, die »Hierarchie« und der »korporative Rechtsstaat«, sind hier vorgestaltet, und vorgestaltet ist hier zuvörderst auch die heldische Vision des Diktators. - [Oscar Benda, 1931;  Karlauf S. 581f ]
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 Siehe auch:
Quelle
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