Jack London, 1876-1916,
US-amerikanischer Schriftsteller ("Ruf der Wildnis", "Wolfsblut", "Der Seewolf"), Journalist und bis kurz vor seinem Tod Mitglied der US-Socialist Party, hatte es schon früh gespürt/geahnt/vorhergesehen:
1916, einige Monate vor seinem Tod, traten er und seine Frau Ellen aus der Socialist Party wieder aus.
"Ich verzichte auf die Mitgliedschaft in der Sozialistischen Partei, weil es ihr an Feuer und Kampgeist gebricht
und weil sie die Energie und den Kampfgeist verloren hat (...).
Weil die ganze Richtung des Sozialismus (...) in den letzten Jahren nach Versöhnung und Kompromiss neigt, erlaubt mit meine Gesinnung nicht länger, ein Mitglied der Partei zu bleiben. Darum meine Resignation, darum mein Rücktritt (...). Im Namen der Revolution, J.L." (Quelle: Rolf Recknagel, Jack London. Leben und Werk eine Rebellen. Berlin Ost 1976, Seite 256f)
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II.
Was zuvor geschah: Die SPD eilte von Wahlerfolg zu Wahlerfolg
Der Satz "Den Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf" wurde von Erich Honecker öfter als Ausspruch August Bebels zitiert, (z.B. bei der Vorstellung eines 32-bit-Chips aus DDR-Produktion ; "Neues Deutschland", 15. August 1989). Er sei jedoch als Zitat von August Bebel nicht nachweisbar, wohl aber als geflügeltes Wort in der Berliner Sozialdemokratie seit 1886. - Heute wird er wenig gebraucht oder verschämt und süffisant zitiert.
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Ende des 19. Jahrhunderts
schien es in der Tat noch so zu sein, dass zumindest die Partei der SPD in ihrem Lauf nichts aufhalten konnte.
Erst 1875 hatten sich auf einem Parteitag in Gotha der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein ADAV und die Sozialdemokratische Arbeiterpartei SDAP zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands SAP zusammengeschlossen. - Es regierten der preußische Kaiser Wilhelm I. und und sein Kanzler Bismarck.
Quelle |
Bismarck scheiterte in der ersten Runde daran, mit diesem "revolutionären Gesindel" aufzuräumen, aber nach zwei Attentaten auf den Kaiser, mit denen die SAP allerdings eigentlich nichts zu tun hatte, brachte Bismarck 1878 sein "Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie" durch den Reichstag. Diese sog. Sozialistengesetze gegen die "Reichsfeinde" wurden immer wieder verlängert und blieben 12 Jahre in Kraft, bis 1890. - Die Verbote bewirkten das Gegenteil, die Empörung gegen die Verbote wuchs, die Opposition der Arbeiterschaft zum Staat wuchs:
- Man würde das System, die Monarchie, durch die Revolution stürzen.
der Berliner Polizeipräsident beklagte die Solidarität "der gesamten Arbeiterschaft"; 1889 streikten 150.000 Bergaarbeiter in allen Bergbaurevieren, das Militär griff ein, es gab Todesopfer, die Gewerkschaftbewegung, der die SPD verbunden war, wurde weiter gestärkt. -
Die Regierung musste Zugeständnisse machen, um sich nicht selber zu gefährden:
- 1890 wurde das Verbot der Sozialdemokratie aufgehoben.
- 1890 nannten sich die Sozialistischen Arbeiterpartei SAP in SPD um, Sozialdemokratische Partei Deutschlands.
- Die Stimmengewinne der sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten nahmen ständig zu,
- und bei den Wahlen im Februar 1890 wurde die Sozialdemokratie mit 1,4 Millionen Wählern (Frauen durften nicht wählen) = 19,7% der Stimmen die an Stimmen(!) stärkste Partei im Reichstag.
(Aufgrund der Verzerrungen infolge des Mehrheitswahlrechts konnten die Sozialdemokraten nur 35 Mandate gewinnen. Stärkste Fraktion blieb das Zentrum das eine Gesamtstimmenanteil von 18,6 % gewann.) Die linksliberalen Parteien gewannen ebenfalls an Stimmen und Parlamentssitzen deutlich hinzu.
"Es gibt für Euch nur einen Feind, und der ist mein Feind. Bei den jetzigen sozialistischen Umtrieben kann es vorkommen, dass Ich Euch befehle, Eure eigenen Verwandten, Brüder, ja Eltern niederzuschießen - was ja Gott verhindern möge - aber auch dann müsst Ihr Befehle ohne Murren befolgen."Kaiser Wilhelm II. muss eine Art Trump seiner Zeit gewesen sein, man sprach "wegen der imperialistischen Konflikte und Spielereien durch den mühsam von Beratern eingehegten selbstherrlichen Wilhelm II., der an Kompetenzlosigkeit seinem russichen Vetter, dem Zaren, in nichts nachstand".
Die SPD eilte von Wahlerfolg zu Wahlerfolg:
- Bei den Reichtagswahlen 1903 3,01 Millionen Stimmen = 32%
- 1907 3,26 Millionen Stimmen = 29%
- 1912 4,25 Millionen Stimmen = 34,8%, ein Erfolg, der 110 Mandate im Reichstag erbrachte.
- Die Mitgliederzahl wuchs von 1906 bis Anfang 1914 um 700.000 auf über eine Million, darunter 170.000 Frauen. - Der Parteivorsitzende August Bebel galt als "Arbeiterkaiser".
(Zum Vergleich: Nach der Bestandsangabe vom April 2018 hatte die SPD 457.700 Mitglieder.)
Quelle |
"Der große Parteiführer" August Bebel starb im Jahre 1913
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Die Sozialdemokratie hatte Ziele, ein Endziel und eine Gewissheit
- Das Endziel: Herbeiführung einer neuen Gesellschaftsordnung, genannt "Sozialismus".
- Die neue "sozialistischen Ordnung" beinhaltete die Aufhebung des Lohn-Systems, die "Befreiung von der Lohnsklaverei", eines Zustandes, in dem die Besitzer der Produktions-Mittel (gedacht war dabei an Groß-Industrielle wie Friedrich Krupp in Essen, Hugo Stinnes in Mülheim an der Ruhr, an die Eisenwerke der Industriellen-Familie Stumm und andere Menschen aus der Bourgeoisie, der besitzenden Klasse, die alleine bestimmen konnten, was sie produzierten, wie sie produzierten und welchen Lohn sie denen bezahlten, die keine Produktionsmittel hatten und ihre Arbeitskraft an eben diese Besitzer der Produktionsmittel verkaufen mussten: Der "Arbeiter-Klasse", wie Karl Marx sie bezeichnet hatte.
- Marx hatte diesen materiell armen Lohnabhängigen, die zuvor auf Wohlfahrt und Mildtätigkeit der besseren Schichten, der Philanthropen und des Staates angewiesen waren, eine neue Würde gegeben und eine historische Aufgabe: Sie waren nicht mehr Opfer, sondern Gestalter der Geschichte und der Zukunft.
- Das Bewusstsein, als Sozialdemokrat/in an einer großen Veränderung und an der Errichtung eines Zukunftstaates mitzuwirken, spornte die Arbeiterschaft an, gab dem eigenen Leben einen höheren Sinn und machte ihnen ihre Arbeits- und Lebensbedingungen erträglicher. Sie, die Lohnabhängigen, waren nicht mehr nur Opfer der kapitalistischen Gesellschafts-Ordnung, sondern SIE würden zu den Siegern und Siegerinnen der Geschichte gehören.
- Von Marx und Engels hatten sie gelernt, dass die "bürgerliche Gesellschaftsordnung" (der Kapitalismus) zwangsläufig und gesetzmäßig zusammenbrechen werde und durch eine neue Gesellschaftsordnung (den so genannten "Sozialismus") ersetzt werden würde.
- Der Zukunftsstaat würde politisch eine Republik sein, keine absolute Monarchie mehr, vielleicht noch eine konstitutionelle Monarchie (wie in England) - so stellten man es sich vor.
- In diesem Zukunftsstaat würden die Produktionsmittel nicht mehr Privatleuten gehören, sondern der Gesellschaft, der Gemeinschaft und den jetzigen "Arbeitskraft-Verkäufern" (nicht dem Staat).
Diejenigen, die in den Fabriken arbeiten und produzieren, würden bestimmen (und nicht nur mitbestimmen), was die Fabrik produziert (z.B. keine Kriegsvorbereitung durch Produktion von Rüstungsgütern), wie die Arbeitsbedingungen sind (z.B. 8-Stunden-Tag, Verbot der Kinderarbeit, Urlaub, Krankenversicherung...) und vor allen Dingen würde die Lohnsklaverei ein Ende haben, weil die Fabriken, die Produktionsmittel, sich nun in den Händen der Gesellschaft(!), der Arbeiterschaft befinden würden und so die Arbeiterschaft selbst bestimmen könnte, welchen Lohn sie sich von dem von ihnen selber erarbeiteten und geschaffenen "Mehrwert" auszahlen können. - Die Arbeitsmittel sollten Gemeingut werden, genossenschaftliche Arbeit an die Stelle der Lohnarbeit treten.
Die Ausstattung der arbeitenden Bevölkerung mit der ganzen politischen Macht sei die (damals so genannte? "Diktatur des Proletariats" und damit und darum "die Wahre Demokratie" (so Rosa Luxemburgs Konzept, wobei ihr selber zu der Zeit eine Mischung aus Rätesystem und Parlament vorschwebte). - Der Zukunftsstaat würde ein demokratischer Staat sein, eine Republik, ohne Zar und Kaiser, mit einem "richtigen" Parlament, das aus freien und gleichen Wahlen hervorgegangen sein würde und in dem nicht mehr nach dem Dreiklassenwahlrecht gewählt wird - wie in Preußen wo Wohlhabende mehr Stimmen pro Kopf hatte als Ärmere).
- Im sog. "sozialistischen" Zukunftsstaat würde die Regierung des Landes dem Parlament Rechenschaft schulden und nicht dem Kaiser.
Der politische Einfluss der "ostelbischen Junker"/des Landadels, also der wohlhabenden Großgrundbesitzer auf ihren Gütern jenseits der Elbe, würde auf das angemessene Maß zurückgestutzt; es würde gelten: 1 Wähler = 1 Stimme.Auch und besonders
über Ostelbien - Als sozialdemokratische Partei würde man sich auf keine Kungeleien, keinen Kuhhandel mit anderen Parteien einlassen, ihnen auch nicht durch Koalitionen zu Mehrheiten im Parlament verhelfen. Man würde seinem Ziel, dem Sozialismus und der Vergesellschaftung der Produktion, treu bleiben.
- Ziel war die sog. "Diktatur des Proletariats" als "Demokratie der ungeheuren Mehheit der Bevölkerung". Nur diese Diktatur des Proletariats sei die wahre Demokratie, die "Ausrüstung der kompakten arbeitenden Volksmasse mit der ganzen politischen Macht" - so sah es Rosa Luxemburg.
Alles andere sei "Cliquenwirschaft: Auch eine Diktatur, aber nicht die Diktatur des Proletariats, sondern die Diktatur einer Handvoll Politiker oder einiger Dutzend Parteiführer (so ihre Kritik an Russland nach der russichen Revolution). - Umstritten war, wie genau der Zukunftsstaat zu verwirklichen sei:
(Nur) indem man sich an Wahlen beteiligt, schließlich die Mehrheit im Parlament gewinnt und dadurch dann eine sozialistische Regierung einsetzen kann, die sozialistisch regiert
oder nur (oder auch?) durch Massenstreiks, Massenaufstände, Massenaktionen, "Revolution", so dass die alte Gesellschaftsordnung und die überkommene Herrschaftsform direkt durch "die Straße" ohne Mitwirkung eines Parlamentes gestürzt werden würde. ---
Hier den richtigen Weg zu finden und aufzuzeigen war die Aufgabe der sozialdemokratischen Theoretiker (und Theoretikerinnen wie Rosa Luxemburg und Clara Zetkin in Deutschland), der Parteitags-Beschlüsse und einer geschickten Parteiführung.Aktuelle Diktatur - "August", gemeint war August Bebel, schrieb Rosa Luxemburg 1907 bedauernd an Clara Zetkin, "August und erst recht die anderen haben sich für den Parlamentarismus gänzlich ausgegeben. Bei irgendeiner Wendung, die über die Schranken des Parlamentarismus hinausgeht, versagen sie gänzlich; ja noch mehr, versuchen alles auf den parlamentarischen Leisten zurückzuschrauben, werden also mit Grimm alle und jeden als Volksfeind bekämpfen, der darüber hinaus wird gehen wollen. ... Unsere Aufgabe ist jetzt, einfach dem Einrosten dieser Autoritäten mit möglichst schroffem Protest entgegenzuwirken... ." --- Rosa Luxemburg scherzte anlässlich eines Essens bei Kautsky, dass sie selber und Clara Zetkin wohl "die letzten beiden Männder der deutschen Sozialdemokratie" seien.
- Ein Streitpunkt innerhalb der Sozialdemokratie war auch die Art des Parlamentes: Sollte es eine parlamentarische Demokratie werden (das Wahlvolk wählt Parteien für eine Legislatur-Periode) oder soll es eine "Räte-Republik" sein, in der in den Kasernen, in den Fabriken, auf dem Lande "Räte" als Einzelpersonen gewählt werden, die jederzeit von ihren Wählern wieder abberufen werden können.
Quelle
"Als der große Parteiführer der SPD August Bebel 1913 starb, hatte er einen Weg vom Fundamentaloppositionellen zum Kommandeur einer widerspenstigen und fordenden, aber funktionierenden Arbeitsbelegschaft des Staatsschiffe hinter sich, der jede Bestrebung zur Meuterei, da Schiff zu übernehmen, im Zaume hielt und auf später vertröstete. --- Im Parteivorsitz folgte auf August Bebel der wegen seiner organisatorischen Aufbauarbeit allseits geschätzte Parteisekretär und ehemalige Gewerkschaftsführer Friedrich Ebert vom reformistischen Parteiflügel." (Klaus Dallmer a.a.O. Seite 79)
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III.
Was heute geschieht: Die SPD schrumpft und kann keinen Blumentopf mehr gewinnen. In einigen Ländern der EU hielten sich die Sozialdemokraten aber tapfer. Die tageszeitung (taz) versuchte eine Bilanz zu ziehen: "Sozis aller Länder, bereinigt euch!"
Niederlande:
Hatte die Partij van de Arbeid 2017 bei den Provinzwahlen noch 5,5%, so stieg sie bei den Europawahlen auf 19%.
Warum?
"Diese Entwicklung spricht bislang dafür, dass das Konzept der Sozialdemokratin Nelleke Vedelaar tatsächlich aufgehen kann. „Verlorenes Vertrauen zurückgewinnen“, so umschrieb die neue Parteivorsitzende nach ihrem Antritt Ende 2017 den Kurs. Die Entfremdung von der Basis schrieb sie nicht nur der Teilnahme an der vorigen sozialliberalen Austeritätskoalition zu. Verantwortlich seien vielmehr „genau jene Jahrzehnte, als PvdA-Politiker im Marktdenken mitgelaufen sind“.
Fraktionschef Lodewijk Asscher plädiert nun für „progressive Vorstellungskraft“ anstelle neoliberaler Maßnahmen. Im Wahlprogramm spiegelt sich die Besinnung auf die Wurzeln wider:
- Mindestlohn ab 18 Jahren,
- uneingeschränkter Kündigungsschutz
- und „eine EU, in der Menschen mehr zählen als der Markt und nicht Multinationale bestimmen, was das Gesetz ist“.
- Und: Obwohl die Regierungsbildung in Den Haag ein sehr mühsamer und komplexer Prozess war, blieben die Sozialdemokraten ganz bewusst außen vor." (a.a.O. Tobias Müller)
Frankreich
"Olivier Faure, Parteichef der französischen Sozialisten, glaubt, bei den EU-Wahlen Schlimmeres oder gar die totale Katastrophe verhindert zu haben. 6% seien zwar kein Sieg, sagt er, aber auch nicht der vorhergesagte Tod der Partei.
Grund zum Aufatmen haben die französischen Sozialisten, die mit François Mitterrand und François Hollande lange Jahre den Präsidenten stellte, keinesfalls."
Warum nicht?
- "In allen Bereichen vertreten sie Positionen, die im Vergleich zu anderen fade wirken.
- Sie sind nicht mehr antikapitalistisch,
- aber mehr oder weniger sozialliberal
- und mäßig umweltbewusst." (Rudolf Balmer a.a.O.)
"Die italienischen Sozialdemokraten von der Partito Democratico (PD) … - Aufwärts ging es 2014: Matteo Renzi ... brachte die Partei bei den Wahlen zum EU-Parlament auf sensationelle 40,8 Prozent. … Bei den Parlamentswahlen im März 2018 kassierte die Partito Democratico mit nur 18,7 Prozent eine Niederlage. Renzi trat daraufhin als Vorsitzender zurück, und im März 2019 wurde Nicola Zingaretti in einer offenen Urwahl sein Nachfolger. Der Parteichef wird von den Anhängern gewählt. Wählen darf jeder, man muss nicht Mitglied sein. Es genügt, sich als Sympathisant der PD zu bekennen und bei der Abstimmung 2 Euro zu bezahlen. – 1,7 Millionen Bürger beteiligten sich. Dank der von ihm erreichten 65 Prozent verfügt Zingaretti über eine starke Legitimation und steht in der PD einigermaßen unangefochten da. Er will der Partei nun einen Linksruck geben und die soziale Frage wieder in den Mittelpunkt stellen. Das brachte einen kleinen Aufschwung bei den Europawahlen ein. Sie erreichten 22,8 Prozent, mehr als die Fünf Sterne.
- Triumphiert indes hat die rechtspopulistische Lega mit 34,3 Prozent"
- Weder konnte die PD viele linke Wähler zurückgewinnen, die zu den Fünf Sternen abgewandert waren,
- noch erreichte sie ihre alte Kernklientel, die Arbeiter. Die wählten die Lega gleich zu 48 Prozent.
- Die sozialdemokratische PD bekam von ihnen dagegen nur 13 Prozent. Die PD wird nämlich inzwischen als Partei des gebildeten Mittelstands wahrgenommen.
- Italiens PD steht vor allem deshalb besser da als ihre deutsche Schwesterpartei, weil sie genau jene großstädtischen, gut verdienenden Schichten erreicht, die in Deutschland die Grünen wählen. Diese Konkurrenz müssen die Sozialdemokraten von der PD nicht fürchten, sind sie doch die Einzigen, die die progressiv-proeuropäischen, metropolitanen Wähler ansprechen. (Michael Braun a.a.O.)
Antonio Costa, portugiesischer Ministerpräsidenten und Chef der Sozialistischen Partei (PS), … Seit November 2015 regiert er und wird dabei von Kommunisten (PCP), dem Linksblock (BE) und den Grünen (PEV) unterstützt. Costa löste mit diesem in Europa einmaligen Linksbündnis die Konservativen ab, die, obwohl stärkste Partei, keine Parlamentsmehrheit bilden konnten.
Costas Sozialisten gewannen die Wahlen zum Europaparlament mit 33,4 Prozent klar. 52,8 Prozent der Portugiesen wollen, dass Costa auch nach den kommenden Wahlen Ministerpräsident bleibt. Nur 29,5 Prozent würden gerne den konservativen Rui Rio im Amt sehen.
Warum?
- Die Sozialisten einigten sich mit ihren Partnern auf eine lange Liste von Maßnahmen, „um die Tendenz umzukehren“ und so die von Brüssel und Berlin aufgezwungene harte Sparpolitik zu beenden.
- Die Renten wurden wieder angehoben,
- der Mindestlohn steigt,
- von den Konservativen gestrichene Feiertage sowie die Sozialhilfe wurden wieder eingeführt,
- die Lohn- und Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst nahm man schrittweise wieder zurück,
- und die Zuzahlungen für Krankenhausaufenthalte wurden gestrichen.
- Im öffentlichen Dienst wurde die 35-Stunden-Woche eingeführt.
- Auch Privatisierungen hat man gestoppt.
- Gleichzeitig wurden die Steuern für Besserverdienende angehoben.
- Alles Maßnahmen also, die zu mehr sozialer Gerechtigkeit führen.
- Die Wirtschaft wächst,
- die Arbeitslosenquote sinkt.
- Portugal hält die Defizitvorgaben ein
- und zahlt seine Schulden an den Internationalen Währungsfonds schneller ab als geplant.
- Der soziale Kurs zahlt sich für Costa aus. (Reiner Wandler a.a.O.)
Die spanische Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE) von Ministerpräsident Pedro Sánchez gewann am 28. April die vorgezogene Neuwahl und wurde auch bei den Europawahlen mit deutlichem Vorsprung stärkste Kraft in Spanien. …
Warum?
Sánchez kam im Juni 2018 dank eines erfolgreiche Misstrauensvotums gegen die Regierung der wegen Korruption verurteilten konservativen Partido Popular (PP) an die Macht.
- Seine Minderheitsregierung hob den Mindestlohn an,
- führte die Rentenanpassung an die Inflation
- sowie Hilfe für Langzeitarbeitslose über 52 Jahre wieder ein
- und verabschiedete ein neues Mietgesetz.
Viele der Sozialmaßnahmen der Sánchez-Regierung kamen auf Druck von Unidas Podemos (UP) zustande. Dennoch nutzten sie den Sozialisten und nicht den Linksalternativen an den Wahlurnen. Denn die Beliebtheit von Podemos sinkt unaufhörlich, seit sie mit den Postkommunisten der Vereinigte Linken (IU) zu UP zusammenging. Das Bündnis rutschte deutlich nach links.Viele Wähler wandten sich ab und kehrten zu den Sozialisten zurück.
Die Erwartungen an Sánchez sind jetzt hoch. Seine Wähler wollen eine mutige Sozialpolitik. UP bietet eine Koalition an. Die Sozialisten würden lieber allein mit wechselnden Mehrheiten regieren. (Reiner Wandler a.a.O.)
Dänemark
Bei den Parlamentswahlen werden Sozialdemokraten stärkste Kraft. Mit kleineren Linksparteien und Grünen zusammen haben sie ein absolute Mehrheit. Doch: Zwar war die bisherige Oppositionspartei der Sozialdemokraten bei der Parlamentswahl mit 25,9 Prozent stärkste Partei geworden, und wird aller Voraussicht nach mit ihrer Vorsitzenden Mette Frederiksen die Ministerpräsidentin stellen.
- Aber es war ein Sieg mit Hängen und Würgen. Die Partei legte nicht zu, sondern verlor gegenüber der Wahl 2015 vier Zehntelprozent.
Die sozialliberalen Radikalen sowie die rot-grünen Parteien Sozialistische Volkspartei, Einheitsliste und Alternative gewannen zehn Mandate hinzu und landeten mit zusammen 26,2 Prozent haarscharf vor den Sozialdemokraten.
Warum?
- Vor drei Jahren beschloss eine Mehrheit des dänischen Parlaments das sogenannte Schmuckgesetz. Die Polizei bekam die Vollmacht, alle ins Land kommenden Flüchtlinge nach Bargeld und Wertsachen zu durchsuchen und ihnen diese zur Finanzierung ihres Aufenthalts wegzunehmen. Der britische Guardian veröffentlichte daraufhin eine Karikatur, die den dänischen liberalen „Venstre“-Regierungschef Lars Løkke Rasmussen in einer naziähnlichen Uniform zeigte und – in Abwandlung des Werbespruchs einer dänischen Brauerei – mit dem Text „Venstre – die vermutlich dümmste Partei der Welt“ versehen war. -
Statt Løkke Rasmussen könnte da auch die Vorsitzende der Sozialdemokraten, Mette Frederiksen, stehen. Denn ohne das sozialdemokratische Ja würde es dieses „Schmuckgesetz“ nicht geben. - In ihrer Ausländerpolitik halten die Sozialdemokraten einen unanständigen und zynischen Abschottungskurs, den man anderswo allenfalls von Rechtspopulisten kennt.
- Die Sozialpolitik der dänischen Sozialdemokraten: Zu viel Kosmetik. Gehe es darum, grundlegende Verschlechterungen im Arbeitslosen- und Rentensystem rückgängig zu machen, durch die auch die Sozialdemokraten mit ihrer dänischen Agendapolitik kräftig zum Abbau des Sozialstaats beigetragen hatten, würden sie kneifen.
- Mette Frederiksen sprach im Wahlkampf viel von gerechterer Verteilungspolitik, wurde aber wenig konkret. Solange nicht klar ist, wo sich ihre Minderheitsregierung die parlamentarischen Mehrheiten überhaupt hernehmen will, sind alle Wahlversprechen nicht viel mehr als heiße Luft.
- Das gute Abschneiden der kleinen Linksparteien, die bei der Wahl zusammen mehr auf die „rote“ Waagschale brachten als die Sozialdemokraten, zeigt das Dilemma, in dem die Partei steckt. Eine Mehrheit der Dänen und Däninnen will tatsächlich eine kontrollierte Migration. Doch dazu braucht es nicht unwürdige Schikanen und Symbolpolitik wie das Schmuckgesetz oder Abschiebelager auf einsamen Inseln. Keine dieser kleinen Parteien hat den Rechtsschwenk der Sozialdemokraten mitgemach
- Für 60 Prozent der WählerInnen war das Klimathema diesmal am wichtigsten. Die Dänemark-Wahl war eine Klimawahl. Laut Umfragen war für fast 60 Prozent der WählerInnen das Klimathema diesmal mit Abstand am wichtigsten. Im Januar hatten das erst 20 Prozent als wahlentscheidend genannt.
- Und weil sie in ihrer Klima- oder Sozialpolitik weithin auch nur schwächere Kopien konsequenterer Parteien anbietet, wählten eben viele lieber gleich das Original.(Reinhard Wolff)
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