Samstag, August 21, 2021

"Nichts ist gut in Afghanistan" - Deutschlands Sicherheit wurde am Hindukusch verteidigt. (Von Kundus nach China)


Und warum waren wir nochmal in Afghanistan?

Zum Ankreuzen: 

  1.  Zum Brunnen bohren
  2. Um Schulen zu gründen
  3. Um Mädchen in die Schule zu begleiten 
  4. Wir wollten eine Pipeline durch Afghanistan von Indien nach Turkmenistan bauen, die Taliban störten dabei 
  5. Um Deutschlands Freiheit zu verteidigen
  6. Von Afghanistan sollen keine neuen Terroranschläge aufdie USA ausgehen
  7. Um die Demokratie nach Afghanistan  zu bringen
  8. Um Afghansitan nach unsren Werten und Vorstellungen umzugestalten
  9. Damit Frauen kurze Röcke und Bikini tragen und sich schminken dürfen
  10. Frauen müsssen beim Männerfußball in Afghanistan auch Schiedsrichter:innen sein dürfen
  11. Weil die Taliban nicht gendern wollen
  12. Um Geschlechtergerechtigkeit in die muslimische Welt zu tragen
  13. Um MuslimInnen zum Christentum zu bekehren
  14. Zum Nation-Bulding, um aus den vielen wilden Stämmen eine Nation zu formen
  15. Um Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit einzuführen
  16. Aus Bündnistreue zu den USA und
  17. weil Kanzler Schröder die Vertrauensfrage gestellt hatte
  18. Um Osama Bin Laden zu verhaften
  19. Weil es eine robuste Aktion der Vereinten Nationen war, in der wir auch Verantwortung übernehmen mussten
  20. Um Al Qaida, Taliban und IS, den Islamischen Staat, aus Afghanistan zu vertreiben
  21. Um Menschenleben zu retten
  22. Weil wir auch in Afghanistan mehr deutsche Autos verkaufen wollen
  23. Afghanistan hat billige Arbeitskräfte 
  24. Afghanistan hat "atemberaubende" Rohstoffvorkommen (General Petraeus), Kupfer, Lithium, Eisen, Gold und Kobalt ...
  25. Unsere chinesische Konkurrenz sollte uns dieses Mal nicht zuvor kommen  
  26. Sonstiges:  ... 
(Die "richtige" Anwort finden sich am Schluss.)
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Hinterher hat man immer gut reden.
Und hinterher weiß man immer alles besser. Doch manche wussten es vielleicht doch schon vorher besser? 

11.09.2001: Nine Eleven. Und dann...

Der Militärschlag vom 7. Oktober 2001 war der Beginn des Krieges gegen den Terror, den die USA und ihre Verbündeten in Afghanistan bis heute führ(t)en.

Viele Kritiker sahen und sehen in dem Angriff auf Afghanistan eine völkerrechtlich fragwürdige und eskalierende Vergeltungsaktion gegen ein Land, das als Ganzes für die Terroranschläge einer Gruppe in Generalhaftung genommen wurde. Die Vereinigten Staaten begannen den Krieg eigenmächtig und versicherten sich nicht einmal des Beistandes der NATO — die ihnen allerdings wenig später zur Seite trat und den Bündnisfall erklärte. Enduring Freedom war seitdem eine NATO - Operation.

In Deutschland ließ die rot-grüne Regierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder den Bundestag am 16. November 2001 über den »Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA« abstimmen. 

Es war eine historische Parlamentssitzung, denn nachdem bereits deutsche Kampfflugzeuge Anfang der 1990er Jahre im Kosovokrieg eingesetzt worden waren, ging es nun um eine weitere Stufe der Bundeswehr-Beteiligung: Zum ersten Mal stand die Teilnahme deutscher Soldaten an Bodenkämpfen außerhalb des NATO -Vertragsgebietes zur Diskussion.
Bundeskanzler Schröder, (der den USA noch am 11. September 2001 die »uneingeschränkte Solidarität« Deutschlands zugesagt hatte, vertrat die Auffassung, die »Kriegserklärung durch den Terrorismus« erzwinge die Beteiligung der Bundeswehr an der Operation Enduring Freedom, und) verband die Abstimmung mit der Vertrauensfrage. Aus Schröders eigener Partei kam die berechtigte Kritik, Militäreinsätze würden zunehmend wieder als Mittel der Politik opportun. Und die damalige grüne Vizepräsidentin des Bundestages, die evangelische Theologin Antje Vollmer, äußerte eine Befürchtung, die sich im inzwischen jahrelangen Krieg gegen den Terror vielfach bewahrheitete:

»Dass nach aller Erfahrung mit dem Terrorismus Terrorismus militärisch nicht besiegbar ist, sondern in der Regel durch militärische Aktionen eher an Zulauf gewinnt von neuen Generationen von Terroristen, das ist meine größte Sorge.«

Trotz aller Einwände stimmte das Parlament mit knapper Mehrheit für die Entsendung bewaffneter Soldaten nach Afghanistan. Deutschland wollte keine Sonderrolle mehr spielen und zeigen, dass es sich als zuverlässiger Bündnispartner auch vor dem Ernstfall eines Kampfeinsatzes nicht drücken würde.

Als sich dann ein kleines Kontingent deutscher Spezialkräfte zur Terrorbekämpfung der Operation Enduring Freedom anschloss, war die Taliban-Regierung in der Hauptstadt Kabul bereits entmachtet, und amerikanische und britische Bodentruppen waren dabei, immer mehr Gebiete Afghanistans von den Taliban zu befreien. [Quelle: Der ev. Militär-Bischof a.D. Sigurd Rink a.a.O., S. 215ff] 

Gut 8 Jahre später, Januar 2010: Margot Käßmann
 
»In diesen Tagen, Ende August 2021,  wird sich manche/r an den einen Satz aus der Neujahrspredigt von Margot Käßmann in der Dresdner Frauenkirche am 1. Januar 2010 erinnern:

„Nichts ist gut in Afghanistan.“.
 
Damals war Käßmann noch Landesbischöfin und Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
Ein Sturm der Entrüstung entlud sich über sie. -
Aber entsprang ihr Ausruf vor 11 Jahren nicht prophetischer Geistesgegenwart."
« [Quelle1] [Quelle2]
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Die humanitären Einzel-Schicksale stehen derzeit (Ende August 2021) im Mittelpunkt der Öffentlickeit ...
 
  • Der eine Deutsche, der auf dem Weg zum Flughafen wohl von Taliban angeschossen und verwundet wurde...
  • Das eine afghanische Baby, das einem amerikanischen Soldaten über die Mauer des Flughafen gereicht wurde, und der es an schwedische Ärzte im Airport weiter gegeben hat, so dass es gerettet werden konnte.
  • Die zwei afghanischen Brüder, man sagt 16 und 17 Jahre alt, die sich an das Fahrwerk des US-Flugzeugs geklammert haben sollen, bevor sie aus 100 m Höhe (?) abstürzten.

 Und das ist auch gut so.

 
So heißt es in allen drei "abrahmatischen" Religionen,
  • im jüdischen Talmud, 
  • im islamischen Koran (Sure 5:32) 
  • und sinngleich auch in der christlichen Bibel (Bergpredigt, Matthäus 25,40). 

Weniger erfreulich, die unterschwellige Botschaft der drei Pressebeispiele: "Wir", der Westen, sind die Guten: Wir retten Babies... . Die Taliban sind die Bösen: Schießen auf uns deutsche Flüchtling und lassen Flüchtende nicht zu den Flugzeugen... .

Und auch nicht so erfreulich? Europa sucht sich seine Afghanistanflüchtlinge selbst aus. Über Einreise und Aufnahme entscheidet nicht das Ausmaß der Gefährdung, sondern der Grad der Loyalität beziehungsweise das europäische Interesse. [Quelle]

  • „Die Menschen, die für uns gearbeitet haben, denen gegenüber haben wir eine Verpflichtung – aber das muss ­exakt begrenzt sein auf diese Menschen“.
    (AfD-Fraktionschef Alexander Gauland und ziemlich genau die Position der EU und ihrer Regierungen.)

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Die Toten.
Über 240 000 Menschen starben im Afghanistan-Krieg 
 
Anzahl der Todesopfer von Oktober 2001 bis August 2021, nach Opferkategorie (Quelle)
  • Taliban und andere Rebellen 120.071
  • Afghanisches Militär und Polizei 67.176
  • Zivilisten 47.812
  • Amerikanische Soldaten 2.445 + 3.800 Söldner
  • Andere ausländische Soldaten 1.144, darunter 59 der deutschen Bundeswehr
  • Humanitäre Helfer 444
  • Journalisten 72
  • Weiteres US-Personal 6

In den vergangenen knapp 20 Jahren waren etwa 150.000 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr am Hindukusch im Einsatz, viele von ihnen mehrfach. 59 deutsche Soldaten kamen in dem Land ums Leben, 35 von ihnen wurden im Gefecht oder durch Anschläge getötet.  (Quelle      

In westlichen Medien, insbesondere in den Ländern, die Truppen nach Afghanistan entsandt hatten, standen natürlich die eigenen Opfer im Zentrum der Aufmerksamkeit. Insgesamt starben rund 3500 ausländische Soldaten – der Blutzoll der afghanischen Armee war 20 Mal so hoch. Zwei Drittel der gefallenen Ausländer waren Amerikaner, denn die USA hatten das mit Abstand größte Kontingent im Land. 
Die Zahl der westlichen Opfer ist auch deutlich tiefer als die Verluste der Sowjets während ihres zehnjährigen Kriegs zwischen 1979 und 1989: Die Rote Armee verlor damals schätzungsweise 14 000 Mann. (Quelle)


Stand: 20.08.2021 (Quelle
STRG_F: Joe Biden sagt: "Amerikanische Truppen sollten nicht in einem Krieg kämpfen und sterben, den die afghanischen Streitkräfte selbst nicht zu kämpfen gewillt sind." Ist die afghanische Armee schuld?

Petraeus: Die Fakten sind, dass 27-mal so viele afghanische Sicherheitskräfte im Kampf für ihr Land gestorben sind wie US-Amerikaner. Ich bedauere diese Aussage [von Joe Biden], denn aus meiner Zeit als Kommandeur weiß ich, wie hart die Afghanen Seite an Seite mit unseren Frauen und Männern in Uniform gekämpft haben. Die Afghanen haben in riesiger Anzahl gekämpft, bis sie jetzt plötzlich gemerkt haben, dass ihnen keiner mehr Rückendeckung gegeben hat. Dass unsere Luftwaffe nicht mehr da war.
Anmerkung: "Unter General Petraeus wurde die Theorie der Aufstandsbekämpfung zum bestimmenden Faktor der US-amerikanischen Miltärstrategie." (Bernard E. Harcourt, Professor für Rechts- und Politikwissenschaften, New York) .

Das Field Manual 3-24 Counterinsurgency von General Petraeus u.a. (englisch für Feldhandbuch 3-24 Aufstandsbekämpfung) ist ein Feldhandbuch der United States Army und des United States Marine Corps vom Dezember 2006. Die darin beschriebene Strategie wurde in Afghanistan auch als Partnering bezeichnet. Es beschreibt eine mögliche Strategie der Aufstandsbekämpfung (engl. counterinsurgency). (Wikipedia)
  • "Die Ausbildung afghanischer Soldaten und Polizisten und dann der gemeinsame Einsatz im sogenannten Partnering: Das soll der Schlüssel für den Erfolg sein." (FAZ)
  • Partnering bedeutet, dass ausländische und afghanische Soldaten gemeinsam arbeiten, während die einheimischen Rekruten ihre Ausbildung erhalten. So sollen sie darauf vorbereitet werden, schon 2012 den größten Teil der Kampfeinsätze gegen die radikalislamischen Taliban-Milizen zu übernehmen. Nato-Truppen sollen entweder abziehen oder sich auf eine „Unterstützerrolle“ beschränken. (Frankfurter Rundschau, FR, 7. März 2011(!)

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Die Ortskräfte

Bis zum 30. September 2021 sollten "bis zu 600" deutsche Soldaten in Afghanistan erneute eingesetzt werden für die "Mission, mehr Menschen aus Afghanistan zu retten". Ein sog. "robustes Mandat",  das auch erneut den Einsatz militärischer Gewalt erlaubt. "Insbesondere zum Schutz der zu evakuierenden Personen und eigener Kräfte, sowie im Rahmen der Nothilfe." Dazu wäre die Zustimmung des Bundestages erforderlich, denn die Bundeswehr ist eine "Parlaments-Armee". Aber: "Gefahr im Verzuge". Die Zustimmung des Bundestages soll nachträglich eingeholt werden, geplant ist der 25.9.2021. 

Wer darf mit ins Flugzeug? 
Darum gibt es Streit: Deutsche Staatsangehörige, auch Personal der "internationalen Gemeinschaft" (wer ist eigentlich Teil der internationalen Gemeinschaft - und gibt es überhaupt eine internationale Gemeinschaft?) , "weitere designierte Personen" (wer designiert?), besonders schutzbedürtige RepräsentantInnen der afghanischen Zivilgesellschaft (= Ortskräfte, die direkt bei deutschen Organisationen beschäftigt waren nebst Familien, dazu EntwicklungshelferInnen, MenschenrechtsaktivistInnen, FrauenrechtlerInnen nebst Angehörigen). Nicht dabei: Afghanische Ortskräfte, die über Subunternehmen für deutsche Stellen gearbeitet haben. Klar: Sie sind weder desgniert noch Teil der internationalen Gemeinschaft.
Die Menschen, die für uns gearbeitet haben, denen gegenüber haben wir eine Verpflichtung – aber das muss ­exakt begrenzt sein auf diese Menschen“.
(AfD-Fraktionschef Alexander Gauland) 

Was ist eigentlich ein "Kollaborateur"?
Das "Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache" meint:
"jmd., der mit dem Kriegsgegner, der Besatzungsmacht gegen die Interessen des eigenen Landes zusammenarbeitet". ...
"Kollaboration f. ‘verräterische Zusammenarbeit mit dem Landesfeind’, älter allgemein ‘Zusammenarbeit’, entlehnt (19. Jh.) aus frz. collaboration ‘Mit-, Zusammenarbeit’.
Im zweiten Weltkrieg nimmt frz. collaboration die Bedeutung ‘landesverräterische Zusammenarbeit mit dem Kriegsgegner, dem faschistischen Deutschland’ an."  

Wikipedia erläutert:
Im Deutschen ist der Begriff außer in bestimmten (vom angelsächsischen Sprachgebrauch beeinflussten) Randbereichen in der Regel negativ besetzt und meint nicht in der ursprünglichen Bedeutung des Wortes „Zusammenarbeit“, sondern „Verrat durch die Zusammenarbeit mit dem Feind“.  - 

Wertfrei wird der Ausdruck Kollaboration unter anderem in den Wirtschaftswissenschaften und in anderen anwendungsbezogenen Wissenschaften sowie im Projektmanagement verwendet. In diesem wertfreien Sinn ist der Begriff collaboration auch im Englischen und Französischen geläufig. Kollaboration meint hier allgemein eine Form der geistigen Kooperation oder Zusammenarbeit. 

Die Abgrenzung zwischen Kooperation und Kollaboration wird dabei in einer aus dem angelsächsischen Sprachgebrauch importierten Sichtweise darin gesehen, dass die Partner bei einer Kollaboration am Endergebnis der Zusammenarbeit schöpferisch beteiligt und keine bloßen Zuarbeiter oder Inhaltslieferanten sind. 

Also:
Alles klar. Aus "unserer" Sicht: 

Die deutschen Ortskräfte sind keine KollaborateurInnen im ursprünglichen negativen Sinn. (Die Taliban werden das eventuell anders sehen.)
Und die Mehrheit der AfghanInnen? Die, die anfangs klatschten, als die deutschen Soldaten nach Afghanistan kamen und am Ende nicht mehr? Und wie sehen es die JuristInnen, die in internationalen Gerichtshöfen  für internationales Recht und Menschenrechte zuständig sind? Und wie wird am "Jüngsten Tag", am "Tag der Abrechnung" beim "Jüngsten Gericht" entschieden werden, das es ja bei MuslimInnen und ChristInnen nach deren Glauben geben wird?


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Warum die Bundeswehr in Afghanistan im Einsatz war,

steht in den Verteidungspolitischen Richtlinen (VPR). Die aktuellen VPR stammen aus dem Jahr 2011; ein weiteres Dokument des Verteidigungsministeriums zum gleichen Thema ist das Weißbuch der Bundeswehr, das jedoch, im Unterschied zu den VPR, mit den anderen Ministerien abgestimmt ist und von der Bundesregierung verabschiedet wird. Im Juli 2016 erschien das neue Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr.

"Die Verteidigungspolitischen Richtlinien beschreiben den strategischen Rahmen für den
Auftrag und die Aufgaben der Bundeswehr als Teil der gesamtstaatlichen Sicherheitsvorsorge. Sie formulieren die sicherheitspolitischen Zielsetzungen und die sicherheitspolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland. Sie gründen auf einer Beurteilung der gegenwärtigen Lage, beziehen gegenwärtige und künftig wahrscheinliche Entwicklungen ein.
Sie werden weiterhin in regelmäßigen Abständen überprüft. Sie bilden die verbindliche Grundlage für die Konzeption der Bundeswehr und für alle weiteren Folgearbeiten im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung." [Quelle: VPR 2011]

Im Weißbuch heißt es:

"Freie Handelswege und eine gesicherte Rohstoffversorgung sind für die Zukunft Deutschlands und Europas von vitaler Bedeutung. Die Erschließung, Sicherung von und der Zugang zu Bodenschätzen, Vertriebswegen und Märkten werden weltweit neu geordnet. Verknappungen von Energieträgern und anderer für Hochtechnologie benötigter Rohstoffe bleiben nicht ohne Auswirkungen auf die Staatenwelt. Zugangsbeschränkungen können konfliktauslösend wirken. Störungen der Transportwege und der Rohstoffund Warenströme, z.B. durch Piraterie und Sabotage des Luftverkehrs, stellen eine Gefährdung für Sicherheit und Wohlstand dar. Deshalb werden Transportund Energiesicherheit und damit verbundene Fragen künftig auch für unsere Sicherheit eine wachsende Rolle spielen." (Seite 9)

Siehe dazu die Punkte 4, 24 und 25 ganz am Anfang dieses Posts unter "Zum Ankreuzen":

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Verteidungsminister Struck (2002-2005), SPD, hatte es einst so formuliert:

zur Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan vor dem Deutschen Bundestag am 20. Dezember 2002 in Berlin.
"Afghanistan braucht Hilfe und wir wollen diese Hilfe heute beschließen.  ... Unsere herausragende Rolle für die Zukunft Afghanistans wird vom Vertrauen der afghanischen Bevölkerung und der afghanischen Regierung getragen. Das spürt jeder, der sich in Kabul ein Bild von der Situation macht. Das hat übrigens auch Präsident Karzai während der Petersberg-Konferenz am 2. Dezember erneut hervorgehoben. ...
Wir verstehen unser Engagement in einem sehr umfassenden Sinne, weil Stabilität und Sicherheit im Lande nur durch ein umfassendes Herangehen gefördert werden können. Die Petersberg-Konferenzen, die wirtschaftliche Unterstützung unter dem Dach der Europäischen Union, der Aufbau der Polizei und der Anteil der Bundeswehr an der Sicherheitspräsenz in Kabul stehen für den deutschen Beitrag. ...
  • Um zu verdeutlichen, worum es wirklich geht, habe ich davon gesprochen, dass unsere Sicherheit auch am Hindukusch verteidigt wird.
Deutschland ist sicherer, wenn wir zusammen mit Verbündeten und Partnern den internationalen Terrorismus dort bekämpfen, wo er zu Hause ist, auch mit militärischen Mitteln. Unsere Sicherheit wird größer, wenn sich die Bundeswehr mit Erfolg am Wiederaufbau unter demokratischen Vorzeichen auf dem Balkan und in Afghanistan beteiligt, indem sie hilft, dort das dringend benötigte sichere Umfeld zu schaffen."
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Überraschend hatte Bundespräsident Horst Köhler im Jahr 2010 seinen Rücktritt erklärt.

Ein Hörfunk-Interview zu Afghanistan hatte ihm herbe Kritik eingebracht. Hintergrund der Rücktrittserklärung von Bundespräsident Horst Köhler waren umstrittene Äußerungen des Staatsoberhaupts über den Bundeswehreinsatz in Afghanistan. In einem Interview von Deutschlandradio Kultur stellte er - völlig korrekt - den Kriegseinsatz in Afghanistan in einen Zusammenhang mit Deutschlands Wirtschaftsinteressen. Das hätte er lieber nicht tun sollen? Denn es kostete ihn seinen "Job":

"Aus meiner Einschätzung ist es wirklich so: Wir kämpfen dort auch für unsere Sicherheit in Deutschland, wir kämpfen dort im Bündnis mit Alliierten auf der Basis eines Mandats der Vereinten Nationen. Alles das heißt, wir haben Verantwortung. Ich finde es in Ordnung, wenn in Deutschland darüber immer wieder auch skeptisch mit Fragezeichen diskutiert wird. Meine Einschätzung ist aber, dass insgesamt wir auf dem Wege sind,
  • doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen.

Alles das soll diskutiert werden und ich glaube, wir sind auf einem nicht so schlechten Weg." [Quelle]

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2021: Mali und China kommen/kamen hinzu

Die Bundesregierung hatte bereits im April 2021 angekündigt, ihr "Engagement" in Asien verstärken zu wollen. Die vom Verteidigungsministerium erklärten Ziele, wie zum Beispiel freie Seewege, sollten mit einer freundlichen Geste in Richtung China - dem nun geplatzten Hafenbesuch - verknüpft werden. Im Südchinesischen Meer gibt es einen sich um Rohstoffe drehenden Gebietskonflik. ... [Quelle NDR]

Die Abfahrt der Fregatte war Anfang August 2021 sowohl von der Verteidigungs-Ministerin als auch vom Außenminister schön-geredet worden: "Die Zukunft mitgestalten" / "Verantwortung übernehmen" / "Partnerschaften und Engagement in der Region" ausbauen / "Überwachung der UN-Sanktionen gegen Nordkorea" / "nicht gegen etwas oder jemanden zu sein, sondern gemeinsam für etwas einzustehen. Es gehe um gemeinsames Handeln. Und darum, mögliche Konflikte friedlich und partnerschaftlich zu lösen" / ... [Quelle]  

Etwas deutlicher und ehrlicher gab sich der Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Kay-Achim Schönbach: Er "machte deutlich, dass es darum gehe, Flagge zu zeigen und vor Ort zu demonstrieren, dass Deutschland an der Seite seiner internationalen Partner für die Freiheit der Seewege und die Einhaltung des Völkerrechts in der Region eintritt".[a.a.O.]  --- Nun ja ...

China war offensichtlich not very amused über die Entsendung eines Kriegschiffes Richtung China als versöhnliches Signal. Zumal China schlechte Erfahrungen mit der Entsendung deutscher Fregatteen hat:

Die deutsch-chinesische Geschichte: Gebranntes Kind scheut Feuer.

Im späten 19. Jahrhundert:  China, das riesige Reich der Mitte lag politisch, wirtschaftlich und militärisch am Boden. Heute heißt es "Das Jahrhundert der Schande",  Europäische Großmächte wie Frankreich oder Großbritannien nutzten diese Schwäche Chinas nach den Opiumkriegen aus und setzen sich als Kolonialherren in den Küstenstädten des Kaiserreiches fest. Auch Preußen schickt bereits 1859 Kriegsschiffe vor die chinesische Küste. Einer der ersten Staaten, die sich nach dem schändlichen Pekinger Vertragsschluss in den Kreis der imperialistischen Vertragsmächte einreihte,war Preußen, das 1861 im Namen 22 weiterer deutscher Staaten einen Vertrag mit China schloss. Da diese Verträge China so einseitig benachteiligten, kam für die um 1920 der Begriff "ungleiche Verträge" auf, bu pingdeng tiaoyue

Imperialismus: England, Deutschland,
Russland, Frankreich, Japan

Ende des 19. Jahrhunderts beschließt die Reichsregierung dann, ihren Einfluss nach Fernost auszudehnen, "eingebunden in die Großmachtpolitik des Reiches, das ab 1871 vehement diese Politik verfolgt hat, einen sogenannten Stützpunkt in China.“
Deutschland wollte diesen Stützpunkt aus wirtschaftlichen und strategischen Gründen.
Und die kaiserliche deutsche Marine besaß damals ein Ostasiengeschwader, dessen Kreuzer fern der Heimat mit Brennstoff versorgt werden mussten:

Wikipedia
 

Die Provinz Shandong, in der die Hafenstadt Qingdao liegt,

war mit Kohle ausgestattet und die Möglichkeiten, einen Hafen anzulegen waren gut, es gab schon einen chinesischen Hafen. Und es war keine große Interessenkollision, nicht wie in Shanghai.
Qingdao war nicht ein Objekt der Begierde von Seiten der USA, Englands oder Frankreichs.
In Bezug auf Qingdao war es eine optimale Situation, die Kohlesituation und keine anderen rivalisierenden Mächte zu haben.
Als 1897 zwei deutsche Missionare in der Nähe Qingdaos ermordet werden, nimmt Kaiser Wilhelm II. das zum Vorwand, ein Kreuzergeschwader als Drohgebärde zu entsenden. Ein Jahr später presst er dem Chinesischen Kaiser das Recht ab, dass Deutschland Qingdao und sein Umland für 99 Jahre pachtet, als Deutsches Schutzgebiet Kiautschou. --- Schutzgebiet sagte man, weil man das Wort Kolonie vermeiden wollte. - So wie man in Afghanistan das Wort Krieg vermeiden wollte. 
 

 Ansichtskarte:

Qingdao/Tsingtau, Provinz Shandong, Ost-China,
Deutsches Panzerschiff und Torpedoboot im Hafen 

Quelle

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