Sonntag, Juli 15, 2012

Herr Buback, Frau Becker, die NSU und verdeckte Karten



1977: Drei Morde

Am 7. April saß der amtierende Generalbundesanwalt Siegfried Buback auf dem Beifahrersitz seines Dienstwagens. Auf dem Fahrersitz saß sein Fahrer Wolfgang Göbel, auf dem Rücksitz Georg Wurster, der Leiter der Fahrbereitschaft der Bundesanwaltschaft. Sie waren auf dem Weg von Bubacks Wohnung in Neureut zum Bundesgerichtshof. Der Mercedes wartete an einer roten Ampel. Rechts neben ihnen hielt ein Motorrad, Typ Suzuki GS750, mit zwei Personen, die olivgrüne Integralhelme trugen. Ohne von der Sitzbank abzusteigen, feuerte eine der Personen aus einem halbautomatischen Gewehr fünfzehn Schüsse auf den Mercedes ab. Alle drei Männer im Pkw wurden getroffen. Als der Fuß des Fahrers vom Bremspedal rutschte, rollte der Wagen an und fuhr einige Meter weit, bevor er gegen einen Pfosten stieß. Die Polizisten, die als Erste zum Ort des Geschehens kamen, glaubten daher zunächst an einen gewöhnlichen Verkehrsunfall. Buback und Göbel starben noch am Tatort, Wurster erlag am 13. April seinen Verletzungen. Zu der Tat bekannte sich kurz darauf ein „Kommando Ulrike Meinhof“. 

 


Quelle: wikipedia
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2012: Ein Urteil

Am 6. Juli  hat das Oberlandesgericht Stuttgart sein Urteil im Mordfall Siegfried Buback gesprochen: 

Wegen Beihilfe zum Mordanschlag auf den Generalbundesanwalt 1977 ist die frühere RAF-Terroristin Verena Becker zu einer Haftstrafe von vier Jahren verurteilt worden: Nicht wegen des Dreifachmordes von Karlsruhe, sondern eher wegen ihrer Mitgliedschaft in der RAF, der sog. "Roten Armee Fraktion". - 
Auch nach fast zwei Jahren Prozessdauer konnte das Gericht die drei Morde nicht aufklären. Ebenso die mögliche Verwicklung des Verfassungsschutzes. Das Attentat auf den Generalbundesanwalt vom 7. April 1977 bleibt ungeklärt. Was in den geschwärzten Akten steht, ist weiterhin Staatsgeheimnis.

Prof. Michael Buback,

 
Jahrgang 1945, Chemiker, Sohn des ermordeten Generalbundesanwalts Siegfried Buback, war Nebenkläger in dem Prozess. Seine Spurensuche hatte den Prozess erst möglich gemacht. Er wollte endlich die Wahrheit wissen. Hat Verena Becker seinen Vater und dessen zwei Begleiter erschossen?
Michael Buback präsentiert zahlreiche Zeugen, die eine Frau auf dem Tatmotorrad gesehen haben, eine Frau als Schützin. Die Bundesanwaltschaft erklärt diese Augenzeugen für unglaubwürdig. Die Fronten im Prozess verschoben sich: Der Bundesanwalt Hemberger attackiert den Nebenkläger Buback - immer wieder. Buback wehrt sich. Die Folge: Die Verteidigung von Verena Becker konnte sich entspannt zurück-lehnen. Die Angeklagte selber schweigt.


Michael Buback sagt nach dem Urteil:

„Wir müssen leider konstatieren, dass die deutschen Ermittler und die deutschen Gerichte bisher nicht in der Lage waren, uns die Namen der Menschen zu nennen, die diesen 3-fachen Mord begangen haben. ...
Wir haben keine Strafe für Frau Becker verlangt, weil einfach nicht genug auf den Tisch gekommen ist."
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Und die NSU?

Der NSU ("nationalsozialistischer Untergrund") werden unter anderem die Neonazi-Mordserie in den Jahren 2000 bis 2006, das Nagelbomben-Attentat in Köln im Jahr 2004 und der Polizistenmord von Heilbronn im Jahr 2007 zugeordnet. Die Bundesanwaltschaft bezeichnet sie als „rechtsextremistische Gruppierung“, deren Zweck es sei, „aus einer fremden- und staatsfeindlichen Gesinnung heraus vor allem Mitbürger ausländischer Herkunft zu töten“.

Das Handeln von Verfassungsschutz und Polizei führte im Juli 2012 zur Demission des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz sowie der Präsidenten des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz und des Sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz. Nachlässigkeiten, Aktenvernichtung, der Einsatz von V-Leuten, Ermittlungspannen und organisatorische Defizite werden im NSU-Ausschuss des Bundestages untersucht. 

 (Quelle: wikipedia)

Michael Buback:
   
"Ja, es zeigen sich leider beklemmende Parallelen in dem, was man jetzt dort unter diesen sogenannten NSU-Morden hört und sieht und dem, was jetzt in diesem Fall von Verena Becker aufgetreten ist. In beiden Fällen hat man gesehen, sind Akten vernichtet worden, also z.B. sind ja 160 Meter Spurenakten zum Buback-Fall und auch Ponto und Schleier sind ja 1995 vernichtet worden. Unbegreiflich. Es ist ein ganzes Auto verloren gegangen, der Fluchtwagen, in dem man DANN-Spuren hätte finden können. Es sind Verdächtige, z.B. Stefan Wisniewski ist vom Verfassungsschutz genannt worden als Karlsruher Schütze, gegen den sind keine Ermittlungen aufgenommen worden. - Wissen Sie, das sind so viele Parallelen, und deshalb bin ich auch etwas in Sorge…"

Bundesanwalt Hemberger,   
eigentlich der Ankläger gegen Verena Becker, reagierte im Prozess auf das Plädoyer von Michael Buback, nannte es eine "Unverfrorenheit", wie hier Beamte einer Straftat, nämlich der Rechtsbeugung, bezichtigt würden, und sagte dann:
"Jedes weitere Wort ist der Vortrag des Nebenklägers nicht wert."
Für Michael Buback und auch für Nebenkläger-Anwalt Matthias Rätzlaff, der den Bruder des ermordeten Generalbundesanwalts, Horst Buback, vertrat, steht Becker aufgrund der Indizien als Schützin auf dem Motorrad fest.                                                          Quelle: Kontext: Wochenzeitung

Michael Buback:


"Leider ist es ja so, dass die Experten, die jetzt nun meinen, dass sie sich über mich lustig machen sollten, dass die es nicht geschafft haben, in 35 Jahren nicht geschafft haben, die Tat aufzuklären. Auch das heutige Verfahren zeigt, dass die zuständigen Behörden nicht in der Lage waren, die Täter zu nennen.. Es sollte eigentlich denen, die jetzt über uns die Nase rümpfen, zu denken geben, dass ein Laie ich denke doch eine ganze Menge herausgefunden hat, was die Experten nicht geschafft haben, das steht ja fest. … Ich gehe fest davon aus, dass wir in einem Rechtsstaat leben; der wesentliche Gesichtspunkt ist, dass der Staat wohl selbst irgendwie involviert ist, und das ist heute auch im Prozess sehr klar geworden, der Senat geht auch davon aus, dass Frau Becker die Quelle war, die beim Verfassungsschutz ausgesagt hat, also dass Frau Becker mit dem Verfassungsschutz kooperiert hat."
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Wenige damals Beteiligte sprechen heute  offen wie der Polizist Faulhaber, der Verena Becker im Mai 1977 festnahm.

„Ich bin schon etliche Jahre in Pension, und das verfolgt mich immer noch, wenn man da so zwischen den Zeilen sieht, was da alles geschehen ist, und wie da Sachen unterschlagen wurden und gemauschelt wurde, da schäm ich mich, dass ich vierzig Jahr` bei diesem Staat gearbeitet hab`.“
Michael Buback und Polizist i.R. Faulhaber
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Der ehemalige Verfassungsschützer Winfried Ridder,  bestätigte in einem Kulturzeit-Interview in 3Sat, dass Verena Becker mit dem Geheimdienst zusammengearbeitet hat. - Vor Gericht jedoch durfte er es nicht wiederholen. 

„Da war eine so begrenzte Ausnahmegenehmigung, dass ich eigentlich weniger vor Gericht sagen darf als in der Öffentlichkeit.“
Es war ein Prozess mit verdeckten Karten...
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