Mittwoch, August 26, 2015

Heidenau - SÄXIT - "Besorgte Bürger" und/oder Rassisten - WAS TUN? - Wenn Deutschland in Afrika liegen würde...


"Diese sich selbst besorgte Bürger nennenden Affen sorgen eher dafür, dass ich zu einem besorgten Bürger werde wegen den besorgten Bürger.
Auf jeden Fall reden wir hier nicht von Demonstranten und besorgten Bürger, wir reden hier von Rassisten, die auf Polizisten losgehen und versuchen ein Asylbewerberheim anzuzünden."
 

(Quelle: 24.08.2015, Youtuber LeFloid)
 
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Pack !?

 Bei Gesprächen mit Flüchtlingen und Bürgern in Heidenau sagte der Vizekanzler Sigmar Gabriel:
"Für die gibt’s nur eine Antwort: Polizei, Staatsanwaltschaft und nach Möglichkeit für jeden, den wir da erwischen, das Gefängnis."
(taz/web.de 25.08.2015)
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Der Soziologe Boris Nieswand, der als Juniorprofessor für „transnationalen Kulturvergleich und Migration“ in Tübingen tätig ist, hält die klare Positionierung von hohen Politikern für „politisch riskant“. Denn: „Das deutliche Auftreten staatlicher Akteure in Zeiten allgemeiner Verunsicherung kann auf beiden Seiten zur Radikalisierung führen.“
Für die Politik kommt es laut Nieswand darauf an, Leute zu erreichen, die in ihrer politischen Einstellung noch schwanken und sich nicht einem Lager zuordnen. Mit klaren Worten (Sigmar Gabriels „Pack“) könne man zwar abschreckend wirken und „die sozialen Kosten“ für den Beitritt ins fremdenfeindliche Lager erhöhen, zugleich aber auch Leute erst recht dorthin treiben. „Sie fühlen sich von der Politik nicht mehr wahrgenommen“, halten sich für die Opfer einer „Herrschaft der political correctness“. Die Zusammensetzung dieser Gruppe sei gerade im Wandel begriffen.

Auch der Friedenspädagoge Uli Jäger, der bei der Tübinger Berghof Foundation Programme für „globales Lernen“ betreut, würde Begriffe wie „Pack“ nicht benutzen: „Man kann Position beziehen, ohne zu diffamieren“, findet er. Entscheidend sei eher, dass die Politiker ihre Position glaubwürdig vertreten. Sollen sie auch mit Pegida-Leuten sprechen? Ja, meint der Pädagoge, aber nicht mit Funktionären und nur in geschützten Räumen. „Es darf nicht um Schlagzeilen gehen.“
Quelle 
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SÄXIT ?

»Mit Blick auf Dresden, Freital, Meißen, Heidenau
ist es sicher nicht abwegig, die offen zur Schau gestellte brutale Provinzialität, den Rassismus und die Gewaltbereitschaft für ein sehr speziell sächsisches Problem zu halten. Kaum sonst irgendwo gibt es derzeit auf so engem Raum so viel unverstellten Hass, so viele Bilderbuchnazis.
Ebenfalls ist es nicht ganz abwegig, scherzen zu wollen, Sachsen möge Deutschland doch einfach verlassen und sich in seiner Selbstgefälligkeit suhlen. Säxit wird das dann genannt und geistert als verzweifeltes Witzchen durch die Welt. Verzweifelt, denn schon die Prämisse der humorig gemeinten Idee lenkt vom Kern des Problems ab. [...]


Quelle: SWP 24.08.2015
„Säxit“ – 
das ist der zwar verständliche, aber nutzlose Wunsch, das „Böse“ einfach abstoßen zu können, die Nazis rauszuschmeißen, gerade so als gehörten sie nicht dazu. 
Dabei sind die Verhältnisse in Sachsen doch nur die Folge über Jahrzehnte gewachsener deutscher Zustände und ihr perfekter Ausdruck.

Dieser Landstrich ist eine Ausnahme nur insofern, als dass er Avantgarde ist;

eine Ankündigung dessen, was da noch kommen mag. Deshalb: „Säxit“? Da könnte man Deutschland auch gleich ganz auflösen.«
Daniel Krezschmar, 23.08.2015, Leiter taz.de
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800.000 Flüchtlinge in Deutschland?
Da lohnt sich ein Blick auf das Zaire von 1994. - Wo ist der UNHCR?
»Es ist 21 Jahre und einen Monat her, da ergoss sich im Herzen Afrikas der damals größte Flüchtlingsstrom der Geschichte in einen der chaotischsten Staaten der Welt. Bis zu 10.000 Menschen pro Stunde liefen Mitte Juli 1994 aus Ruanda über die Grenze nach Zaire, wie die Demokratische Republik Kongo damals hieß. [...] Von einer „Katastrophe biblischen Ausmaßes“ sprachen die internationalen Helfer und trommelten für Hilfe.

Aber wenn heute Deutschland fassungslos ist, weil 800.000 Menschen dieses Jahr als Flüchtlinge auf deutschem Boden landen sollen, lohnt ein Blick auf Zaire vor zwanzig Jahren.[...]

Was wäre, würde Deutschland in Afrika liegen? 
Das UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) hätte in Berlin nicht nur ein kleines Lobbybüro, sondern eine mächtige Behörde mit einem größeren Budget als die meisten Ministerien.
UN-Bürokraten und üppig dotierte Nothelfer würden gut organisierte Flüchtlingslager aus geordneten Zeltreihen errichten, mit blauen Plastikplanen und Bataillonen von Helfern in weißen Geländewagen und Lkws: auf dem Tempelhofer Feld vielleicht, mit dem leeren Flughafengebäude als UN-Zentrale.
Sie würden deutsche Hilfsarbeiter zum Mindestlohn einstellen, selbst das Hundertfache verdienen, alle Villen mieten und sich die Wochenenden in Clubs vertreiben, die für Einheimische rasch unerschwinglich würden.
Quelle
[...] hat jemals ein deutscher Flüchtlingsbürokrat das „Handbook for Emergencies“ des UNHCR gelesen, die Bibel der praktischen internationalen Flüchtlingshilfe? 

Durch seine 595 Seiten zieht sich ein Grundsatz:
Flüchtlingshilfe wird mit den Betroffenen gemeinsam organisiert, also mit den Flüchtlingen. Das reicht von der Lagerverwaltung bis zur Ausgestaltung der Hilfe und der Sicherheit. Das Wohl der Flüchtlinge steht an oberster Stelle. Von wie vielen Flüchtlingsheimen in Deutschland kann man das behaupten? Gibt es überhaupt irgendein Beispiel dafür, dass Flüchtlinge in Deutschland ein Mitspracherecht haben? 

  • Deutschland liegt nicht in Afrika. 
  • Daher gibt es keine mächtige internationale Organisation, die der Regierung vorschreiben kann, wie sie Flüchtlinge zu behandeln hat. 
  • In Afrika sind Flüchtlinge, sofern sie im UN-System landen, bevorzugt geschützte Gemeinschaften.
  • In Europa sind sie der nationalen Willkür überlassen, irren von einem Land zum anderen, werden behandelt wie Treibgut und sollen froh sein, wenn man ihnen die Freiheit gewährt, unter Brücken zu schlafen.

Das war nicht immer so. Nach dem Zweiten Weltkrieg, im Jahr 1951, entwarfen europäische Staaten die Genfer Flüchtlingskonvention. 

Die Bundesrepublik Deutschland hat sie unterzeichnet, die Überwachung ihrer Einhaltung obliegt dem UNHCR.
Quelle
„Die vertragsschließenden Staaten werden den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in ihrem Gebiet aufhalten, dieselbe Behandlung gewähren wie ihren Staatsangehörigen“, steht da. „Keiner der vertragsschließenden Staaten wird einen Flüchtling auf irgendeine Weise über die Grenzen von Gebieten ausweisen oder zurückweisen, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde.“ 
UN-Flüchtlingskommissar António Guterres appellierte für mehr Solidarität und Verantwortung von der internationalen Gemeinschaft "als wir bislang gesehen haben."
Bislang sind von den benötigten 4,53 Milliarden US-Dollar, die für die Unterstützung der syrischen Flüchtlinge und Binnenvertriebenen benötigt werden, nur 23 Prozent (1,06 Milliarden US-Dollar) eingegangen.
"Wir haben so wenig Mittel, dass wir in den nächsten sechs Monaten nicht in der Lage sind, die grundlegendsten Überlebensbedürfnisse von Millionen von Menschen zu bedienen," so Guterres.
Die knappen Mittel haben schon jetzt schwerwiegende Folgen:
die Lebensmittelrationen für 1,6 Millionen Flüchtlinge mussten in diesem Jahr reduziert werden [...]


Eine Utopie? Nein, geltendes Völkerrecht. 
Nur weil es diese Konvention gibt, kann das UNHCR dafür sorgen, dass das bitterarme chaotische Zaire innerhalb weniger Tage 1,7 Millionen Ruander aufnimmt; und dass von Afghanistan bis Somalia die Menschen wissen, dass sie im Falle der allergrößten Verzweiflung immer noch irgendwo ein Menschenrecht in Anspruch nehmen können.
Aber Deutschland liegt nicht in Afrika. Deswegen ist die deutsche Unterschrift unter die UN-Flüchtlingskonvention ohne Bedeutung, obwohl sie völkerrechtlich bindend ist.
 Man sollte diesen Text 800.000-mal drucken und jedem in die Hand drücken, der als Flüchtling deutschen Boden betritt. Man sollte ihn dort öffentlich verlesen, wo Flüchtlinge rassistischen Angriffen ausgesetzt sind. Man sollte alle juristischen Hebel in Bewegung setzen, damit jeder Flüchtling ihn in Anspruch nehmen kann, der ihn braucht.
Es ist Zeit, dass Deutschland afrikanischer wird. Angefangen mit dem humanitären Völkerrecht.«

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