Dienstag, Mai 24, 2016

Norbert Hofer - Alexander van Bellen - FPÖ - Rechts* : Ist Österreich nun halb voll oder halb leer?

Quelle

"Wien - Die Wahl zum Bundespräsident in Österreich ist entschieden. Alexander van der Bellen (72) ist noch an FPÖ-Kandidat Norbert Hofer (45) vorbeigezogen und hat die Wahl gewonnen.
Am Ende holte
  • Van der Bellen 50,3 Prozent 
  • und Norbert Hofer 49,7 Prozent der Stimmen. 
  • Konkret sind das 31.026 Wähler Vorsprung. 
  • Die Wahlbeteiligung lag bei 72,7 Prozent.
Zünglein an der Waage waren die Briefwähler. Ohne Berücksichtigung der Briefwähler hatte nach dem vorläufigem Endergebnis Hofer 51,9 Prozent der Stimmen geholt. Das teilte das Innenministerium in Wien am Sonntagabend mit. Van der Bellen hat demnach 48,1 Prozent erhalten." [Quelle]
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Schon am Abend des Wahltages (Sonntagabend 22. Mai 2016) bei seiner Wahlfeier im Wiener Prater.
hatte der Präsidentschafts-Kandidat der FPÖ Norbert Hofer seine Fans auf eine Niederlage eingestimmt. „Wir haben heute Geschichte geschrieben“, sagte er. Schließlich habe jeder zweite Bürger die FPÖ gewählt.

Entweder
er sei am Montag Bundespräsident ...

Quelle: Ausriss taz vom 24.5.16
... oder
„in zwei Jahren ist Heinz-Christian Strache Bundeskanzler
und vier Jahre später bin ich noch dazu Staatsoberhaupt.“
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Die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) ist eine rechtspopulistische Partei, die im Nationalrat, in allen neun Landtagen und vielen Gemeinderäten vertreten ist. Sie bezeichnet sich als Vertreterin des „Dritten Lagers“. Im In- und Ausland wird ihr ein Naheverhältnis zum Rechtsextremismus attestiert. - Heinz-Christian Strache (Jg.1969) ist ein österreichischer, rechtspopulistischer Politiker der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ). Er ist Bundesparteiobmann seiner Partei im Nationalrat sowie Landesparteiobmann der FPÖ in Wien. [wikipedia]
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Wählerstromanalysen 

zeigen, dass der Wirtschaftsprofessor van der Bellen 2/3 der Anhängerschaft der unabhängigen Richterin Dr. Irmgard Griss (sie hatte im 1. Wahlgang 18,9 % erreicht) und 3/4 der SPÖ-WählerInnen aus dem 1. Wahl- Durchgang für sich gewinnen konnte. 
Letzten Endes verdanke der 72-jährige Professor van der Bellen sein Ergebnis den jungen Frauen.
  • Frauen unter 30 haben zu 67 Prozent Van der Bellen gewählt.
  • Und ihre Wahlbeteiligung lag mit 80 Prozent deutlich über dem Durchschnitt von 72 Prozent.
  • Nur die Wählergruppe mit Hochschulabschluss war mit 81 Prozent noch aktiver. 
  • Auch Angestellte, öffentlich Bedienstete und Selbstständige votierten deutlich für ihn.
  • Dass Hofer bei Arbeitern unglaubliche 86 Prozent erzielte, zeige, dass die Klassenfrage wieder im politischen Diskurs angekommen ist.
  • Pensionisten, die letzte solide Bastion von SPÖ und ÖVP, konnte er immerhin zu 53 Prozent überzeugen. Frauen über 60 finden sich aber zu 56 Prozent bei Van der Bellen. [Quelle]
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FPÖ = Stiernackennazis?

Quelle
"Das knappe Ergebnis bedeutet seit Sonntag für die ganze Welt, dass man sich in Österreich offenbar irgendwo auf die Straße setzen kann, einen Stein werfen und mit einer 50-prozentigen
Wahrscheinlichkeit einen Rechten treffen kann. - Und natürlich sind nicht alle Wähler von Norbert Hofer automatisch Stiernackennazis, wie sie auf Fahndungslisten stehen. Aber mal ehrlich, wer einen Rechtspopulisten wählt,
der mehrmals gesagt hat, dass er gegen den EU-Beitritt stimmen würde,
  • jemanden, der die Bevölkerung „gegen die neue Völkerwanderung verteidigen“ will
  • und im Parlament gemeinsam mit seiner Fraktion mit einer Kornblume im Knopfloch auftaucht, die als ein Ersatzzeichen für verbotene Symbole und Zeichen der NSDAP gilt, 
  • nein, der ist vielleicht nicht automatisch ein Nazi. 
  • Aber er ist schon mal eindeutig nicht links und hat auch mit der Mitte nicht mehr viel zu tun."
    [Zitat: Saskia Hödl, österreichische Redakteurin) _____________________________________________

Was dann?


Ausschnitte. Der ganze Artikel





Reinecke kommentiert: Zum ersten Mal wählte die Hälfte der Bürger einer westeuropäischen Republik eine Politik,
die
  • antimuslimisch,
  • antieuropäisch 
  • und chauvinistisch ist. 
Und es war keine Protestwahl,bei der die Frustrierten den Mächtigen bloß mal den Stinkefinger zeigen wollten.

Die Hälfte der Österreicher will eine andere Republik. 
Was die neue Rechte von Strache über Le Pen bis Trump beflügelt, ist der Affekt gegen die liberalen Eliten.
Den Rechtspopulisten gelingt es, sich geschickt als authentische Advokaten aller Beleidigten zu inszenieren.
Das ist, wenn man sich den Milliardär Trump oder die etablierte FPÖ vor Augen führt, von beachtlicher Dreistigkeit.

Und doch mobilisieren sie auf diese Weise Ressentiments:
  • den Neid auf „die da oben“
  • und den Hass auf Schwächere wie Migranten.
Hinzu kommt ein paranoider Grundton. Man fühlt sich von den Herrschenden verkauft und wittert überall Manipulation. Es ist kein Zufall, dass Pegida die Nazivokabel Lügenpresse benutzt.
Österreich ist in diesem Panorama ein Laborversuch.Hier ist zu erkennen, wie rasch sich ein bis zur Langeweile stabiles und auf die Mitte zentriertes System polarisieren kann:
  • in rechts gegen links,
  • Land gegen Stadt,
  • Modernisierungsgewinner versus -verlierer.
Zwischen Innsbruck und Graz sind Prozesse sichtbar geworden, die künftig auch Deutschland prägen können.

Erstens:
Die Erinnerung an den Weltkrieg, den Terror des entfesselten Nationalismus und den Judenmord hat in Westeuropa eine Weile wie ein Wall gegen Rechtsextremismus und offenen Rassismus gewirkt.
Diese Mauer ist mit der Historisierung der NS-Zeit porös geworden – und die Löcher werden sich auch durch entschlossene historische Aufklärung nicht kitten lassen.

Schleier der Erinnerung
Völkische Ideen haben die Quarantäne rechtsextremer Zirkel verlassen. Was vor zehn Jahren noch Skandal war, wird heute achselzuckend zur Kenntnis genommen. Alexander Gauland, Chefideologe der AfD und gern gesehener Talkshowgast, redet 2016 selbstverständlich von dem Gegensatz zwischen dem „Volkskörper“ und Flüchtlingen. 
Zweitens:
86 Prozent der Arbeiter haben rechtspopulistisch gewählt. Dieser Trend war auch schon in Baden- Württemberg und Sachsen-Anhalt zu beobachten. Das Modell Österreich zeigt, wie es weitergehen kann: Arbeiter und Arbeitslose, die von der dynamischen Wissensgesellschaft und dem digitalen Kapitalismus nur die Schattenseiten zu spüren bekommen, verabschieden sich in eine politische Parallelwelt.

Bildquelle
Damit zerplatzt womöglich auch die Illusion der Linksliberalen:

Dass es möglich ist, ohne schroffe Kontroversen immer mehr individuelle Freiheiten für immer mehr Minderheiten zu generieren. Das ist eine schöne, kraftvolle, menschenfreundliche Idee, das lichte Erbe von 1968.

Es ist ein liberales Konzept, zugeschnitten auf selbstbewusste Bürger. Der frustrierte Hartz-IV-Empfänger und der schlecht ausgebildete Arbeiter, dessen Kinder es auch nicht besser haben werden, fühlen sich damit verständlicherweise nicht gemeint.
Die Rechtspopulisten sind dabei, das Soziale und die kollektiven Gerechtigkeitsideale zu kapern. Sie besetzen das vormalige Stammrevier der sozialund christdemokratischen Arbeiterbewegung.


Vielleicht sollte man sich an den linksliberalen US-Philosophen Richard Rorty [1931-2007] erinnern, der vor zwanzig Jahren hellsichtig jene Bruchlinie beschrieb, die nun Österreich scheinbar in zwei Hälften teilt und auch eine Blaupause für Trumps Aufstieg ist.

Rorty attestierte der Post-68er-Linken, dass sie die Gesellschaft nur noch im Tunnelblick wahrnimmt: als Kampf für die Rechte von Minderheiten. „Interessiert euch jetzt bitte mal wieder für die Probleme weißer heterosexueller Männer, die keine Arbeit finden und ihre Familien nicht versorgen können“, forderte er 1997 vergeblich. -  [Quelle für das Rorty-Zitat?]
Ausschnitte. Der ganze Artikel 

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