Donnerstag, April 19, 2018

Machergreifungen ... (?) Gretel Baum 1913/ 1933/ 2018

Heute las ich zum ersten Mal (in der Tagezeitung) über Gretel Baum.
"Den 1. Weltkrieg, Weimar, die Nazizeit – das alles hat Gretel Merom erlebt. Sie ist 105 Jahre alt. 1934 ging sie als überzeugte Zionistin nach Palästina.".
Sie wohnte - wie Anne Frank, (geb. 12. Juni 1929 in Frankfurt am Main, gest. Februar oder Anfang März 1945 im KZ Bergen-Belsen) - in Frankfurt am Main. Gretel Baum wurde in Frankfurt im Jahre 1913 geboren.
"Viele deutsche Juden lassen sich wie Gretels Vater in ihrem Patriotismus nicht überbieten und ziehen für Kaiser und Vaterland in den [1. Welt-] Krieg. Vater Norbert Baum kommt aus kleinen Verhältnissen aus Hasselbach im Taunus. Die Mutter Julie Baum entstammt der angesehenen Familie Geiger, die schon seit dem 17. Jahrhundert in Frankfurt ansässig ist. [...]
Nach der Inflation [1914-1923] und dem fehlgeschlagenen Hitler-Putsch [8. und 9. November 1923] stabilisiert sich die Weimarer Republik, die Nazis gelten als Randerscheinung. Die Juden sind in Deutschland gleichberechtigte Bürger. Kaum einer von ihnen kann mit der Vorstellung einer Auswanderung nach Palästina etwas anfangen. [...] "
Gretel Baum sagt 2018 [a.a.O.]:
„Nach der Machtübernahme der Nazis hat man erst bemerkt, wie viele Leute der NSDAP angehörten.
Unser Deutschlehrer war plötzlich ein ganz großer Mann in der Partei. Ich hatte die Schule ja glücklicherweise schon abgeschlossen.
Am 1. ­April 1933, dem Tag des Boykotts gegen jüdische Geschäfte, war ich in Frankfurt, aber ich weiß nicht mehr, wo. Ich weiß nur, dass ich froh war, dass ich bald [nach Palästina] wegkonnte.
Mein Vater ist an diesem Tag ins Geschäft gegangen. ‚Ich habe keine Angst‘, hat er gesagt.
Er ist verprügelt worden, und die Nazis haben das Geschäft beschmiert. Aber meine Eltern haben geglaubt, dass es nicht so schlimm werden würde. Sie dachten, das würde wieder vorübergehen. ‚Ich liebe Deutschland‘, hat mein Vater immer gesagt."
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Heute las ich in der Tageszeitung an anderer Stelle über das "Netzwerk AfD" und die Folgen des Einzugs der AfD in den Deutschen Bundestag.
Ein Sammelbecken für Rechte war die AfD schon vorher, jetzt ist sie auch eine Jobbörse. Die Bundestagsfraktion wirkt wie ein brauner Schwamm, der Rechte aus allen Milieus absaugt – vom rechten Flügel der Union bis zu völkischen Neonazis.
Und aus allen Milieus heißt eben auch, dass nun sogar diejenigen dabei sind, die vorher verstreut und möglichst unauffällig in Consultingfirmen, in Redaktionen, den Büros der „etablierten Parteien“ oder bei der Bundeswehr waren.


Was werden sie wohl tun? Das, was sie immer getan haben, nur (besser) bezahlt: Jetzt haben sie als MitarbeiterInnen der AfD zu Hunderten die Möglichkeit, hauptberuflich jeden Tag rund um die Uhr rechte Politik zu machen – und nun, ohne ihre Gesinnung aus Rücksicht auf Arbeitgeber oder aus Angst vor Nachteilen verstecken zu müssen. In den Wahlkreisen, den Berliner Büros und in den Fraktionsbüros sitzen nun die AktivistInnen der „Jungen Alternative“, rechte Burschenschafter und neurechte PublizistInnen, politische Irrlichter und OrganisatorInnen rechtspopulistischer Demonstrationen. Sie können ihre jeweiligen „Kompetenzen“ einbringen und ihren Einfluss geltend machen. Sie verfügen über Millionen Euro aus Steuergeldern, haben Zugang zu exklusiven Informationen und können die Bühne der medialen Öffentlichkeit nutzen, um ihre Propaganda zu verbreiten und die Grenzen des Sag- und Machbaren immer weiter und weiter nach rechts zu verschieben.

Der Extremismusexperte Eckhard Jesse schrieb 2016: „[D]as Aufkommen einer Partei wie der Alternative für Deutschland […] ist ein Zeichen der Normalisierung, keines der Gefahr, wie es mitunter alarmistisch heißt.“ Das kann man natürlich so sehen: [...] [Quelle]
 Ja, das kann man natürlich so sehen.
Doch irgendwie erinnert mich das auch an den Satz von Gretel Baum:
„Nach der Machtübernahme der Nazis hat man erst bemerkt, wie viele Leute der NSDAP angehörten."

Dann hört es sich plötzlich an wie:
Nach dem Einzug der AfD in den Bundestag, als es plötzlich um gut bezahlte Posten und Mandate ging,  hat man erst bemerkt, wie viele Rechte aus allen Milieus vorher verstreut und oft möglichst unauffällig in Consultingfirmen, in Redaktionen, den Büros der „etablierten Parteien“ oder bei der Bundeswehr, der Polizei, in Burschenschaften ... waren.

Verlag Hartung-Gorre;
Auflage: 1 (9. Februar 2009)

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