Für Samstag, 15. Oktober, waren in ca. 80 Ländern der Erde Demonstrationen angekündigt, meistens gegen die Macht und die Machenschaften der Banken und Finanzmärkte. -
"Heute beginnt die Revolution" titelte die taz im süffisanten Stil und druckte gleich darunter Auszüge aus Lenins 1917 - kurz vor der russischen Oktoberrevolution - veröffentlichten "Aprilthesen" ab. "Eine neue Oktoberrevolution?".
Was geschah dann am letzten Samstag in über 80 Ländern, in Madrid (500.000 Menschen), in Athen (nur 7000), in Paris, in London, in Santiago de Chile (30.000), in New York?
"[...] Es bewegt sich etwas [...] und nun sogar bei uns. Zigtausende demonstrierten an diesem Wochenende in Deutschland, vor dem Reichstag in Berlin, vor der Europäischen Zentralbank in Frankfurt und an vielen Orten sonst.
Es waren mehr, als die nur lose organisierten Veranstalter zu hoffen gewagt hatten. [...] Aus diesem Wochenende darf geschlossen werden: Den Schaden, den der Finanzkapitalismus in den von ihm dominierten Gesellschaften anrichtet und noch anzurichten droht, werden viele Bürgerinnen und Bürger nicht einfach hinnehmen – weltweit." (Leitartikel der FR.)
Interessant ist, dass in den letzten Tagen und Wochen überhaupt plötzlich wieder von "Revolution" gesprochen wird. Und von "Kapitalismus" statt von "freier" oder "sozialer Marktwirtschaft". - Und das nicht nur süffisant wie im taz-Aufmacher über die russische Oktober-Revolution von1917, sondern auch ernsthaft und nachdenklich:
In einem Radio-Gespräch erzählte Sonja Hegasy (Jahrgang 1967, Islamwissenschaftlerin und Vize-Direktorin des Zentrums Moderner Orient in Berlin), dass sie angesichts der Vorgänge in der Welt doch mal wieder nachgelesen habe, wie eigentlich die französische Revolution 1789 entstanden und verlaufen sei. Und dieser udopia-04-Blog beschäftige sich vor ein paar Tagen mit dem Verlauf der chinesischen Revolution in der Mitte des letzten Jahrhunderts.
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"Kein Plan!"
Martin Luther King sagte einmal sinngemäß:
Es wurde noch nie ein Aufstand gemacht, weil es den Menschen schlecht ging. Einen Aufstand macht man erst dann, wenn man eine Perspektive hat.In Tunesien, Ägypten, Libyen, Syrien war/ist die Perspektive: Der Diktator muss weg!
In Frankfurt und Spanien und anderswo bleiben die Ziele vage. "Das Ziel ist, jeden Einzelnen zum Nachdenken zu bringen" sagt der spanische Soziologe de Rivera. -
Auf die Frage, warum er in Washington auf dem McPherson-Platz in der Nähe des Weißen Hauses sei, sagte einer der Platz-Besetzer, 25 Jahre alt: "Das ändert sich ständig. [...] Ich bin nicht damit einverstanden, wie die Welt funktioniert.[...] Die Politik repräsentiert nicht die Bürger." -
Und über den 20-jährigen "Hoffnungsträger der Generation Occupy" (Spiegel Online) Wolfram Siener schreibt Felix Dachsel: Je länger man ihm zuhört, desto weniger weiß man eine Antwort auf die Frage, was ihn bewegt.
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"Was wir hier erleben, sind erste Sortierprozesse" sagt der deutsche Politikwissenschaftler Peter Grottian.
Und ein anderer Politik-Professor meint: "Die Agenda entsteht erst mit dem Prozess". (Roland Roth, Stendal. Zitate aus der taz vom 15./16. Okt. 2011, "Wir haben keine richtigen Antworten")
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Wenn eine Bundeskanzlerin den Protestierenden gegenüber Verständnis äußert, kann es mit der Revolution noch nicht weit gekommen sein. Schon immer hieß es, die beste Methode, eine Revolution abzuwürgen sei es, sich an deren Spitze zu setzen. - Daraus haben die jungen "Empörten" gelernt und lassen sich weder von Parteien, noch von Gewerkschaften noch von attac sagen, wo es lang geht.
"Ob das mit der Weltrevolution klappt, ist ungewiss." (Martin Kaul in der taz.
"Ich kann die jungen Leute verstehen. Ihre Wut und ihren Zorn. Sie haben den Eindruck, ständig belogen zu werden. Von der Politik und den Banken. Man traut ihnen einfach nicht mehr. Sie wollen Ehrlichkeit, Anstand und Solidarität. Das ist alles klasse, und ich denke mir immer, es ist eigentlich bescheuert, dass wir das nicht hinkriegen. Aber das reicht nicht. Das ist so sozialromantisch wie der Kartoffelacker und wird wieder einschlafen". (Professor Bernd Nolte. Im Interview mit der Kontext:Wochenzeitung )
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