Sonntag, Oktober 02, 2011

Papst-Gucken im Bundestag. "... – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande?"



Ja, die Papst-Rede im Bundestag war eher eine "Philosophiestunde im Bundestag", wie die Financial Times Deutschland (FTD, 22.9.11) zutreffend schrieb. Und wer versteht schon auf Anhieb Sätze des Papstes wie:

"Ich möchte kurz andeuten, wieso diese Situation entstanden ist. Grundlegend ist zunächst die These, daß zwischen Sein und Sollen ein unüberbrückbarer Graben bestehe. Aus Sein könne kein Sollen folgen, weil es sich da um zwei völlig verschiedene Bereiche handle. Der Grund dafür ist das inzwischen fast allgemein angenommene positivistische Verständnis von Natur und Vernunft. Wenn man die Natur – mit den Worten von H. Kelsen – als „ein Aggregat von als Ursache und Wirkung miteinander verbundenen Seinstatsachen" ansieht, dann kann aus ihr in der Tat keine irgendwie geartete ethische Weisung hervorgehen." ?

Da schreibt der FTD-Leitartikel ganz zu Recht:

"Eine qualifizierte Mehrheit der Zuhörer im Reichstagsgebäude wird wahrscheinlich in einer ruhigen Stunde erst mal nachschlagen müssen, was der vatikanische Staatsgast wohl gemeint haben könnte. Ob das irgendwie gut war oder gar gefährlich, religiöse Propaganda oder doch im Sinne des Hohen Hauses."

Trotzdem: Gezeigt, wo die Glocken hängen. 

Es gab wenig brisante Sätze, aber einen gleich am Anfang:

"Aber die Einladung zu dieser Rede gilt mir als Papst, als Bischof von Rom, der die oberste Verantwortung für die katholische Christenheit trägt. Sie anerkennen damit die Rolle, die dem Heiligen Stuhl als Partner innerhalb der Völker- und Staatengemeinschaft zukommt."

Da stieß er die vor den Kopf, die sein Auftreten vor dem Bundestag damit rechtfertigen wollten, dass er ja nicht als Religionsführer, sondern als Staatschef des Staates Vatikanstadt (0,44 Quadratkilometer groß und ca. 1000 Einwohner) eingeladen worden sei. Er hat allen gleich mal gezeigt, wo die Glocken hängen und was er von seiner eigenen Rolle hält: Ich bin nicht irgendwer, sondern der Stellvertreter von Gottes Sohn auf Erden, und dadurch kommt mir eine besondere Rolle innerhalb der Völker- und Staatengemeinschaft auch zu. Wer wagt es, daran Zweifel zu haben? Und durch die Einladung an mich haben Sie das anerkannt. - Ups...

Abgesehen davon blieb er recht allgemein. Wenn er aber den Kirchenvater Augustinus zitiert:

„Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande"
dann hätte man sich doch gerne gewünscht, dass er etwas Butter zu den Fischen gegeben hätte. Denn die katholische Soziallehre hat zu dem Thema eigentlich Einiges zu sagen. - Aber dann hätten vielleicht die falschen Fraktionen im Bundestag applaudiert.  - Wenn sie denn vor lauter Papst-Gucken überhaupt zugehört haben. ;-)

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