Montag, August 26, 2013

Syrien: Von Chemiewaffen und vielen roten (Schlangen-) Linien

Am Mittwoch, 21.8.2013, wurde in Syrien (wahrscheinlich) Giftgas eingesetzt. 
Ich gehe mal davon aus, dass das dieses Mal keine der zahlreichen Kriegs-Lügen ist 
  • wie zum Beispiel die "Brutkastenlüge" von 1990: Die Brutkastenlüge bezeichnet die Behauptung, irakische Soldaten hätten bei der Invasion Kuwaits im Jahr 1990 kuwaitische Säuglinge in einem Krankenhaus in Kuwait-Stadt getötet. Die Behauptung stellte sich später als haltlos heraus. 
  • Oder das angebliche Massaker von Racak  im Kosovo-Krieg von 1999.
  • Oder die Lüge über die angeblichen Massenvernichtungswaffen des Irak von 2003:
Computer-generierte Abblidung der angeblichen mobilen Anlagen zur Produktion chemischer Kampfstoffe, präsentiert von dem damaligen US-Außenminister Colin Powell vor dem UN-Sicherheitsrat im Februar 2003 zur Legitimation des Sturzes Saddam Hussein und des Irak-Krieges. [wikipedia]

____________________________________________

Berichten von Geheimdiensten kann man nicht mehr wirklich trauen, aber:
Dieses Mal ist die Quelle eine (bisher) stets vertrauenswürdige, nämlich die Pressemitteilung von "Ärzte ohne Grenzen"
Pressemitteilung
Syrien: Tausende Patienten mit neurotoxischen Symptomen in von Ärzte ohne Grenzen unterstützten Krankenhäusern behandelt

Berlin, 24. August 2013. Nach Berichten von Mitarbeitern dreier Krankenhäuser im Gouvernement Damaskus, die von der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen unterstützt werden, wurden dort am vergangenen Mittwochmorgen in einem Zeitraum von weniger als drei Stunden etwa 3.600 Patienten mit neurotoxischen Symptomen eingeliefert. 355 von ihnen sind nach Angaben der Krankenhausmitarbeiter gestorben. -
Seit 2012 hat Ärzte ohne Grenzen eine umfassende und verlässliche Zusammenarbeit mit medizinischen Netzwerken, Krankenhäusern und improvisierten Kliniken im Gouvernement Damaskus aufgebaut und Medikamente, medizinische Ausrüstung und technische Geräte dorthin geschickt. Wegen erheblicher Sicherheitsrisiken konnten Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen diese Einrichtungen bislang nicht selbst aufsuchen.
„Medizinisches Personal, das in diesen Einrichtungen arbeitet, hat Mitarbeitern von Ärzte ohne Grenzen detaillierte Informationen über eine große Zahl von Patienten mit Symptomen wie Krämpfen, übermäßiger Speichelbildung, stark verengten Pupillen, verschwommenem Blick und Atemnot zukommen lassen", sagt Dr. Bart Janssens, Leiter der Projektabteilung von Ärzte ohne Grenzen in Brüssel.
[...]
„Ärzte ohne Grenzen kann weder die Ursachen dieser Symptome nach wissenschaftlichen Kriterien bestimmen noch ermitteln, wer für einen möglichen Angriff verantwortlich ist“, erklärt Janssens.
„Doch die beschriebenen Symptome der Patienten zusammen mit dem epidemiologischen Muster der Ereignisse – ein massiver Zustrom von Patienten in kurzer Zeit, der Aufenthaltsort der Patienten vor der Einlieferung, die Kontaminierung von medizinischem Personal und Ersthelfern – deuten stark auf einen massenhaften Kontakt mit einem neurotoxischen Stoff hin. Das könnte auf eine Verletzung des humanitären Völkerrechts hindeuten, das den Gebrauch von chemischen und biologischen Waffen komplett verbietet.“
[...]
„Ärzte ohne Grenzen hofft, dass unabhängige Ermittler sofortigen Zugang bekommen, um herauszufinden, was passiert ist“, erklärt Christopher Stokes, Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen in Belgien.[...]
____________________________________________

Fest steht:
  • Mehrmals hatte Präsident Barack Obama den Einsatz chemischer Kampfstoffe zur roten Linie erklärt, deren Überschreiten Washington nicht dulden werde.
  • Die Chemiewaffen-Experten der UN konnten erst am Morgen des 26.8.2013 in das Gebiet Ghuta östlich von Damaskus aufbrechen, das am vergangenen Mittwoch mit Giftgas bombardiert worden sein soll. Ergebnisse gibt es bis heute daher noch keine.  
  • Es gibt unterschiedlicheSpekulationen, woher das Gift stammen könnte:
  1. Eine Einheit der syrischen Armee unter dem Befehl des Präsidenten-Bruders Mahir al-Assad soll den eigentlich in der Region zuständigen Kommandanten Mahir erschossen haben, die Chemiewaffen entwendet und eingesetzt haben (so die saudische Zeitung asch-scharq, die von einem Prinzen des saudischen Königshauses finanziert wird).
  2. Die Chemiewaffen seien möglicherweise durch einen Zufalls-Treffer mit konventioneller Munition unbeabsichtigt freigeworden. 
  3. Die türkische Polizei hat syrische Rebellen schon vor einiger Zeit beim Schmuggel mit dem Giftgas Sarin auf dem Weg zur syrischen Grenze erwischt. „Ich bin sehr misstrauisch“, so Hans-Christian Ströbele. „Es gibt in Teilen des Widerstands gegen Assad sehr skrupellose Gruppen, die möglicherweise eine Intervention des Westens herbeiprovozieren wollen.“ Darum sei es nötig, das Ergebnis einer möglichst unabhängigen Untersuchung durch die UNO abzuwarten.
  4. "Kann die syrische Regierung selber so dumm sein, durch den Einsatz von Chemiewaffen den eigenen Sturz zu provozieren? Zumal in einer Situation, wo sie über die Rebellen die Oberhand gewonnen hat?" (Michael Lüders a.a.O.)
  5. Das syrische Fernsehen zeigte (angebliche) Funde bei syrischen Rebellen ("Terroristen"):
You-tube-Screenshot
Mehrere Container mit dem Giftgas Sarin soll die syrische Armee laut eigenen Angaben bei einer Operation gegen bewaffnete Regimegegner in der Stadt Hama im Westen Syriens erbeutet haben, berichtet auch der Fernsehsender Press TV am Sonntag. Siehe auch. Und. Und.
 ____________________________________________

  • Rote Linien gibt es nicht nur bei Präsident Obama. Im Iran warnte der stellvertretende Chef der Armee: "Amerika weiß, dass jede Überquerung der syrischen roten Line schwere Konsequenzen für das weiße Haus haben wird".

Der Politik-Wissenschaftler Michael Lüders sagt:
  • "Längst ist der syrische Bürgerkrieg ein Stellvertreter-Krieg geworden: Hier der Westen, die Türkei und die Golfstaaten, die sich auf Seiten der Aufständischen gestellt haben, vor allem um den wachsenden Einfluss Irans zurückzudrängen -
  • dort Moskau, Teheran und Peking, die an Assad festhalten, um den Einfluss des Westen in der region nicht größer werden zu lassen".
Siehe auch:
Höre auch:
  • Ist ein militärischer Eingriff in Syrien jetzt zwingend, und ist er richtig? Interview im Deutschlandfunk mit Walther Stützle, ehem. Chef des Friedensforschungs-Instituts SIPRI (Stockholm International Peace Research Institute).

Keine Kommentare: