Leidenschaft für Gebet und Gedicht |
Aus: wikipedia |
Glaube und Toleranz in einer pluralistischen Gesellschaft.
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Ortswechsel. 30. Juli 2014. Evangelikale in Uganda
Der große Saal von Ugandas Verfassungsgericht ist bis auf den letzten Platz besetzt.1. August 2014
Es ist ein entscheidendes Verfahren, das an diesem Mittwoch, den 30. Juli 2014, begonnen hat – der Streit um Ugandas Anti-Homosexuellen-Gesetz, das Ende 2013 vom Parlament verabschiedet wurde und Ende Februar per Unterschrift von Präsident Yoweri Museveni in Kraft trat. Das Gesetz sieht als Höchststrafe lebenslange Haft für Schwule und Lesben vor. Es richtet sich auch gegen Gesundheitseinrichtungen, die Homosexuelle betreuen. Zur Prozesseröffnung ist die Stimmung im vollen Saal angespannt. Auch Ugandas prominentester Schwulenhasser, der evangelikale Pfarrer Martin Ssempa, in schwarzer Robe mit zwei feuerroten Kruzifixen auf der Brust. [...]
Links: Ugandas prominentester Schwulenhasser,
der evangelikale Pfarrer Martin Ssempa
Um das Gesetz gibt es weltweite Diskussionen. Ursprünglich 2009 als private Initiative eingebracht, forderte es sogar die Todesstrafe gegen Schwule. Urheber des Gesetzentwurfs war der Abgeordenete David Bahati, neben Pfarrer Ssempa ein berühmtes Mitglied der evangelikalen Zirkel in den USA und Uganda. [...]
Im April 2014 startete Ugandas Polizei die ersten Razzien: Die Einrichtungen eines US-finanzierten Projektes, das medizinische Hilfe für HIV-positive Homosexuelle anbietet, wurde gestürmt. Auch ein US-Projekt an Ugandas Makerere-Universität wurde durchsucht. Dort „trainiere man Jugendliche zum Schwulsein“, sagte Regierungssprecher Ofwono Oponda damals. Die Welt schrie auf. Westliche Länder kürzten Hilfsgelder. Die USA erließen Sanktionen. [Quelle]
Das Verfassungsgericht Ugandas hat heute das weltweit umstrittene neue Anti-Homosexuellen-Gesetz auf Halde gelegt. Die Richter urteilten am Freitag mittag, bei der Parlamentsabstimmung über das Gesetz am 20. Dezember 2013 seien nicht genügend Abgeordnete anwesend gewesen, um das Gesetz verfassungskonform zu verabschieden.
„All diese Verfolgungsmaßnahmen und Gewalt gegen uns durch die Polizei hat jetzt erst einmal ein Ende“, freut sich Aktivistin Jaqueline Kasha. - „Bis das Oberste Gericht entscheidet darf das Gesetz nicht angewandt werden – es ist als würde es nicht existieren“. [Quelle]
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Zurück nach Stuttgart. 26. November 2012
Im Bischofsbericht über Glaube und Toleranz schreibt Bischof July:
Aus ihrem [christlichen] Glauben an Gott resultiert eine tolerante Haltung. Glaube und Toleranz, das sind also zwei Seiten einer Medaille. Die Glaubensgewissheit ermöglicht mir, dass ich andere toleriere. Weil ich von Gott getragen bin, kann ich andere ertragen.Anmerkung:
Toleranz = Andere ertragen! Gott trägt mich. Ich er-trage dafür andere. - Dieser Begriff von Toleranz ist in der Ethik überholt, zumindest aber umstritten. (Das kann an dieser Stelle nicht ausgeführt werden. Siehe dazu z.B. auch: "Toleranz. Die vielen Mr. Strunks dieser Welt und die Vernichtungstechnik durch Nachsicht")
So ist die Evangelische Landeskirche in den Augen mancher eine intolerante Entscheidungsträgerin. [...] Während zum Beispiel die einen meinen, in der Ehe zwischen einem Pfarrer oder einer Pfarrerin unserer Landeskirche und einer muslimischen Ehepartnerin beziehungsweise einem muslimischen Ehepartner ein Symbol des Religionsfriedens und des Dialogs zu erkennen, sehen andere darin die Gefahr, [...]. Die Landeskirche hat hier in einem konkreten Fall eine klare Entscheidung getroffen.Anmerkung:
Wie die "klare Entscheidung" der Landeskirche aussah, erwähnt der Bischof nicht: Die Pfarrerin mit dem muslimischen Ehemann musste die Württembergische Landeskirche verlassen. - So wie auch im "Dritten Reich" Evangelische Pfarrer mit jüdischen Ehefrauen von den nazifreundlichen "Deutschen Christen" schikaniert wurden. - Nur eine Minderheit der evangelischen Christen protestierte damals dagegen. -
Weiter im Text:
Die Frage der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft spaltet nicht nur Kirchen, sie wird von einem großen Teil der Gesellschaft (auch in ihren rechtlichen Auswirkungen) anders wahrgenommen als von Teilen unserer Kirche. [...] Im internationalen und interkulturellen Zusammenhang spitzt sich die Frage nach den Lebensformen im Pfarrhaus noch einmal zu. [...]
Wonach suchen und fragen wir also, wenn es um Toleranz geht? Es geht nicht bloß um ein Dulden oder ein gleichgültiges Geltenlassen des anderen. Toleranz darf nicht verwechselt werden mit Beliebigkeit. Auch ein „Wahrheitspluralismus“ nach dem Motto „Alle haben Recht!“ ist nicht das, was wir anstreben. Es geht vielmehr darum, in Kirche, Gesellschaft und im Miteinander der Religionen eine Lebenskultur des differenzierten Miteinanders zu schaffen. Wir sind dankbar für die normativen Prinzipien des modernen Verfassungsstaates, der für Religionsfreiheit steht.
Zusammenfassend:
Toleranz (also: etwas ertragen, siehe oben, etwas dulden) hat auch ihre Grenzen. Nicht alles kann erduldet und ertragen werden. Der moderne Verfassungsstaat setzt Grenzen, indem er Religions-Freiheit garantiert. Das ist "modern". Unterdrückung von Religionen ist in unserem Rechtsstaat nicht geduldet, und das sei auch gut so, sagte der Bischof. [Außer natürlich: Die Pfarrein hat einen muslimischen Ehemann; das geht dann doch wieder zu weit. Trotz des modernen Verfassungsstaates.]
Weiter im Text:
Der Begriff, also die Vokabel „Toleranz“, spielt in den Traditionen des Alten und des Neuen Testaments keine zentrale Rolle, der damit bezeichnete Sachverhalt jedoch schon. Wir entdecken zahlreiche biblische Aussagen zu Geduld und Langmut, zu Barmherzigkeit und Gnade, zu Güte, Menschenfreundlichkeit und Annahme. All dies entfaltet, was Toleranz ist. [...] In der Bibel wird also deutlich unterschieden zwischen der Person selbst – die wird angenommen – und ihrem Verhalten, das nicht toleriert wird, wenn es „Leben und Liebe gefährdet“.
Anmerkung:
Ok, kann man so tolerieren, sogar akzeptieren, diese Unterscheidung zwischen der Person und ihren Taten, ihrem Verhalten: Gott liebt den Menschen, auch wenn er nicht alle seine Taten liebt. > Die Eltern lieben ihre Kinder, auch wenn sie nicht alle ihre Schandtaten lieben.
Weiter im Text:
„Toleranz hat ihre Grenze dort, wo das Denken und das Handeln von Menschen das Leben und die Würde anderer gefährden und bedrohen. Als Kirche wollen wir eine verlässliche Anwältin sein für ein Leben aller Menschen in Würde und ein Ort des Widerstandes gegen jede Form der Intoleranz.“ So lautet die sechste der zehn Thesen, die die Synode der EKD im November 2005 formuliert hat. [...] Rassistische Parolen haben in der Kirche keinen Platz. Deswegen sind wir antisemitischen Äußerungen gegenüber intolerant. [...] Gewaltaufrufe, welcher Art auch immer, müssen als das demaskiert werden, was sie sind: eine nicht zu duldende Menschenverachtung. Ebenso menschenverachtend ist die Gleichgültigkeit gegenüber der Hungerproblematik auf dieser Welt. [...]Zusammenfassung und Anmerkung:
Auch im staatlichen Recht besitzt die Toleranz Grenzen. Sie lassen sich schlagwortartig mit der Devise „Keine Toleranz für Intoleranz“ umschreiben. [...]
Die Grenzen der Toleranz im kirchlichen Recht lassen sich mit der Formel vom „bekenntnisgemäßen Kirchenrecht“ umschreiben, [...]
Der Württembergische Landes-Bischof benennt Grenzen der Toleranz für staatliches Recht ("Religionsfreiheit" -siehe oben - und "Keine Toleranz für Intoleranz"), zudem nennt er einige Beispiele für Grenzen der kirchlichen Toleranz: Rassistische Parolen, antisemitische Äußerungen, Gewaltaufrufe, Gleichgültigkeit gegenüber dem Hunger in der Welt. -
- Homophobie benennt er nicht, fällt bei ihm nicht unter die Grenze der Toleranz; kann aber vielleicht noch kommen? -
- Und: Nicht-religiöse Menschen werden es als einen Anachronismus und/oder ein Unding ansehen, dass es ein eigenständiges kirchliches Recht gibt, das nicht in allen Punkten dem staatlichen Recht unterliegt. Dieses kirchliche Recht verhinderte z.B., dass in der katholishen Kirche Priester, die unter dem Verdacht der Pädaopholie standen, nicht sofort bei Polizei und Staatsanwaltschaft angezeigt werden mussten und so jahrzehntelang unter dem Teppich des Kirchenrechts versteckt und der Öffentlichkeit verheimlicht werden konnten. Auch das moderne EU-Recht sieht wieder Sonderregeln für Religionsgemeinschaften vor, gerade im Recht auf Diskriminierung.
CSD-Parade Stuttgart, 26. Juli 2014 |
Ich habe daran bereits im März des letzten Jahres [2011] auf der Frühjahrssynode erinnert, als es um das Thema Homosexualität und Lebensformen im Pfarrhaus ging. Wir haben hierzu in unserer Landeskirche unterschiedliche Haltungen. Ich habe auf die Worte von Landesbischof Eberhardt Renz hingewiesen, der einen möglichen Umgang damit schon vor einigen Jahren mit folgenden Worten umrissen hat: „ … Aber vielleicht hilft gerade diese Gegensätzlichkeit der Positionen dazu, ein offenes Gespräch zu führen und zu einer Klarheit zu kommen, die sich für uns als Kirche der Reformation letztlich aus dem biblischen Wort ergeben muss.“ Um die angemessene Auslegung des biblischen Wortes ringen wir. [...]
In diesem Zusammenhang möchte ich nochmals die Grundvoraussetzung unserer Toleranz aus Glauben ins Gedächtnis rufen: die feste Glaubensidentität. Darum gehören zur Praxis unserer Toleranz auch unsere Gottesdienste. Stärken sie die Glaubensgewissheit? Auch alle anderen kirchlichen Handlungsfelder befragen wir: Tragen sie dazu bei, dass Menschen sich als geliebte Kinder Gottes verstehen? Dann fördern sie Toleranz. [...]
Anmerkung:
Der Bischof eiert herum, versteckt sich hinter den Worten eines Altbischofs.... "Haben wir unterschiedliche Haltungen", "offene Gespräche führen" .... - Mein Gott! "Wir" haben vielleicht auch unterschiedliche Meinungen zum Antisemitismus, zur Gewaltfrage, zum Rassismus - und trotzdem hat für den Bischof die Toleranz hier Grenzen, hier sagt er ein klares (billiges?) Wort. - Homophobie wird toleriert.
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Was lehrt uns also unser Bischof über Glaube und Toleranz in einer pluralistischen Gesellschaft?
- Religionsfreiheit ist gut, aber nicht für Partner/innen evangelischer Pfarrer/innen.
- Es spricht aus Sicht des württembergischen evangelischen Glaubens nichts dagegen, Homophobie nicht zu tolerieren. Das kann man so und so halten, kann man mal drüber reden....
- Das deutsche Antidiskriminierungsgesetz (AGG) interessiert uns als evangelische Christinnen und Christen nicht, es gehört ja zum staatlichen Recht, das muss uns im Glauben und im Kirchenrecht nicht wirklich berühren.
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p.s.:
Es geht auch anders
- In anderen Evangelischen Landeskirchen
- und innerhalb der Würtembergischen Evangelischen Landes-Synode beim Gesprächskreis (= "Kirchen-Partei") der Offenen Kirche.
Zum Anhören (4,5 Minuten)
Jesus rief mit lauter Stimme: "Lazarus, komm heraus!"
Morgenandacht am 28.07.2014
Sendezeit:28. Juli 2014, 06:35 Uhr
Autorin: Sandra Zeidler, Pfarrerin in der Kircheneintrittsstelle in München.
Programm: Deutschlandfunk
Sendung: Morgenandacht
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In jüngerer Zeit gibt es auch Kirchen, die sich akzeptierend gegenüber Homosexualität positionieren. In diesen Kirchen wird Homosexualität nicht pauschal als Sünde gesehen, und teilweise werden sogar gleichgeschlechtliche Ehen oder die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare praktiziert. Zu solchen Kirchen gehören unter anderen die
- Metropolitan Community Church,
- die Alt-Katholische Kirche, die
- United Church of Christ, die
- United Church of Canada,
- die lutherischen, reformierten und uniierten Landeskirchen der EKD,
- die reformierten Kantonalkirchen des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes,
- die Protestantische Kirche in den Niederlanden,
- die Evangelical Lutheran Church in America,
- die Evangelical Lutheran Church in Canada,
- die lutherischen Kirchen Skandinaviens,
- sowie liberalere Kirchen der anglikanischen Gemeinschaft (vor allem in Nordamerika).
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