Anfang des 21. Jahrhunderts
wehrt sich die irakische Bevölkerung gegen die Besatzungstruppen einer westlichen Koalition. Sie wehrt sich gewaltsam. Ob es auch Personen und Gruppen gibt, die - in der Tradition Gandhis - gewaltlos und mit zivilem Ungehorsam gegen die Besatzung und für die Unabhängigkeit kämpfen, ist aktuell nicht bekannt.
Anfang des 20. Jahrhunderts
wehrte sich die indische Bevölkerung gegen die britischen Besatzungstruppen.
"Er [Gandhi], und nur er, war dafür verantwortlich, dass sich die Forderung nach Unabhängigkeit in eine landesweite Massenbewegung verwandelte, die alle Gesellschaftsschichten gegen die Imperialisten mobilisierte [...].
Die Gandhische Gewaltlosigkeit wird vielfach als der Weg verstanden, auf dem Indien zur Unabhängigkeit fand. [...] Aber die indische Revolution verlief durchaus gewaltsam, und diese Gewalttätigkeit enttäuschte Gandhi so sehr, daß er aus Protest den Unabhängigkeitsfeierlichkeiten [1947] fernblieb."
(Salman Rushdie).
Gandhis Aufruf zur Verweigerung jeder Zusammenarbeit mit dem britischen Kolonialreich hatte Anfang der 1920er Jahre ganz Indien elektrisiert. Eine nie dagewesene Hoffnung und Begeisterung hatte sich damals der indischen Massen bemächtigt, die Hoffnung darauf, Selbstbestimmung und Befreiung von der britischen Besatzung seien nur eine Frage von Monaten.
Die Hoffnung hatte einen Dämpfer erhalten durch gewalttätige Zusammenstöße in Bombay und Madras und besonders durch einen Zwischenfall in dem Dorf Chauri Chaura:
Am 4. Februar 1922 hatte die Polizei zwei Demonstranten verprügelt. Durch die aufgebrachte Menge wurden daraufhin 15 Polizisten zu Stücken zerhackt und eine Polizeistation samt Polizisten in Brand gesteckt. Alle getöteten Polizisten waren Inder. Vor dem Zwischenfall gab es bereits andere Angriffe auf europäische Zivilisten und Polizeioffiziere. -
Gandhi kam zu der Überzeugung, dass der Aufstand außer Kontrolle geriet. Er entschied, seinen Aufruf zum nationalen Aufstand auszusetzen und sich nicht bloß für den Gewaltausbruch zu entschuldigen. Er kündigte ein unbegrenztes Fasten an, dass er erst mit der Einstellung jeden Widerstands beenden wollte. Millionen von Aktivisten, viele durch den Wechsel überrascht, gaben ihren Aufstand auf, um Gandhis Leben zu bewahren.
Gandhi erklärte danach, die Gewalttätigkeiten hätten ihn zu der Überzeugung gebracht, dass das Land noch nicht reif sei für die Unabhängigkeit.
Obwohl Gandhi den nationalen Aufstand im Alleingang beendet hatte, wurde er verhaftet. Jetzt ließ man ihm den Prozess machen, bei dem Gandhi keinen Versuch unternahm, sich zu verteidigen und selbst die Verantwortung für die Tötungen übernahm, weil er die Menschen zu wenig trainiert und friedliche Methoden zu wenig betont habe. - Er wurde zu sechs Jahren Haft wegen umstürzlerischer Veröffentlichungen verurteilt. Eine Blinddarmoperation nahm die Regierung in Delhi später zum Anlass, Gandhi bereits nach zwei Jahren aus dem Yervada-Gefängnis freizulassen.
Die Briten glaubten, Gandhi habe seine politische Zukunft hinter sich. In ihren Augen widmete er sich irgendwelchen esoterischen Sozialprogrammen, die weit davon entfernt waren, eine Bedrohung für das britische Empire sein zu können. "Der arme Gandhi ist tatsächlich von der Bildfläche verschwunden! Mit seinem Spinnrad gibt er eine genauso lächerliche Figur ab wie der letzte Minnesänger mit seiner Harfe, nur dass er keine so charmante Zuhörerschaft anzieht." (Lord Birkenhead, Staatsminister für Indien).
Gandhi selber lebte in seinem Ashram bei Ahmedabad mit ca. 150 Personen zusammen. Die Briten hatten ihn zwar abgeschrieben, doch die Inder warteten auf seinen nächsten Schritt.
Gandhi selber erklärte immer wieder, die indische Unabhängigkeitsbewegung habe nur eine andere Gestalt angenommen: Die Form einer politischen Moralerziehung,
- bei der die Betonung auf handwerklichen Arbeiten wie Spinnen lag,
- auf dem Kampf gegen das Dogma der Unberührbarkeit in der hinduistischen Gesellschaft
- und auf der Einheit von Hindus und Moslems. -
Besonders wütend über diesen Schritt Gandhis waren die Studenten, die er aufforderte, sich an seinen neuen Kampganen zu beteiligen, die aber deren Sinn nicht einsahen. Viele teilten die britische Einstellung, Gandhi sei irrelevant geworden und richteten ihre Hoffnung jetzt auf junge Revolutionäre im Punjab und in Bengalen, die gewaltsame Methoden für den Sturz der Briten propagierten.
Viele Nationalisten hatten das Gefühl, die Nichtkooperations-Bewegung hätte nicht wegen einiger isolierte gewalttätiger Zwischenfälle gestoppt werden sollen. Zeitgenössische Historiker und Kritiker vermuten, dass die Bewegung erfolgreich genug genug gewesen wäre, um der britischen Herrschaft das Genick zu brechen und die Unabhängigkeit möglicherweise vor 1947 möglich gewesen wäre. Andere Historiker und indische Politiker dieser Zeit verteidigen Gandhis Entscheidung. Wenn er die Revolte nicht gestoppt hätte, wäre Indien möglicherweise in einer anarchistischen Rebellion versunken.
Salman Rushdie:
»Für Jawaharlal Nehru war das prägende Bild Gandhis, "wie er sich 1930 mit dem Pilgerstab in der Hand auf den Salzmarsch nach Dandi machte. Er war der Pilger auf der Suche nach der Wahrheit: ruhig, friedlich, entschlossen und furchtlos, und man spürte, er würde seine Suche und Pilgerschaft fortsetzen, komme, was da wolle."
Nehrus Tochter, Indira Gandhi, sagte später: "Mehr als seine Worte war sein Leben die Botschaft."
Diese Botschaft wird heute eher außerhalb Indiens beherzigt. Albert Einstein zählte zu den vielen Bewunderern von Gandhis Leistungen; Martin Luther King, der Dalai Lama und alle Friedensbewegungen der Welt sind seinem Vorbild gefolgt. Gandhi, der das kosmopolitische Dasein aufgab, um ein Land zu gewinnen, ist in seinem seltsamen Leben nach dem Tod wieder zum Weltbürger geworden. Vielleicht erweist sich sein Geist doch noch als unverwüstlich, klug, zäh, raffiniert und - jawohl - als moralisch genug[...]. Gegen dieses neue Imperium ist Intelligenz allemal eine bessere Waffe als Frömmigkeit. Und passiver Widerstand? Wir werden sehen.«
udopia/rushdie/kakar/wikipedia
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