Sonntag, Dezember 11, 2011

Die Borgias und das Lebens-Gefühl in Zeiten der Krise


Wenn man in Berlin im Bode-Museum die Renaissance-Ausstellung ansehen wollte, dann musste man sich am besten schon morgens um vier in die Schlange stellen, um ein Ticket zu bekommen: Eine viertel Million Menschen hat in Berlin die Porträt-Ausstellung angeschaut, die am 20.November zuende ging. Und das obwohl es kein einziges gesichertes Porträt von Cesare Borgia oder Lucrezia Borgia gibt; wir haben keine Gesichter von historischen Persönlichkeiten, die Porträts sind geschönte Ideale, sie zeigen, wie der Mensch dahinter gesehen werden wollte. - 

Auch in München und Hamburg standen die Menschen vor den Renaissance-Ausstellungen Schlange. Und jeweils 5 Millionen Menschen schauten zu, als im ZDF die 6-teilige  BORGRIA-Serie lief, "Die Liebe in Zeiten des Umbruchs", eine aufwändige europäische Produktion. Fast parallel lief in Pro7 "Die Borgias. Sex. Macht. Mord. Amen", eine Hollywood-Produktion.
________________________________

Warum sind die Borgias und die Renaissance so populär? 

  • Eine wie Pech und Schwefel zusammen-haltende Familie, die Borgias, kann alle Widerstände der Zeit überwinden und sich die Welt unterwerfen. -  Ist es das, wonach wir uns heute in Zeiten der Krise ebenfalls sehnen? Der Historiker Professor Reinhardt und andere ziehen in einer Diskussion im SWR2-Forum weitere Parallelen zwischen dem Lebensgefühl heute und dem Lebensgefühl der Renaissance, wie es uns im Film und in Romanen und Porträts der Zeit vorgestellt wird: 

  • Zukunfts-Angst: Der Mensch um das Jahr 1500 war verängstigt und verunsichert, er blickte mit Pessimismus in die Zukunft. Wie ihr Zeitgenosse Martin Luther, glaubten sie an Tod und Teufel und lebten in der Angst, dass Gott sie für ihre eigenen Sünden und die Sünden der Fürsten und Päpste bestrafen wird. -  Der Personenkult, der in den Porträts zum Ausdruck kommt  -  kann das gutgehen?

  • Verlust der Zentren: Der Glaube an Gott wird durch Humanisten und Naturwissenschaften in Frage gestellt, ist der Himmel ohne Gott? Das Zentrum Rom wird durch Martin Luther und die Reformation in Frage gestellt: Ist der Papst der  "Antichrist"? Die Erde wird als  Mittelpunkt der Welt von der Sonne abgelöst, und Kolumbus entdeckt eine neue Welt auf unserem Planeten. - Alle mittelalterlichen Gewissheiten kommen abhanden und kollabieren.  Man musste sich alleine, den neuen Unsicherheiten und Ungewissheiten stellen, ohne die Sicherheiten des Glaubens. Entspricht das nicht dem heutigen Lebensgefühl, in dem die Supermacht USA zu wanken scheint, das Zentrum der Welt sich nach Asien verlagert, der Euro in der Krise ist und ein europäisches Land nach dem anderen, selbst Deutschland, von den Rating-Agenturen abgewertet wird? 
  • Eine wie Pech und Schwefel zusammen-haltende Familie, wie die Borgias, kann alle Widerstände der Zeit überwinden...

Keine Kommentare: