Freitag, Dezember 30, 2011

Vom friedlichen Widertand in Syrien, einer libyschen Scharfschützin - und Gandhi



Trotz der Gewalt von Militär und Geheimdiensten demonstrieren in Syrien täglich tausende Menschen friedlich für ein Ende des Assad-Regimes. Sie organisieren sich in lokalen Bürgerkomitees, deren Ansatz der gewaltfreie Widerstand ist und fordern Menschenrechte, Demokratie und ein Ende der gewaltsamen Diktatur.

Noch sind NATO-Flugzeuge nicht - wie in Libyen - die Luftwaffe des syrischen Widerstandes gegen ihren Präsidenten Baschar Hafiz al-Assad geworden  Die Revolution will mit friedlichen Mitteln erfolgreich sein - so wie 2011 die Jasmin-Revolution in Tunesien und der Aufstand in Ägypten und zuvor auch schon andere Umwälzungen: In Deutschland 1989, in Georgien 2003 (Rosenrevolution ), in Portugal 1974 (Nelkenrevolution) ...
_____________________________________



"Wir Aktivistinnen und Aktivisten ...

...hatten gleich zu Beginn des Aufstands gesagt, dass wir nur mit friedlichen Mitteln erfolgreich sein können. Und trotz des ständigen Beschusses von Demonstrationen und trotz der willkürlichen Verhaftungen und Folter ist es uns gelungen, den friedlichen Charakter der Revolution zu wahren. [...]  

In den vergangenen drei Monaten haben sich immer mehr Soldaten dazu entschieden, sich an die Seite ihrer Brüder und Schwestern zu stellen, statt für das Regime zu töten. Ihre Zahl steigt täglich an... 

Trotz der großen Anzahl an desertierten Soldaten, trotz der vielen Toten und der Folter ist unsere Revolution friedlich geblieben. Unser Aufruf zum Streik, der hoffentlich in einen Generalstreik münden wird, findet größere Unterstützung als die Rufe nach Bewaffnung. Keiner will in einen Teufelskreis der Gewalt hineingeraten, auch wenn der Preis für den friedlichen Widerstand erst einmal höher erscheint. Der Preis eines Bürgerkriegs wäre noch tausendmal höher

... Für ihre selbst auferlegte Verpflichtung gegenüber der friedlichen Revolution geben die Menschen ihre Arbeit und ihr normales Leben auf. Denn sie müssen sich verstecken. Sie müssen von Ort zu Ort und von Haus zu Haus ziehen, um vor den Sicherheitsdiensten und ihren tödlichen Kugeln zu flüchten.

Und während diese Aktivistinnen und Aktivisten der Bevölkerung helfen, sich von der Unterdrückung und dem Terror des Staates zu befreien, erfahren sie selbst kaum Unterstützung. Kaum jemand sieht die Opfer, die sie bringen müssen, kaum jemand sieht, dass sie ihre Häuser und Familien aufgegeben haben, um sich ganz der Revolution zu widmen und um ihren glühenden Kampf für Freiheit, Menschenrechte und eine friedliche Revolution zu führen.
Als Aktivistinnen und Aktivisten brauchen wir dringend Unterstützung, um unsere Arbeit im Dienst der friedlichen Revolution weiterführen zu können, bis wir diese Diktatur besiegt haben."
 _____________________________________


Nachtrag 19.2.2012 


Die 1974 in Damaskus geborene syrische Schriftstellerin Rosa Yassin Hassan schreibt


"Meine persönliche Situation ist einigermaßen erträglich, denn ich werde im Gegensatz zu anderen Aktivisten in Syrien nicht direkt bedroht. Auch ist die Lage in Damaskus und in Dscharamaneh, wo ich wohne, noch vergleichsweise ruhig. Zwar wird auch bei uns der Strom stundenlang abgestellt, es gibt oft kein Telefon, keine Heizmöglichkeit, die Teuerungsrate ist unglaublich hoch, aber zumindest findet man einen Laden, wo man einkaufen kann.
Aber natürlich finden auch in Damaskus Demonstrationen statt, auf die mit Gewalt reagiert wird, und dann kann man das Haus nicht verlassen. Zudem hat das Regime in den letzten Monaten Bombenanschläge verübt - und ich bin sicher, dass es das syrische Regime gewesen ist. Es kann jeden Moment zu einer Explosion kommen. Die Lage verschlechtert sich ständig. ...

Die brutale Gewalt des Regimes gegenüber der Revolution hat auch gewalttätige Gegenreaktionen hervorgerufen, und das ist ganz natürlich. Wir befinden uns jetzt im elften Monat, in dem brutale, ungezügelte Gewalt gegen die Demonstranten angewendet wird. Aber ich möchte die derzeitige Situation nicht als Bürgerkrieg bezeichnen. Es kommt zu Vorfällen. Einzelne Zivilisten haben sich zwar bewaffnet, aber noch kämpfen nicht bewaffnete Zivilisten gegeneinander. ..

Wenn der Präsident bleibt, steht das Land vor einem Bürgerkrieg. Das sehe ich ganz deutlich vor Augen."
  
Der ganze Artikel



_____________________________________
  
Karim El-Gawhary:  
Libyen - Die Scharfschützin Gaddafis.

El Hawhary wurde als Sohn eines Ägypters und einer Deutschen in München geboren, studierte Islamwissenschaften und Politik mit dem Schwerpunkt Nahost an der FU-Berlin. Für die ARD war er Jahre lang in Kairo tätig. Neben seiner Tätigkeit beim ORF arbeitet er als Nahost-Korrespondent für elf deutschsprachige Zeitungen, u. a. für die tageszeitung (taz).

[Quelle: wikipedia]

In seinem persönlichen Jahresrückblick 2011 macht er sich Gedanken darüber, ob man sich als Journalist und Berichterstatter auf die Seite der Aufständischen stellen darf oder soll. Er berichtet von seiner Reise im August 2011 nach Tripolis/ Libyen:
______________
 

"Als ein Arzt in einem Krankenhaus in Tripolis erzählt, dass einen Trakt weiter ein Scharfschütze Gaddafis liege, war sofort mein Interesse für eine gute Geschichte geweckt. Nur, dass ich schon beim Eintritt ins Krankenzimmer geschockt war: Ein schwer verletztes 19-jähriges Mädchen lag da in einem Bett, das sie mit ihrem zierlichen Körper kaum ausfüllte. Sie war der Scharfschütze Gaddafis.

Sareen erzählte, wie sie auf der Flucht vor den Rebellen vom Dach eines zweistöckigen Gebäudes gesprungen war. Sie sprach langsam und unter starken Schmerzen. Auf die Frage, wie es ihr nun gehe, jung, schwerverletzt, Gaddafi auf der Flucht, bracht das Mädchen in Tränen aus und beendet das Gespräch. Was soll man über Sareen denken?
 

Zwei Seiten

Sie tat mir leid, ihr junges Leben ruiniert, ein Opfer. Oder doch eine Täterin? Wie viele Menschen mag sie sie auf dem Gewissen haben, die sie, versteckt auf einem der Dächer von Tripolis, erschossen hat? Vielleicht taucht er da plötzlich wieder auf, der objektive Journalist, der beide Seiten betrachtet. Beim Verlassen des Krankenzimmers der Scharfschützin fühlte ich mich hilflos. Meine Kategorien griffen nicht mehr."
 

_____________________________________







"Das Prinzip Auge um Auge macht die ganze Menschheit blind" ...



... war  Gandhis Maxime in seinem Kampf gegen die britische Kolonialmacht in Indien in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. -
 



Keine Kommentare: