Mittwoch, Mai 30, 2012

Tibet: Wieder brennen buddhistische Mönche - Gegen den Willen des Dalai Lama.



Der Dalai Lama, das geistige Oberhaupt der Tibeter, hat mehrfach seine Anhänger aufgefordert, Selbstverbrennungen zu unterlassen und darauf hingewiesen, dass der Buddhismus diese Form des Protestes ablehnt. 
 
Die internationale Buddhistische Flagge.
Siehe auch den Post "Flammender Protest"
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Seit 2011 sollen sich in China 34 Mönche selbst in Brand gesetzt haben. Zwanzig kamen dabei ums Leben. Bis auf einen fanden alle diese 34 Proteste gegen China in den chinesischen Provinzen Sichuan, Qinghai oder Gansu statt, aber nicht in Tibet selber.

Zum ersten Mal
setzten sich nun zwei Mönche in Lhasa, der alten Hauptstadt Tibets, in Brand: Ein 19-Jähriger aus Aba in der chinesischen Provinz Sichuan und ein 23-Jähriger aus Xiahe. - Sowohl Xiahe als auch Aba gelten als Hochburgen des tibetischen Widerstands gegen Peking. -

Buddhas Feiertag am 6. Mai: 

Sowohl Xiahe als auch Aba und Lhasa sind wegen eines wichtigen buddhistischen Festes derzeit mit Pilgern überfüllt: Vesakh ist der höchste buddhistische Feiertag. Gefeiert wird Vesakh nach dem Mondkalender am Vollmondtag des vierten Monats. In diesem Jahr fiel es auf den 6. Mai. Das Vesakhfest erinnert an die Geburt, die Erleuchtung und den Austritt Buddhas aus dem Kreislauf der Wiedergeburten, also seinen Eintritt in das Nirwana. Das Fest wird heute von Buddhisten in aller Welt als der wichtigste gemeinsame Feiertag begangen und wird auch von der UNO als internationaler Feiertag anerkannt.
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Der Potala-Palast in Lhasa/Tibet, früher der Winterpalast der Dalai Lamas, heute Museum.

Tibet war in den letzten 800 Jahren nur selten autonom:

Im 13. Jahrhundert wurde Tibet vom König ("Khan") der Mongolen erobert, tibetische Buddhisten als Vize-Könige Tibets eingesetzt. Seitdem gehörte Tibet zum mongolischen Reich. Ein mongolischer König war es auch, der dem geistlichen Oberhaupt der tibetischen "Gelbmützen" im 16. Jahrhundert den Ehrentitel "Dalai Lama" verlieh, und ein anderer mongolischer König war es, der im 17. Jahrhundert die permanenten kriegerischen (!) Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Orden oder Linien (manche sagen auch "Sekten") der tibetischen Buddhisten durch sein Machtwort beendete, indem er das geistliche Oberhaupt der "Gelbmützen", den 5. Dalai Lama,  nun auch zum weltlichen Oberhaupt Tibets ernannte. - Der Dalai Lama verdankt seine geistliche und weltliche Position also mongolischen Königen.

Und bei dieser Position als geistlichem und weltlichem Oberhaupt (seit 1959 mit CIA-Unterstützung im Exil in Indien) blieb es bis zum März 2012, als der jetzige 14. Dalai Lama, Tendzin Gyathso, das tibetische Exil-Parlament in Indien bat, ihn von seinen Pflichten als weltlichem Oberhaupt zu entbinden.

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Zurück zu den Mongolen:

Als die Mongolen schwächelten, übernahm die neue Supermacht der Region, China, die Oberhoheit auch über Tibet; 1720 wurde Tibet chinesisches Protektorat bei voller interner Autonomie: Ein Heer des chinesischen Kaiser Kangxhi geleitete den jungen 7. Dalai Lama nach Lhasa in seinen Potala-Palast. 

Wie die Weltgeschichte so spielt: 
China selber wurde zu der Zeit von "Ausländern" regiert, von der Kaiser-Dynastie der Quing, die aus der Mandschurei stammte, und von 1644 bis zur republikanischen Revolution von 1911, also über 250 China, Chinas Kaiser stellte.  - Obwohl im Vielvölkerstaat China die Mandschuren nur etwa 2% der Bevölkerung stellten. - Unter den Mandschuren-Kaisern der Quing-Familie hatte China um 1770 die größte Ausdehnung seiner Geschichte.

In den Wirren der Revolution von 1911, die den letzten chinesischen Kaiser stürzte, nutzte Tibet die Gelegenheit und erklärte sich nach ca. 650 Jahren wieder unabhängig. Die Unabhängigkeit Tibets wurde aber - auf Druck des damals offen imperialistischen Großbritanniens - von der UNO bis heute nie anerkannt.  

Nachdem Russland und England im "Great Game" versucht hatten, Zentral-Asien und auch China und Tibet unter ihre Kontrolle zu bringen (1903/04 gab es eine britische Invasionsarmee in Tibet), besetzten im Jahre 1950 die Truppen der "Volksbefreiungsarmee" Chinas, das seit 1949 "Volksrepublik" unter Mao Zedong war, Tibet erneut, um es "vom britischen imperialistischen Joch" zu befreien -

Seit 1966 ist das "Autonome Gebiet Tibet" eine autonome Verwaltungsgliederung der Volksrepublik China. -

Siehe auch den Post über Die Eindämmung Chinas.

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Samstag, Mai 26, 2012

Himmelfahrt und Pfingsten 2012: "Die Polizei schützt die Banken vor den Bürgern. - Und wer schützt die Bürger vor den Banken?"


Blockupy, Frankfurt, Mitte Mai 2012:

Sie wollten nach Frankfurt kommen, zu Tausenden, um zwischen dem Himmelfahrts-Donnerstag und Sonntag unter dem Motto Blockupy gegen die europäische Krisenpolitik und den Kapitalismus zu demonstrieren. - Doch durch die Verbotspolitik der Stadt Frankfurt und die Maßnahmen der Polizei wurden viele Protestierende  davon abgehalten.Sie haben sich abschrecken lassen oder wurden an der Teilnahme gehindert. Randale wie in Griechenland hatte die Polizei prophezeit und mit dieser Begründung massiv in das Recht auf Versammlungsfreiheit eingegriffen:

  • Ein mehrtägiges Demonstrationsverbot für das Blockupy-Bündnis wurde richterlich bestätigt. Die Polizei weitete es auf sämtliche Gruppen aus, die in diesen Tagen in Frankfurt demonstrieren wollten. - Auch auf das seriöse und gewaltfreie Komitee für Grundrechte und Demokratie, das nur gegen das Demonstrationsverbot demonstrieren wollte.
  • Über 400 Menschen wurden Aufenthaltsverbote für die gesamte Innenstadt ausgestellt.
    Am Himmelfahrts-Donnerstag hat die Polizei zwei Reisebusse voller Demonstranten aus Hamburg und drei Busse aus Berlin bereits auf der Autobahn gestoppt 
  • und den angehenden DemonstrantInnen Stadtverbote bis einschließlich Sonntag erteilt. - Diese durften also auch nicht zur erlaubten Demo am Samstag anreisen. Auch in Zügen gab es vermehrt Kontrollen. . Trotzdem: Am Donnerstag um 12 Uhr versammelten sich mehrere Hundert Menschen vor der Frankfurter Paulskirche, wo die deutsche Demokratie 1848 ihren Anfang genommen hatte. Einige von ihnen halten Grundgesetze hoch und rufen: „Ihr klaut uns unsere Freiheit.“  
  • Wer demonstriert wird eingekesselt und abgeräumt. Dabei kommt es zu unschönen Szenen: Menschen werden schreiend über den Boden geschleift und bekommen die Hand verdreht.Eine ältere Frau liegt fast regungslos da, sie wird von Sanitätern behandelt, ein Krankenwagen kommt.  
  • Mit Polizeigriff abgeführt wird auch Martin Kliehm, obwohl er sich als parlamentarischer Beobachter ausweisen kann: Er sitzt für die Piratenfraktion in der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung.

"Viel Staat war unterwegs, um das Bankenviertel zu schützen vor Bürgern, die wegen der europaweiten Finanzkrise protestieren wollten.  Die Polizei schützt die Banken - vor der Bevölkerung. Wer schützt die Bürger vor den Banken?"


25.000 (20.000 - 30.000 je nach Schätzung) ließen sich trotzdem nicht abschrecken und kamen zur einzig erlaubten Veranstaltung von Blockupy, der Großdemonstration am Samstag, 19. Mai.
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 Kanada, Topf-Schlagen vor Pfingsten 2012:

"Über drei Monate schon demonstrieren Zehntausende Studierende in der kanadischen Provinz Québec gegen die geplante Erhöhung der Studiengebühren. Was als Streik der Akademiker begann, hat sich längst zu einer breiten sozialen Bewegung ausgeweitet. Die Obrigkeit aber lässt die Knüppel sprechen. Mit brutaler Gewalt versucht die Regierung von Quebecs Premier Jean Charest die Proteste zu unterdrücken.

Nacht für Nacht setzt Polizei Schlagstöcke, Schockgranaten und Tränengas ein. In der Nacht zu Donnerstag wurden allein in Montréal und Québec City knapp 700 Demonstranten festgenommen - so viele wie noch an keinem Tag zuvor. [...]


Über 170.000 junge Menschen machen mit. Es sind die längsten Studentenproteste in der Geschichte Kanadas. Die Unruhen legen das akademische Leben in Québec völlig lahm. Mehr als die Hälfte der Universitäten dort sind geschlossen. Stattdessen harren die Studierenden jede Nacht auf den Straßen aus. Am 100. Tag der Proteste diese Woche waren allein in Montréal mehr als 100.000 Menschen unterwegs. [...] 


Ein Ende ist nicht in Sicht. Alle Verhandlungen sind bislang geplatzt. Vor ein paar Tagen schmiss die Bildungsministerin frustriert ihren Job hin. Seit einigen Tagen droht die Lage zu eskalieren. Denn die Regierung will die Streikfront mit dem Notstandsgesetz „Loi 78“ brechen. Sie hat das Semester vorzeitig beendet und schränkt die Versammlungsfreiheit ein. Die Demonstranten müssen ihre Aktionen jetzt vorher anmelden. In Montréal dürfen sie ihre Gesichter nicht mehr verhüllen. Aktionen, die den Hochschulbetrieb stören, können mit bis zu 125.000 Dollar bestraft werden."
Der ganze Artikel 
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Warum schützt niemand die Bürger vor den Banken? Diese Frage treibt Tausende auf die Straßen. Und da wird auch schon mal das System in Frage gestellt. Einer der einflussreichsten Soziologen Deutschlands, Ulrich Beck, warnt vor den Folgen für die Demokratie.

Prof. Ulrich Beck, Soziologe, London School of Economics:

„Ich meine, so ein Wort kommt eigentlich leicht über die Lippen. Aber in dieser Situation entsteht sowas wie vor-revolutionäre Situationen, die immer so lange verdeckt bleiben - wir haben das ja auch an der DDR erlebt - dann lange Zeit dachte man, die Fassaden funktionieren. Keiner hat erwartet, dass das plötzlich so schnell zusammenbrechen kann. Aber ähnliches erleben wir eigentlich heute auch in den westlichen Staaten.“

  Zitat-Quelle: ARD 24.5.2012, Magazin "monitor"

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Freitag, Mai 25, 2012

Drum links, zwei, drei. - Das Ende der "Pausenclowns"?



Drum links, zwei, drei! Drum links, zwei, drei!
Wo dein Platz, Genosse, ist!
Reih dich ein in die Arbeitereinheitsfront,
weil du auch ein Arbeiter bist.
Die Zeilen stammen aus dem "Einheitsfrontlied".

Das Einheitsfrontlied („Und weil der Mensch ein Mensch ist …“) ist eins der bekanntesten Lieder der historischen deutschen Arbeiterbewegung. Es wurde von Bertolt Brecht (Text) und Hanns Eisler (Melodie) geschrieben. Es entstand Ende 1934 auf Bitte des deutschen Regisseurs Erwin Piscator für die Erste Internationale Musikolympiade. Es thematisierte Brechts Überzeugung, dass nur eine Einheitsfront aus Kommunisten und Sozialdemokraten, ja aller Arbeiter eine Chance habe gegen den Nationalsozialismus noch etwas auszurichten.



Quelle: wikipedia
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"Die Linke" als Partei 
erlebt derzeit eine Krise. Bei den Wahlen in NRW flog sie aus dem Parlament, obwohl sie unter der Pastorentochter und gelernten Krankenschwester Katharina Schwabedissen, Jg. 1972,  in NRW im Parlament mit der Duldung von Rot-Grün eine gute Politik gemacht hatte, indem sie und ihre linke Fraktion bei "linken" Themen im Landtag Rot-Grün unterstützt hatte. 

Die Partei ist zerstritten, die beiden Parteivorsitzenden Gesine Lötzsch und Klaus Ernst wurden von Manchen als "Pausenclowns" bezeichnet, sein roter Porsche machte Klaus Ernst unglaubwürdig ("Salon-Sozialist"), der brillante Redner und Theoretiker Lafontaine (Jg. 1943) war an Krebs erkrankt, rechthaberisch, autokratisch, unversöhnlich und zickig gegenüber seiner alten Partei der SPD und daher kein Mann der Zukunft  und kein  Mann der "Einheitsfront" zwischen Ost- und West-Linken, zwischen SPD und Links-Partei. 
Der ebenfalls brillante Gregor Gysi (Jg. 1948) hielt sich in letzter Zeit ziemlich zurück...

Neben eigenen Fehlern - so sagte Klaus Ernst auf der Regionalkonferenz wohl zurecht -  seien für den Niedergang der Partei auch der Linkstrend der Oppositions-SPD (vgl. auch den Post: "Links blinken") und die relativ gute Lage Deutschlands in der Krise verantwortlich. 
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Nun scheint die Partei eine neue Chance zu haben, aus dem Hick-Hack herauszukommen und sich neu zu formieren mit ihren originären Themen,

Sozialpolitik und Kritik am Finanzkapitalismus:

Nach dem Verzicht von Lafontaine auf die Kandidatur zum Vorsitzenden, gibt es plötzlich mehrere denkbare und gute Optionen.
  • Dietmar Bartsch, der pragmatische Linke aus dem Osten, Jg. 1958, Diplom-Wirtschaftswissenschaftler und Dr. rer. oec., promoviert in Moskau. 
  • Vielleicht im Team mit Sahra Wagenknecht, Jg. 1969, studierte Philosophin und Volkswirtschaftlerin.
  • Oder eine weibliche Doppelspitze mit Katharina Schwabedissen und Katja Kipping, Jg. 1978, Masterin of Arts in Slawistik, Amerikanistik und Öffentlichem Recht, die bisher noch kaum jemand kennt.
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Die Hoffnung stirbt zuletzt. 
So tröstet sich Harald Koch aus Sachsen-Anhalt - (Jg. 1954, gelernter Chemie-Arbeiter und Diplom-Ökonom, Mitglied des Bundestages für die Linke seit 2009) -  auf der Regionalkonferenz der Linken in der Kleinstadt Schkeuditz (zwischen Leipzig und Halle) schon einmal prophylaktisch:
 „Auch wenn die Partei krachen geht –
die Idee wird weiterleben und sich organisieren!“
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Donnerstag, Mai 24, 2012

Deregulierung in den Schulen? - Von Mit-SchülerInnen und Gegen-SchülerInnen


Diese Tage stand ein Interview in der Südwestpresse, das begann so:
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Das Patientenrechtegesetz bringt vielen Kranken keine Vorteile, sagt der Gesundheitsexperte Wolfgang Wodarg. Der Arzt und ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete plädiert für mehr Solidarität.

Stärkt das geplante Patientenrechtegesetz die Rechte der Patienten?
WOLFGANG WODARG: Meiner Ansicht nach ist es ein Zeichen für den Vertrauensschwund in das System. Das Gesetz überträgt die Rechtewahrnehmung jedem Patienten als Einzelperson. Die Solidargemeinschaft passt nicht mehr auf ihn auf.

Existiert diese Solidargemeinschaft nicht mehr?
WODARG: Nein, als Folge der Deregulierung unseres Gesundheitswesens. Früher gab es die Krankenkassen, die als Solidargemeinschaft auf ihre Versicherten aufpassten. Inzwischen gebärden sie sich wie normale Versicherungen, die im Wettbewerb zueinander stehen. Das ist die Schuld der Politiker, sie haben sich einreden lassen, dass es gut ist, wenn man Solidargemeinschaften in den Wettbewerb schickt.

Aber im Gesetzesentwurf "sollen" die Kassen den Patienten helfen.
WODARG: Das reicht nicht aus. Die Kassen haben eigene betriebswirtschaftliche Interessen, sie sind zu egoistischen Organisationen geworden, die ums Überleben kämpfen. Und auch die Patienten müssen sich um sich selber kümmern. Das wird dann positiv dargestellt, man spricht vom "mündigen Patienten". [...]
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Fragen:
  • Gibt es nicht auch einen Vertrauensverlust in die Schulen? 
  • Existiert die Solidargemeinschaft im Bildungsbereich noch?
  • Passt noch jemand auf die SchülerInnen und LehrerInnen auf?
  • Werden Schulen zu egoistischen  Organisationen, die um die "guten" SchülerInnen kämpfen?
  • Werden Eltern zu Egoisten und kämpfen gegen andere Eltern um einen Platz für ihr Kind in einer vermeintlich guten Schule?  (Vergleiche Post: Bildungspanik)
  • Bedeutet die Zunahme des "Individualisierten Unterrichts" in den Schulen nicht (auch) eine "Deregulierung des Unterrichts", indem jeder Schüler und jede Schülerin euphemistisch zur "mündigen SchülerIn"  erklärt wird, die nun für sich selber verantwortlich ist und schauen muss, wie sie (möglichst) zum Abitur kommt mit einer (möglichst) guten Punktzahl im Abitur? Denn ihre MitschülerInnen sind nun nicht mehr Mit-SchülerInnen, sondern Gegen-SchülerInnen - im Kampf um einen gut bezahlten und sicheren Arbeitsplatz in Zeiten der Euro- und Banken- und Wirtschaftskrisen?
  • Und was muss passieren, damit das nicht passiert, wenn man eine solidarische Gesellschaft und eine solidarische Schule haben möchte?
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Ein aktueller Bericht aus dem Schul-System:

Drei Millionen Grundschüler gibt es bundesweit, über 700.000 von ihnen wechseln in diesem Jahr an weiterführende Schulen. Doch es werden immer weniger. Und der Kampf um die „abitauglichen“ Schüler wird härter.
Noch haben die Gymnasien in diesem Wettbewerb die Nase vorn. Im Jahr 2010 gingen in 12 von 16 Bundesländern die meisten Grundschüler noch dorthin. Doch das Gymnasium bekommt Konkurrenz.

Gesamtschulen, wie die Göttinger, sind längst keine Exoten
mehr in einem streng nach Schulformen gegliederten Schulsystem, sondern fester Bestandteil eines Zwei-Säulen-Modells. Alle Bundesländer – außer Bayern – sind dabei, ihre Haupt- und Realschulen zusammenzulegen. Die neuen Kombischulen bieten wie die Gesamtschulen der 70er Jahre verschiedene Abschlüsse unter einem Dach an. Auch das Abitur.

Gerade die einst als „Schulen für alle“ gegründeten Gesamtschulen

werben heute verstärkt um leistungsstarke Schüler und setzen dabei auf Auswahlverfahren, die zuweilen stark an die Elitenrekrutierung in Gymnasien erinnern. Die Spielregeln sind je nach Bundesland verschieden. ... Die Zeiten, in denen Gesamtschulen darauf achteten, dass starke, mittlere und schwächere Schüler zu gleichen Teilen vertreten sind, sind hier wie auch an anderen „Schulen für alle“ längst vorbei. Das beklagen auch andere, wie der Vorsitzende des Gesamtschulverbandes, Lothar Sack: „Gesamtschulen, die anfangen, ihre Schüler nach Leistung auszusortieren, verstoßen gegen ihr eigenes Credo.“ Lothar Sack kritisiert das neue Elitedenken. ...
Den ganzen Artikel lesen Sie HIER. ______________________________________________ 



Mittwoch, Mai 16, 2012

Links blinken - Rechts abbiegen - SPD


Einen neuen Song (von Marc-Uwe Kling) zum alt-bekannten Spruch kann man auf YouTube anschauen und anhören:


Es gibt da so ein Spruch
Von den alten Kommunisten
Mit dem die 1918
Ihre falschen Freunde dissten
Natürlich habn wir heute
Eine andere politische Lage
Und trotzdem passt der Spruch
Irgendwie in unsere Tage
...

 
Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!
Wer hat uns verraten? Wer hat uns verkauft?
Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!
Die habn uns verraten! Und die haben uns auch verkauft! 

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Ok, sagen wir besser: Einige Sozialdemokraten. 
Und etwas milder: Die SPD neigte schon immer dazu, in der Opposition links zu blinken, dann aber rechts abzubiegen, wenn es drauf ankommt und zum Schwur kommt. 

In unseren Tagen:
Sigmar Gabriel, Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier. Diese SPD-Troika der drei potenziellen Kanzlerkandidaten trat am 15. Mai in Berlin gemeinsam vor die Kameras und gab der CDU/CSU/FDP-Regierung ihre praktisch bedingungslose Unterstützung des EUROPÄISCHEN FISKALPAKTES bekannt. (Manche sagen: Steinbrück und Steinmeier haben sich gegen Gabriel durchgesetzt.) 


Während die meisten Oppositionsparteien in Europa, deutsche Wissenschaftler wie Mechthild Schrooten, (Professorin an der Hochschule Bremen und Mitglied der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik), und die deutschen Gewerkschaften den Fiskalpakt ablehnen, stellen die deutschen Sozialdemokraten den Pakt nicht wirklich in Frage.

Im Kern des Finanzpaktes wird die deutsche „Schuldenbremse“ auf Europa übertragen. Die öffentlichen Haushalte in den EU-Staaten sollen künftig ohne neue Schulden auskommen.  Die Folge wir nach den bisherigen Erfahrungen sein:

Noch mehr Sozialabbau. 

"Damit würde die langjährig praktizierte Umverteilung von unten nach oben weiter festgeschrieben. Klar ist: In Deutschland sind die Reichen in der Krise noch reicher geworden. Das Nettovermögen des oberen Zehntels der Bevölkerung liegt mittlerweile bei über 60 Prozent des Gesamtvermögens. Alle anderen Bevölkerungsgruppen haben Vermögensanteile verloren!

Was sind die Gründe für die Staatsverschuldung?

Programme zur Rettung der Banken haben die Schulden anwachsen lassen. Das heißt, während sich das Vermögen der Reichen weiter vergrößerte, ist der Staat ärmer geworden.

Um die Staatsschuldenkrise zu bekämpfen, braucht man deshalb keinen Fiskalpakt. Nötig ist vielmehr, den Staat zu stärken: Ein höherer Spitzensteuersatz und vor allem eine Finanztransaktions- sowie eine Vermögensteuer können die öffentlichen Haushalte wieder auf eine solide Basis stellen."
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 "Fest steht: Mit dem Fiskalpakt soll ein dauerhaftes Gebot zur Kürzung der Ausgaben und damit zum Abbau sozial-staatlicher Regelungen in den europäischen Verfassungen implementiert werden. Spätestens dann, so die Kalkulation, könne keine Regierung mehr von dem verordneten Kurs der Kürzung sozialer Leistungen abweichen. Deshalb ist der Fiskalpakt so gefährlich."

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Freitag, Mai 11, 2012

Mal auf dem rechten Auge blind - dann auf dem linken



Die Exekutive in Deutschland scheint manchmal auf dem rechten Auge blind zu sein: 


Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU),

auch als Zwickauer Terrorzelle bezeichnet, ist eine im November 2011 öffentlich bekannt gewordene rechtsextreme terroristische Vereinigung. Diese wird unter anderem für die Neonazi-Mordserie in den Jahren 2000 bis 2006, das Nagelbomben-Attentat in Köln 2004 und den Polizistenmord von Heilbronn im Jahr 2007 verantwortlich gemacht. Die Bundesanwaltschaft bezeichnet sie als „rechtsextremistische Gruppierung“, deren Zweck es sei, „aus einer fremden- und staatsfeindlichen Gesinnung heraus vor allem Mitbürger ausländischer Herkunft zu töten“. 

Seit dem 19. Dezember 2011 ermittelt die Staatsanwaltschaft, nach einer Privatanzeige, auch gegen den Thüringischen Verfassungsschutz wegen des Verdachts der Beihilfe zu Flucht, Strafvereitelung im Amt und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Bei der Mordserie wurden – immer mit derselben Tatwaffe, einer tschechischen Pistole, – insgesamt neun Kleinunternehmer mit Migrationshintergrund ermordet. Die erste bekannte Tat ereignete sich am 9. September 2000, die letzte am 6. April 2006. 

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Beim damaligen Chef des Verfassungsschutzes Thüringen Helmut Roewer (1994-2000) gingen die Neonazis zum Kaffee-Trinken ein und aus; auf den Profiler der Polizei Alexander Horn, der 2006 schon vermutete, dass Täter aus der rechtsextremistischen Szene hinter der Mordserie stecken könnten,  wurde nicht gehört. Ebenso so nicht auf Anfragen des damaligen bayerischen Innenminister Beckstein (siehe unten).  - Hinweise, auch der Nagelbomben-Anschlag in Köln in einer überwiegend von Türken bewohnten Straße am 9. Juni 2004, bei dem 22 Menschen verletzt wurden, könne mit den anderen Morden zusammenhängen, wurden von einem Mann des Bundeskriminalamtes von Anfang an ins Reich der Phantasie verwiesen: "Auch das legen wir ab. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt."

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Wibke Bruns, (Jg. 1938, erste deutsche Nachrichtensprecherin und 1979-1984 Korrespondentin für den Stern in Israel) wurde in einem Interview gefragt:

"Ihr Vater Hans-Georg Klamroth wurde 1944 nach dem missglückten Attentat auf Hitler als Mitwisser gehängt. Kürzlich wurde die Neonazi-Mordserie der sogenannten Zwickauer Zelle aufgedeckt. Was hat diese Nachricht in Ihnen ausgelöst?

Ich war zornig, unglaublich zornig.
Die Geheimdienste haben jahrelang nicht begriffen, dass es sich um eine hochgefährliche, widerliche Mörderbande handelte. Stattdessen wurde immer darauf beharrt, es gebe keinen ausländerfeindlichen Hintergrund. Wie kann so etwas passieren?
Es drängt sich tatsächlich der Verdacht auf, dass die Leute bewusst nicht geschnappt wurden. Vielleicht wird der Dilettantismus nur vorgetäuscht? Bei dieser Vermutung wird mir schlecht."
Bayerns Ex-Innenminister Günther Beckstein (CSU) ist bei diesem Verdacht jedoch außen vor. Er hatte gleich nach dem ersten Mord (in Nürnberg Langwasser am 9.9.2000) verlangt, ausländerfeindliche Hintergründe der Tat zu prüfen: "Bitte mir genau berichten: Ist ausländerfeindlicher Hintergrund denkbar?" - Aber seine Polizei antwortete ihm, dafür gebe es keine Anhaltspunkte.

Und nach dem 8. und 9. Mord, im Frühjahr 2006,  fragte er noch einmal nach: "Könnte bei den Türkennmorden Fremdenfeindlichkeit das Motiv sein?"
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... und manchmal auf dem linken Auge, besonders, wenn es um die Lösung der Finanzkrise und der Staats-Verschuldung geht.

Jeder weiß:

"Die Ungleichheit wächst in den vergangenen 30 Jahren praktisch überall in den westlichen Marktwirtschaften. Die Löhne sinken seit 15 Jahren. Und auch die Vermögensungleichheit nimmt immer stärker zu.
Das ist nicht nur ungerecht, sondern zerreißt Gesellschaften. Je größer die Ungleichheit, desto schlechter lebt es sich in einem Land."

Und es gibt auch genügend "linke" Lösungsvorschläge, Robert Misik hat einige davon für die tageszeitung zusammenge
fasst:
  • Wir wissen auch, wie es dazu kam: Wir haben überall in Europa Unternehmensteuern gesenkt, Vermögensteuern reduziert oder abgeschafft, Erbschaftsteuern bis auf null reduziert. Das kann man ändern: In einem Maß, das die Ungleichheiten sukzessive ein wenig reduziert.
  • Umverteilung ist jedoch nur der zweitbeste Weg zu mehr Gerechtigkeit. Das Beste ist, wenn das, was Ökonomen die "Primärverteilung" nennen, schon gerechter wird. Also Löhne rauf, besonders in den Niedriglohnsegmenten. - Wenn die Gewerkschaften schwächer werden, dann sinken auch die Löhne.
  • "Wir" haben den Euro als Gemeinschaftswährung eingeführt, die einzelnen Mitgliedsstaaten sind aber weiter für die Kreditaufnahme zuständig. Sie verschulden sich in "eigener Währung", haben auf diese Währung aber keinen Einfluss mehr, als würden sie sich in "Fremdwährung" verschulden. Deshalb können Eurostaaten auch pleitegehen. Länder wie die USA, Großbritannien oder Japan können das nicht.
  • Das ist die eigentliche Ursache der "Eurokrise". Deshalb muss die EZB garantieren, dass kein Euroland bankrottgehen wird - dass sie im Notfall einspringen und Staatsanleihen direkt aufkaufen wird.
  • Wenn es schon nicht realistisch zu schaffen ist, die "nationalen" Staatsanleihen völlig durch europäische Anleihen - "Eurobonds" - zu ersetzen, wie wäre es dann, zusätzlich dazu Eurobonds aufzulegen, und dann investiert die Europäische Kommission gezielt in die Krisenländer?
  • Vergessen wir nicht, was uns die Krise eingebrockt hat: deregulierte Finanzmärkte. Künftig sollte gelten: Normale Geschäftsbanken, die Spareinlagen von Bürgern einsammeln und Kredite an Unternehmen vergeben, genießen die staatliche Einlagensicherung; dafür dürfen sie nicht im Finanzkasino mitzocken. Investmentbanken dagegen dürfen ihre Risiken nicht in den normalen Bankensektor hineinstreuen. Kurzum: Es braucht wieder eine Firewall zwischen diesen Sektoren.
  • Bei alldem geht es nicht allein um Wirtschaftstechnokratismus, sondern darum, dass alle Menschen bestmöglich an der Wohlfahrt teilhaben können. Dass sie gute Jobs haben und dass sie aus ihrem Leben etwas machen und ihre Talente entwickeln können. Das Wichtigste ist, dass wir zumindest für die nächste Generation Startnachteile bekämpfen. Deshalb brauchen wir gute Kindergärten, und Kindergartenpflicht für alle Vier- und Fünfjährigen und gute gemeinsame Schulen für alle. Nivellierung nach oben!
  • Eine Verbindung des gesellschaftlich Erstrebenswerten mit dem ökonomisch Nützlichen ist der Green New Deal. Seine Idee ist es, Jobs und prosperierende Branchen zu schaffen, die gleichzeitig Produkte anbieten, die uns allen nützen: intelligente Stromnetze, nachhaltig gewonnene Energie, neue Formen des Wohnens, neue Formen der Mobilität. 

Aber, so Robert Misik pessimistisch:

 "Die Linken sind seit jeher sehr talentiert darin, sich in 80 Prozent der Fragen einigermaßen einig, in 20 Prozent aber uneinig zu sein - und dann obsessiv auf diesen 20 Prozent Meinungsunterschieden herumzureiten. Wie wär's, wenn man einmal die 80 Prozent im Auge behielte, auf die sich alle vernünftigen Leute einigen können sollten?"

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Und unsere Exekutive, auf diesem "linken" Auge blind, sagt vielleicht dazu:

"Solche Hinweise legen wir ab. -
Sie gehören ins Reich der Phantasie. "
(Siehe oben.) -
p.s.: Jede Kanzlerin wählt sich ihrer "Einflüsterer" selber.

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Siehe auch:

  • Leser streiten über den 10-Punkte-Plan. Eurokrise, Ungerechtigkeit und Niedriglöhne: Linke müssten mehr dagegen tun, meint der Journalist Robert Misik. Sein Plan stößt bei taz.de-Lesern auf ein geteiltes Echo.

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