Freitag, April 06, 2012

Karfreitags-Gefühle. Von der Welt verflucht...

"Holz auf Jesu Schulter, von der Welt verflucht" beginnt ein Passionslied (deutsch von Jürgen Henkys 1975, Melodie Ignace de Sutter 1964).

"Holz auf meinen Schultern - von der Welt verflucht." - 
 Kennen Sie dieses Gefühl? 

Wenn man keine Hoffnung mehr hat und nicht mehr weiß, wie das Leben weiter gehen soll? Wenn das Leben vor die Wand gefahren ist? Wenn ein Kind verunglückt ist, der Lebenspartner gestorben, eine Abschluss-Prüfung verhauen, eine Liebe abgestorben?


"Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" hat Jesus am Kreuz gerufen (Mk 15,35 und Mt 27,46), der doch angeblich Gottes Sohn war. Und obwohl er zu seinem Gott gebet hatte "Abba, Vater, alles ist dir möglich. Nimm diesen Kelch von mir!" (Mk 14,36), hatte es nichts genützt: Als er nach seiner Verurteilung an das Kreuz genagelt wird, erscheint ihm kein junges Mädchen, das sich ihm als Schutzengel zu erkennen gibt und ihm erklärt, dass er jetzt genug gelitten habe, dass das alles nur ein schlechter Traum war und das ihm anbietet, ihn von seinem Kreuz und vor dem Tod zu retten... Dieser Engel erscheint nur im Roman ("Die letzte Versuchung" Christi von Nikos Kazantakis) und in Märchen, doch nicht im richtigen Leben. Nicht bei "Gottes Sohn" und nicht bei den Menschen. Manchmal kann ich das Rad nicht zurückdrehen, das Schreckliche ist passiert, es ist kein Traum, es ist wie es ist - und wie ich es nicht glauben und wahrhaben möchte. 

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Das religiöse Wort "Sünde" kommt von dem Wort "Sund". Ein Sund ist eine Meerenge, mir wird es plötzlich ganz eng, ich verliere den Glauben an den "lieben" Gott, ich verliere das Vertrauen in mein weiteres Leben. Im Schwedischen bedeutet "sönder" auch zerbrochen; es ist etwas in mir zerbrochen. Das Wort "sund" kann aber auch altnordisch "schwimmen" bedeuten; ich kann diese Meerenge durchschwimmen, ich muss darauf vertrauen, dass ich diese Meerenge, diese Schlucht, dieses Tal überwinden kann. Dazu brauche ich Vertrauen, sonst gehe ich unter.
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Die evangelischen Pfarrerin
Lucie Panzer aus Stuttgart drückt das für ChristInnen in religiöser Sprache so aus:
»"Sünde" ist für den Glauben erst mal nichts Moralisches sondern dass man Gott nicht vertrauen kann und nicht auf das Leben, das er für seine Geschöpfe gedacht hat: Wo sie einander leben helfen und einander gut tun. Wo keiner das Gefühl haben muss, er kommt zu kurz. Am Karfreitag kann man das nicht glauben. Da kann man nicht an den lieben Gott glauben, der es gut meint mit den Menschen. Wenn man es genau nimmt, ist das Sünde. Diese Sünde macht das Leben kaputt.«

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Das ist genau das, was uns Ostern sagen will: Keine Himmlischen
Heerscharen und nicht einmal ein einziger kleiner Engel erschien Karfreitag am Himmel, um Jesus vom Kreuz zu retten. Und trotzdem ging es weiter. - Wir können uns manchmal nicht vorstellen, dass unser Leben nach einem großen Schlag weiter gehen kann, aber wir können bitten und hoffen, wie in dem o.g. Passionslied:
"Doch der Himmel fragt uns:/ Warum zweifelst du? / Kyrie eleison, Herr erbarme dich! /  Sieh, wohin wir gehn! / Ruf uns (!),  (uns -  nicht unseren verstorbenen Lieben) aus den Toten, / lass uns auferstehn."



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