Sonntag, Mai 06, 2018

Von der Kölner Domplatte - Silvesternacht 2015/16 - bis zur LEA in Ellwangen - Mai 2018

Link zur Dissertation an der FU Berlin (PDF)
"In der Silvesternacht 2015/2016 kam es in Köln im Bereich Hauptbahnhof und Kölner Dom zu zahlreichen sexuellen Übergriffen auf Frauen durch Gruppen junger Männer vornehmlich aus dem nordafrikanischen und arabischen Raum, auch „Nafris“ genannt. In vielen Fällen wurden sowohl Sexualdelikte als auch Eigentums- und Körperverletzungsdelikte verübt.

Aus weiteren deutschen und europäischen Städten wurden ähnliche Vorfälle berichtet. Die Übergriffe erfuhren große nationale und internationale Beachtung.
Der Polizei und der Bundespolizei wurde vorgeworfen, die Lage nicht unter Kontrolle gehabt und zunächst geschönte Berichte herausgegeben zu haben. Bemängelt wurde auch die späte und zunächst sehr eingeschränkte Berichterstattung diverser Medien." (Wikipedia)
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Bericht macht Behörden schwere Vorwürfe
»Die Übergriffe in der Kölner Silvesternacht beim Jahreswechsel 2015 auf 2016 hätten offenbar weitgehend verhindert werden können. Das geht aus dem Entwurf für den Abschlussbericht des Aufklärungsgremiums des nordrhein-westfälischen Landtags hervor, aus dem die Zeitung "Express" (Freitagsausgabe) zitierte. Demnach hätten die Übergriffe "zumindest weitgehend verhindert werden können, wenn schon bei den ersten Straftaten frühzeitig und entschlossen durchgegriffen worden wäre". Für ein solches Vorgehen hätten aber der Überblick und die nötigen Kräfte gefehlt.«
(16.3.2017 WELT.DE)

Können Sie sich ausweisen?:
Karikaturen zu 10 Jahren PRO ASYL

Broschiert – 1. Januar 1996

Immer wieder wehrten sich Flüchtlinge seit über 20 Jahren gemeinsam, wenn die Polizei in der Nacht zur Abschiebung anrückt. 

"Vorwürfe, dabei sei gegen Polizisten mit Gewalt vorgegangen worden, wie nun in Ellwangen (die sich nicht bestätigten), finden sich auch nach langer Suche in den Archiven kaum. Und das mit gutem Grund: Erstens haben die Flüchtlinge meist große Angst vor der Polizei und können überhaupt nicht einschätzen, wie diese reagiert. Zweitens müssen sie ja im Lager wohnen bleiben – und sind deshalb jederzeit dem Zugriff der Behörden ausgesetzt."

Vor der Abschiebung
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Was geschah in Ellwangen?

»Polizei und Politik sprechen von Angriffen, Gewalt und womöglich versteckten Waffen. - Kaum ein Vorwurf erhärtet sich.
Quelle
Hunderte Polizisten, schwer bewaffnet und maskiert, darunter Spezialeinheiten, waren am Morgen [3. Mai 2018] um 5.15 Uhr zu einer Razzia in der Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) Ellwangen eingerückt. Dort sind derzeit etwa 500 AsylbewerberInnen untergebracht. Sie suchten einen Togoer, der abgeschoben werden sollte. Die Aktion war eine Reaktion darauf, dass Bewohner des Heimes am Montag Polizisten vertrieben hatten, die den abgelehnten Asylbewerber abschieben sollten. [...]
  • Dass es überhaupt so weit gekommen sei, sei „ein Schlag ins Gesicht der rechtstreuen Bevölkerung“, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) in Berlin. [...]
  • Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) dankte am Donnerstag nach der Razzia der Polizei, die „mit der erforderlichen Konsequenz und Härte reagiert hat“. 
  • Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, sagte, ein Flüchtling, der einen Polizisten angreife, dürfte „keine Stunde mehr in Freiheit sein, bis er zurück in seinem Herkunftsland ist“. «
Anmerkung:
"Wendt wird als schillernd, polternd, populistisch, konservativ, medial allgegenwärtig und vor allem polarisierend beschrieben. Dadurch erhält er einerseits für seine Gewerkschaft die gewollte mediale Aufmerksamkeit, andererseits stand er schon mehrmals in der Kritik in Politik, Medien und Öffentlichkeit." [Wikipedia]  - DIE ZEIT bezeichnet Rainer Wendt als "Polizist am Abgrund", u.a. weil er 11 Jahre lang rechtswidriges Gehalt kassiert hat.

  • »Selbst der Deutschland-Repräsentant des UN-Flüchtlingswerks UNHCR, Dominik Bartsch, sagte, er „verurteile den Angriff auf die Polizisten scharf“. Eine Abschiebung rechtfertige „keinen aggressiven Widerstand“ und „erst recht keine Gewalt“.«
    Dominik Bartsch
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»Doch ob das, was in Ellwangen geschah, „Angriff“ und „Gewalt“ zu nennen ist,
ist zweifelhaft.
[...] 


Die Geschichte nahm ihren Anfang am Montag, den 30. April 2018, um 2.30 Uhr in der Nacht: 
Vier Beamte waren in die LEA gekommen, um einen 23-jährigen Togoer abzuholen. Er sollte nach Italien abgeschoben werden. Etwa 150 Bewohner der Einrichtung bedrängten die Beamten so sehr, dass diese den Togoer wieder laufen ließen und sich zurückzogen. [...]
Zwei Tage später, am Mittwoch, veröffentlichte das zuständige Polizeipräsidium Aalen eine Pressemitteilung mit der Überschrift „Abschiebung aus der LEA mit Gewalt verhindert“.
Im Text selbst war dann lediglich von „aggressivem“ und „drohendem Verhalten“ die Rede.
Durch „Schlagen mit den Fäusten auf die zwei Streifenwagen“ sei „ein Dienstfahrzeug beschädigt worden“.

Dass bei dem Vorfall am Montag „Polizisten persönlich attackiert worden seien, solche Berichte kenne ich nicht“, sagt der migrationspolitische Sprecher der grünen Landtagsfraktion, Daniel Lede Abal, der taz am Donnerstag. Die Beamten hätten die Situation „als bedrohlich empfunden“, sagte Lede Abal, die Lage sei „aufgeheizt“ gewesen. Es sei eine „kluge Entscheidung“ gewesen, den Einsatz abzubrechen, um zu „deeskalieren“. Doch: „Aus juristischer Sicht ist Nötigung auch eine Form von Gewalt.“ [...] Die Polizei vermochte auf Anfrage der taz den Schaden an den Streifenwagen nicht zu beziffern. Dieser sei „jetzt nicht so immens“ gewesen, sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Aalen. Es habe eine „Eindellung“ gegeben. [...] 

Donnerstagfrüh (3. Mai 2018)
rückten die Spezialeinheiten an. Sie nahmen den gesuchten Togoer fest, kontrollierten 292 Bewohner der Einrichtung, leiteten zwölf Ermittlungsverfahren ein und beschlagnahmten bei 18 Personen „erhöhte Bargeldbestände, die über der Selbstbehaltsgrenze von 350 Euro lagen“.

Elf Bewohner wurden nach Polizeiangaben bei der Aktion verletzt. Zwei seien aus dem Fenster gesprungen. Die Übrigen hätten „Widerstand geleistet“, der „gebrochen werden musste“, so ein Polizeisprecher zur taz. [...]
Am Mittag dann sagte ein Sprecher der Polizei Aalen der taz, es sei lediglich ein Beamter „verletzt“ worden. Was dem genau passiert sei, sagte er nicht. Nur so viel: Dies sei „nicht durch Dritte, ohne Fremdeinwirkung“ geschehen. Von dem Vorwurf der „Angriffe“ und „Gewalt“ war nicht mehr viel übrig. [...]

Ein Sprecher der Polizei Aalen sagte der taz, er könne nicht genau sagen, wie der Verdacht auf Waffenhortung entstanden sei. [...] Gefunden worden seien jedenfalls „keine Waffen im technischen und nicht-technischen Sinne“. Was das bedeute? „Gefunden wurden Gegenstände des täglichen Lebens, die auch als Schlagwerkzeuge eingesetzt werden können“, so der Sprecher. 

Die Äußerung von Baden-Württembergs CDU-Innenminister Thomas Strobl, es „steht im Raum, dass künftige Abschiebungen auch unter dem Einsatz von Waffengewalt durch widerständige Flüchtlinge verhindert werden sollen“, war da allerdings längst von mindestens acht überregionalen Medien verbreitet worden. „Flüchtlinge wollten sich bewaffnen“, berichtete etwa die Welt.
Update 4.05., 9 Uhr: In einer früheren Version des Textes stand, die dpa habe geschrieben, es seien „einige Polizeibeamte“ verletzt worden. Tatsächlich hatte sie geschrieben, es waren „drei“ Polizeibeamte. Die dpa-Redaktion wies uns darauf hin, dass in ihrer Meldung auch erwähnt wurde, dass mehrere Flüchtlinge verletzt worden seien.
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Quelle: Le Monde Diplomatique
http://www.thevoiceforum.org/node/4512

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Gewaltmonopol.
Der Staat kann es aber auf Dauer nur behaupten, wenn er es auch garantiert, zumindest gefühlt.

Genau dafür braucht es auch staatliches Symbolhandeln. Deshalb war es richtig, auf den Widerstand von Asylbewerbern in Ellwangen gegen einen Polizeieinsatz zur Abschiebung eines Flüchtlings aus Togo mit einem massiven Aufgebot zu reagieren. Es darf sich in den Köpfen der Menschen nicht der Eindruck festsetzen, der Staat und seine Ordnungshüter gäben klein bei, wenn man ihnen nur hinreichend hart entgegentritt. [...]

Das gilt allerdings nicht nur für Flüchtlinge. 
Wer vor drei Jahren die sogenannte Hogesa-Demo eines gewaltbereiten, ultrarechten Mobs in Köln erlebt hat; wer sich an die Ausschreitungen beim G-20-Gipfel in Hamburg erinnert; oder wer nahezu wöchentlich registriert, was sich rund um die großen Fußballstadien abspielt – der wird sagen müssen: Auch hier stand und steht das Gewaltmonopol des Staates infrage.

Deshalb hat die Symbolik von Ellwangen ihre Grenzen. 
Nicht nur, weil die Gewalt und der Widerstand, denen die Polizei bei ihrem versuchten Zugriff auf den Togoer angeblich ausgesetzt war, nach Recherchen der "tageszeitung" deutlich geringer war als zunächst angenommen. Die Grenzen der Symbolik sind vielmehr dadurch bestimmt, wie die Bilder von einem schwer bewaffneten Polizeiaufgebot durch Politikerworte begleitet werden.

"Kaum mehr steigerungsfähige Hyperventilationsrhetorik"

Und da fällt es schon auf, wie sich insbesondere CSU-Politiker in einer kaum mehr steigerungsfähigen Hyperventilationsrhetorik ergehen. Innenminister Horst Seehofer drückte in seiner Pressekonferenz nicht nur seine Stimmlage um eine halbe Oktave nach unten, um nur ja bedeutungsschwanger und grimmig genug zu klingen. [...]

  • Den ganze Text von Joachim Frank lesen. Er ist Chefkorrespondent der DuMont-Mediengruppe. Seit 2015 ist Frank Vorsitzender der Gesellschaft Katholischer Publizisten (GKP), des katholischen Journalistenverbands. 
  • Den Kommentar im Deutschlandfunk anhören.
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Ansonsten:

Quelle: Schwäbisches Tagblatt, Tübingen

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