Dienstag, September 06, 2016

MeckPomm - AfD - Flüchtlinge - Linke - Rechte - Und langsam klärt sich das Bild

 
Peenemünde auf der Insel Usedom hat nur etwa 250 Einwohner. Dort erhielt die AfD am Sonntag ( 4. September 2016) 46,8 Prozent. Zusammen mit der NPD (5,6 Prozent) kommen Rechtspopulisten und Rechtsextreme also auf 52,4 Prozent – Rekord in Mecklenburg-Vorpommern.
 _______________________________________________

Zahlen (von Infratest-dimap und anderen):

  1. Die Alternative für Deutschland mobilisiert 56.000 Nichtwähler, fast doppelt so viel, wie SPD und CDU zusammen. 
  2. Die stärkste Abwanderungsbewegung verzeichnet die CDU, mit 23.000 Wählern, die zur AfD gewechselt haben.
  3. Aber auch die rechtsextreme NPD verliert deutlich an die Alternative für Deutschland, etwa 20.000 Wähler.
  4. Die Linke hat mit der Konkurrenz um Protestwähler zu kämpfen. Sie gibt 18.000 Wähler an die Alternative für Deutschland ab.
  5. Die Grünen verpassen den Wiedereinzug in den Landtag. Sie verlieren an alle anderen im Landtag vertretenen Parteien Stimmen, besonders viele an die SPD, aber auch 3.000 an die Alternative für Deutschland.
  6. 17% der AFD-Wähler haben vorher SPD gewählt. 
  7. Wahl-berechtigt waren 1.333.298 Menschen. Davon haben 167.453 (Landesliste) die AfD gewählt = 13% der Wahl-Berechtigten.
  8. 87% der Wahlberechtigten (79% der WählerInnen) haben die AfD nicht gewählt 
_______________________________________________

Themen:
  • Wirtschaft und Arbeitsplätze nannten mehr als zwei Drittel der CDU-Anhänger als das für sie wichtigste Thema.
  • Die soziale Gerechtigkeit war für die Wähler von SPD und Linken besonders wichtig.
"Das Flüchtlingsthema ist jedenfalls eines der zentralen Erklärungsmomente für die AfD. Für die AfD-Wähler war die Flüchtlingsfrage das entscheidende Thema.
_______________________________________________
  
Traditionelle WählerInnen der "Linken"/der "Arbeiter-Parteien" wechseln zur AfD. Warum?
  • Ist die AfD die neue Arbeiterpartei? 
  • Die Linke gibt 18.000 Wähler an die Alternative für Deutschland ab.
  • 17% der AFD-Wähler haben vorher SPD gewählt.
  • Warum gelingt es "der Linken" nicht mehr, diese Menschen abzuholen? 
  • Altersarmut, Niedriglöhne, das sind doch genau ihre Themen.
"Wähler aus allen Schichten haben für die AfD gestimmt. Allerdings: Keine andere Partei hat so viele Stimmen von Arbeitern bekommen wie sie."

"Die Linken", so ist in ersten Analysen zur Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern zu lesen, habe ein Problem mit ehemaligen Anhängern. Die würden jetzt lieber eine rechtspopulistische Partei wie die AfD wählen. -

"In Mecklenburg-Vorpommern hat die Linke auch sich selbst geschlagen.

Ihr Spitzenkandidat war Helmut Holter. Die Linke hat sich aber nicht nur von einer Werbeagentur einen dummen Spot verkaufen lassen, sondern auch so Politik gemacht.
Von 1998 bis 2006 war die Linke (damals noch als PDS) in einer Koalition mit der SPD, Holter damals Arbeitsminister und stellvertretender Ministerpräsident. Die PDS hatte damals, wie in Koalitionen auf Landesebene üblich, im Bundesrat eine Enthaltung vereinbart, falls es keine Einigung mit der SPD gibt."

Die erste rot-grüne Koalition unter Gerhard Schröder wäre bei der Senkung der Unternehmenssteuern im Jahr 2000 ohne Mehrheit gewesen. Holter ließ sich die Zustimmung für die Finanzierung von ein paar Landesprojekten durch den Bund abkaufen. Kurz darauf
  • stimmte der damalige Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) bei der Einführung der Riester-Rente - entgegen der Vereinbarung mit der PDS! - im Bundesrat zu. 
  • Die PDS moserte daraufhin ein bisschen, kündigte die Koalition aber nicht auf. 
  • Die Linke konnte daher im jetzigen Wahlkampf kaum auf Erfolge aus ihrer Regierungszeit verweisen.
23 Prozent aller Stellen waren 2014 in Mecklenburg-Vorpommern unter dem heutigen Mindestlohn bezahlt. Wer einen solchen Job hat, wird in fast allen Fällen eine Rente auf Grundsicherungsniveau erhalten.
  • Die Linkspartei hat in ihrer Regierungszeit die Absenkung des Rentenniveaus hingenommen."
Nach den Wahlerfolgen der AfD vom Frühling brach Sigmar Gabriel in der SPD eine Debatte über ein höheres Rentenniveau vom Zaun.
  • Wer in Mecklenburg-Vorpommern Angst vor Altersarmut hat, setzt daher vielleicht lieber auf den Schreck, den die AfD bei den etablierten Parteien entfaltet, als auf Holters Linke. 
  • Das ist, bei aller irrationalen Furcht vor Flüchtlingen, die hinter dem AfD-Wahlerfolg steht, das Rationale an einer Wahlentscheidung für die AfD. [Quelle]
_______________________________________________


Bodo Ramelow, MP von Thüringen, über "Linke":
  • Die Linke gibt 18.000 Wähler an die Alternative für Deutschland ab.
  • 17% der AFD-Wähler haben vorher SPD gewählt.
  • Warum gelingt es "der Linken" nicht mehr, diese Menschen abzuholen?
  • Altersarmut, Niedriglöhne, das sind doch genau ihre Themen. 
Das scheint mir eine Frage zu sein, die alle Parteien beantworten müssen. Alle Parteien sind hier gefragt. Das Ergebnis der AfD ist besorgniserregend weil mit ihrer Nein-Sager-Strategie parlamentarisch-demokratische Lösungen immer mehr verbaut werden.

Ich habe die Befürchtung, dass am Ende eine Diktatur stehen könnte. Ich denke wir müssen über den gesellschaftlichen Zusammenhang reden.

Es reicht nicht, auf Plakaten die Altersarmut nur zu bebildern. Das nehmen unsere ("linken") Wähler seit 10 Jahren wahr, dass wir gegen Hartz IV sind.
  • Wer gezwungen ist, seine Kinder mit Hartz IV großzuziehen, kann mit unserem Plakat nichts mehr anfangen.
Wir brauchen einen Aufbruch in der Gesellschaft,
  • für einen starken Sozialstaat, in dem sich Ausgegrenzte, Langzeitarbeitslose, Menschen mit Handicaps, Menschen, die unter prekären Bedingungen arbeiten, sich endlich wieder eingeladen fühlen.
  • Wir brauchen einen schärferen gesellschaftspolitischen Diskurs in diesem Land.
    Die CDU sollte sich wieder auf ihr konservatives Klientel konzentrieren und das auch wieder einbinden wollen.
    Und umgekehrt muss es einen linksliberalen Block geben, bei dem die Linke sich aufmachen sollte, nicht immer nur über andere Parteien zu reden, sondern auch ein Angebot zu unterbreiten, das Menschen das Gefühl gibt, hier tut sich was, bei Bildung etwa.
    Ich würde gern wissen, wie sehen das die Grünen, wie die Sozialdemokraten. Wären wir in der Lage, das Trennende nebeneinander liegen zu lassen, aber das Gemeinsame tatsächlich in eine rot-rot-grüne Waagschale zu werfen.
  • Die Verluste hat auch die SPD. Und dennoch bin ich der Meinung, dass die Linke Regierungsverantwortung anstreben sollte. Die Logik der Großen Koalition muss durchbrochen werden. Denn eine Große Koalition so lange zu machen, bis die Großen nicht mehr groß sind, ist kein guter Weg. Österreich lässt grüßen. Am Ende profitieren immer die braunen Seelenfänger.
  • Ja, ich würde viel lieber für Rot-Rot-Grün plädieren. Ich finde es bitter, dass die Grünen nicht reingekommen sind. [Quelle]
    _______________________________________________
Die Grünen

"Die Grünen litten unter zwei Effekten, auf die sie wenig Einfluss hatten.
  1. Zum einen saugte der beliebte SPD-Ministerpräsident Erwin Sellering rot-grüne Wechselwähler an wie ein Staubsauger. 10.000 Wähler wechselten von den Grünen zur SPD, das ist eine relevante Abwanderung. Das Kreuz bei Sellering war schließlich die beste Absicherung gegen einen AfD-Sieg, die Grünen spielten in dieser Abwägung keine Rolle.
  2. Außerdem war die gestiegene Wahlbeteiligung entscheidend. Diese lag mit 61,6 Prozent deutlich über der von 2011 (51,5 Prozent), weil die AfD viele Nichtwähler zum Urnengang motivierte. Für eine Kleinpartei mit wenigen Stimmen ist das allerdings negativ, weil ihre absolute Stimmenzahl dann weniger ins Gewicht fällt. In der Niederlage der Grünen liegt also auch ein Hauch von Tragik. [Quelle]
_______________________________________________

Und die Flüchtlinge? Sündenböcke. Der Tropfen ins volle Fass. 

  • "Das Flüchtlingsthema ist jedenfalls eines der zentralen Erklärungsmomente für die AfD. Für die AfD-Wähler war die Flüchtlingsfrage das entscheidende Thema."

    Ramelow bringt es auf den Punkt:
  • "Die vielen Flüchtlinge, die im letzten Jahr zu uns kamen, mögen der berühmte Tropfen gewesen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt. 
  • Aber sie sind nicht das Problem.
    • Das Wohlstandsmodell der Bundesrepublik Deutschland hat keinen Glanz mehr. 
    • Die Menschen sagen nicht mehr mir geht es zwar im Moment nicht so gut, aber perspektivisch wird es mir besser gehen. 
    • Ohne diese im zweiten Teil des Satzes zum Ausdruck kommende Zuversicht, wird es für die Gesellschaft gefährlich. Und das bildet die AfD ab." [Bodo Ramelow]
_______________________________________________

"Auf Usedom mag es im Sommer viele Urlauber geben, doch Ausländer, Asylbewerber gar, sind wie fast überall in Mecklenburg-Vorpommern selten.Wieso, fragten sich Politiker, hat das Flüchtlingsthema die Wahlen so stark dominiert – wo es doch im Nordosten kaum Geflüchtete gibt?"

"Die AfD ist ein gesamtdeutsches Phänomen, mit dem wir uns auseinanderzusetzen haben, im Grunde genommen ist sie sogar ein gesamteuropäisches Phänomen. Weil es eine Verunsicherung gibt, die nicht genau fassbar ist. Das ist auch ein psychologischer Effekt. Nehmen wir das Thema Flüchtlinge. Alle reden davon, die Wahl in Mecklenburg-Vorpommern sei eine Klatsche für die Kanzlerin, wegen ihrer Flüchtlingspolitik. Doch wo bitte in Mecklenburg-Vorpommern sind Flüchtlinge?" [MP Bodo Ramelow]
_______________________________________________

Ausländerfeindlichkeit funktioniert auch ohne Ausländer, 
erklärt der Mainzer Politikprofessor Jürgen Falter:


„Diese Wähler benötigen gar keine Konfrontation mit ihrem Feindbild. Sie müssen nur unterstellen, dass es zu einer Konfrontation kommen könnte.“
Quelle

Falter hat über die Wähler der NSDAP in der Weimarer Republik gearbeitet. Damals erzielte die Nazi-Partei gerade dort besondere Erfolge, wo Juden, ihr Feindbild, kaum vertreten waren, (z.B. in Ostfriesland).

Ein direkter Vergleich von NSDAP und AfD wäre freilich unangemessen und ahistorisch. 
Dennoch lassen sich erstaunliche Parallelen finden: 
  • Als Feindbild fungiert bei den Wählern der Rechtspopulisten nicht „der Jude“, sondern „der Islam“. 75 Prozent der AfD-Anhänger sehen im Islam eine Gefahr für Deutschland, so das Ergebnis der Analyse von infratest-dimap über das Wahlergebnis. 
  • 86 Prozent stimmen der Aussage zu, dass „die Zahl der Flüchtlinge mir Angst macht“. 
  • Glatte 100 Prozent sind der Meinung, die Zahl der Flüchtlinge müsse begrenzt werden. 
  • Das Flüchtlingsthema war für 54 Prozent der AfD-Wähler entscheidend,
  • gefolgt von sozialer Gerechtigkeit mit 48 Prozent.

Quelle

Neid auf die angeblich so reichen Juden gilt in der Wissenschaft als eines der prägenden Motive für den Antisemitismus. Dieses Feindbild haben viele AfD-Wähler offenbar umstandslos auf Flüchtlinge übertragen.
  • Die Behauptung, für Flüchtlinge werde „mehr getan als für Einheimische“ ist zwar barer Unsinn, aber 83 Prozent der AfD-Wähler stimmen ihr zu.
Zu den wichtigsten Ergebnissen von Falters Forschungen zählt die Tatsache, dass die ­NSDAP seinerzeit von viel mehr Arbeitern gewählt worden war als bis dahin angenommen. Im Fall der AfD heißt es oft, sie werde vor allem von Modernisierungsverlierern und Arbeitslosen bevorzugt. Nach den Analysen von infratest-dimap trifft das zwar zu, ist aber nur die halbe Wahrheit:

Der Arbeiteranteil unter den AfD-Wählern ist demnach mit 33 Prozent so hoch wie bei keiner anderen Partei, und bei den Arbeitslosen beträgt er satte 29 Prozent.

Wahlplakat aus der Weimarer Republik
Der Stimmenanteil von Arbeitern bei der Linken beträgt dagegen nur zehn Prozent.
Nur 16 Prozent der Frauen machten bei der AfD ihr Kreuzchen, aber 25 Prozent aller Männer.
Entwickelt sich die AfD also zur neuen Arbeiterpartei in der Bundesrepublik? Sicherlich ist der Anteil der Wähler aus dem Prekariat bei den Rechtspopulisten höher als bei anderen Parteien – ein Phänomen, das früher auch schon bei den Republikanern zu beobachten war, so Jürgen Falter. Doch auch in der Mittelschicht gibt es viele AfD-Anhänger. „Die Partei wird quer durch alle sozialen Schichten gewählt“, sagt Falter. [Quelle
________________________________


Stimmen
 
Ein Mädchen 2016 in einer deutschen Hauptschulklasse mit überwiegend Migranten-Kindern
[Quelle: srw2]
"Also, wir Deutschen, wir sparen eben das Geld, weil wir eben viel nötiger Geld brauchen als die Ausländer. Die Ausländer schmeißen das Geld raus und kriegen irgendwo nochmal Geld her. Was man eigentlich kaum versteht. 
Bei den Flüchtlingen hier auch genauso. Die haben viel mehr Geld als wir andern, die hier wohnen. - Und Angela Merkel, sie kümmert sich nur noch um die Flüchtlinge. Aber was ist mit den Leuten, die hier wohnen. Sie soll sich besser um ihre Leute kümmern, als die ganze Zeit nur um die Flüchtlinge."
König Harald von Norwegen
"Norweger sind auch aus Afghanistan, Pakistan und Polen, Schweden, Somalia und Syrien einwandert. Meine Großeltern sind vor 110 Jahren aus Dänemark und England eingewandert. Es ist nicht immer so leicht, zu sagen, woher wir kommen, welche Nationalität wir haben. Das, was wir unser Zuhause nennen, ist dort, wo unser Herz ist - und das kann man nicht immer innerhalb von Landesgrenzen einordnen." 
Seine größte Hoffnung für Norwegen sei es, dass die Menschen aufeinander aufpassten. 
"Dass wir dieses Land weiterbauen - auf Vertrauen, Gemeinschaft und Großzügigkeit. Dass wir erkennen, dass wir - trotz aller unserer Unterschiede - ein Volk sind. Dass Norwegens eins ist." 
In der Flüchtlingspolitik fährt die norwegische Regierung aus Konservativen und Rechtspopulisten einen strengen Kurs gegen Asylbewerber. [Quelle] 
Justin Forsyth, stellvertretender Unicef-Direktor
"Angela Merkel ist außerordentlich mutig und von Prinzipien getrieben. Eine der grössten Menschenfreunde unserer Zeit. Die Deutschen sollten stolz sein, eine Kanzlerin mit diesen Prinzipien zu haben."

Keine Kommentare: